Protocol of the Session on January 23, 2019

Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Landes Niedersachsen und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und

Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.

(Lebhafter Beifall)

Vielen Dank. - Ich bitte nun Frau Otte, den Eid abzulegen.

Stefanie Otte:

Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Landes Niedersachsen und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.

(Lebhafter Beifall)

Vielen Dank. Ich möchte Ihnen nochmals im Namen des Hohen Hauses zu Ihrer Wahl in dieses hohe Richteramt des Landes Niedersachsen gratulieren. Ich spreche Ihnen die Glückwünsche des Landtages aus. Mögen Sie durch Ihre Mitwirkung an den Entscheidungen des Staatsgerichtshofs unserem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern dienen!

Vielen Dank.

Ich rufe nun auf den

Tagesordnungspunkt 9: Wahl der Präsidentin/des Präsidenten des Staatsgerichtshofs - Wahlvorschlag des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs - Drs. 18/2585

Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof wählt der Landtag aus der Reihe der Mitglieder des Staatsgerichtshofs, die die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen, die Präsidentin oder den Präsidenten und die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten.

Nach § 86 unserer Geschäftsordnung kann durch Handzeichen gewählt werden, wenn kein anwesendes Mitglied des Landtages widerspricht. Kann ich feststellen, dass das Haus mit diesem Wahlverfahren einverstanden ist? - Ich sehe Nicken und

keinen Widerspruch. Somit wählen wir per Handzeichen.

Nach § 86 unserer Geschäftsordnung ist gewählt, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt. Erforderlich ist demnach eine einfache Mehrheit der Stimmen. Bei der Ermittlung dieser Mehrheit zählen Stimmenthaltungen nicht als abgegebene Stimmen.

Wer den Wahlvorschlag für die Wahl des Präsidenten des Staatsgerichtshofs annehmen und entsprechend dem Wahlvorschlag in der Drucksache 18/2585 Herrn Dr. Thomas Smollich zum Präsidenten des Staatsgerichtshofs wählen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass Herr Dr. Smollich vom Landtag einstimmig zum Präsidenten des Staatsgerichtshofs gewählt worden ist.

(Lebhafter Beifall)

Herr Dr. Smollich, ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Thomas Smollich:

Ja, ich nehme die Wahl an.

Vielen Dank. Ich spreche auch Ihnen die herzlichen Glückwünsche des Hauses aus.

(Beifall)

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 10: Rede des scheidenden Präsidenten des

Staatsgerichtshofs, Herrn Dr. Herwig van

Nieuwland

Tagesordnungspunkt 11: Rede der neu gewählten Präsidentin/des neu gewählten Präsidenten des Staatsgerichtshofs

Meine Damen und Herren, es gehört zu den Traditionen dieses Hohen Hauses, dass sich ein scheidender Präsident bzw. eine scheidende Präsidentin des höchsten Gerichts unseres Landes verabschiedet und der gewählte Nachfolger bzw. die gewählte Nachfolgerin sich dem Haus und damit auch der Öffentlichkeit vorstellt.

Dazu erteile ich jetzt zunächst Ihnen, Herr Dr. van Nieuwland, das Wort. Bitte!

Dr. Herwig van Nieuwland:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe heute vor Ihnen, um mich aus einem Amt zu verabschieden, das Sie mir vor sechs Jahren anvertraut haben. Insgesamt durfte ich dem Staatsgerichtshof 19 Jahre angehören, zunächst als stellvertretendes Mitglied, dann als Mitglied, später als Vizepräsident und schließlich - ab 2013 - als Präsident.

Das Amt des Präsidenten des Staatsgerichtshofs ist ein herausgehobenes Richteramt, das für den Inhaber eine besondere Ehre, zugleich aber auch eine besondere Verantwortung ist.

Die Verfassung des Landes Niedersachsen verbindlich auszulegen und dabei nicht nur den konkreten Verfassungsrechtsstreit zu entscheiden, sondern auch verfassungsrechtliche Leitlinien zu entwickeln und Orientierung für die praktische Arbeit von Parlament und Regierung zu geben, ist eine große Herausforderung und besondere Verpflichtung. Dieser anspruchsvollen Aufgabe müssen sich die neun Mitglieder des Gerichts immer wieder neu stellen.

Beim Abschied aus dem Amt des Präsidenten wird häufig darüber berichtet, welche bedeutenden, um nicht zu sagen, weisen Entscheidungen in der zu Ende gehenden Amtsperiode erlassen worden sind. Darauf möchte ich heute verzichten.

Der Staatsgerichtshof hat soeben den fünften Band seiner amtlichen Sammlung herausgegeben, in dem alle, die es interessiert, nachlesen können, was in den vergangenen Jahren zum Anspruch des Parlaments auf Aktenvorlage, zu Inhalt und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts und zu den Spielregeln bei der Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses entschieden worden ist. Diejenigen unter Ihnen, die das aktuell nicht so brennend interessiert - und das dürfte wohl die Mehrheit sein -, würde ich mit einem Rückblick auf die ergangene Rechtsprechung ohnehin nur ermüden.

Ich möchte heute wider Erwarten auch nicht über mein Lieblingsthema sprechen, nämlich die Funktion der Verfassungsbeschwerde im demokratischen Verfassungsstaat.

(Heiterkeit)

Meinen Standpunkt dazu kennen Sie. Was ich mir allerdings wünschen würde, wäre, dass der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf so intensiv beraten und diskutiert wird, wie er es angesichts der Bedeutung

dieses Themas verdient. Es wäre schon ein wenig irritierend, wenn Niedersachsen das letzte Bundesland wäre, in dem die Bürgerinnen und Bürger Grundrechtsverstöße nicht vor dem eigenen Verfassungsgericht einklagen könnten.

Das Thema, über das ich mit wenigen Spiegelstrichen heute reden möchte und das mich in den letzten Jahren zunehmend besorgt, ist die schleichende Erosion der rechtsstaatlichen Strukturen und die Stellung der Justiz im gewaltenteiligen Staat.

Wir beobachten nun schon seit geraumer Zeit seismische Erschütterungen des rechtsstaatlichen Gefüges und Angriffe auf die richterliche Unabhängigkeit, wie wir das noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten haben. Ich verweise auf Polen, Ungarn, Rumänien oder Bulgarien, um nur einige Beispiele zu nennen - von der Türkei ganz zu schweigen. Ein amerikanischer Präsident fabuliert ungeniert über die „so-called judges“ und hat keinerlei Hemmungen, angesehene Richter auf üble Weise zu diffamieren. Gewachsene Strukturen und sicher geglaubte Standards werden so infrage gestellt und geraten auf eine schiefe Ebene.

Das alles ist nicht nur ein Problem in anderen demokratischen Staaten. Leider gibt es auch bei uns Krisensymptome, vor denen wir die Augen nicht verschließen sollten.

Wenn Flüchtlinge abgeschoben werden, ohne dass die angerufenen Gerichte die Gelegenheit hatten, Rechtsschutz zu gewähren, wie das in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern passiert ist, dann ist das nicht nur ein Verstoß gegen den grundrechtlichen Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes, dann ist das auch eine Missachtung der Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse der dritten Gewalt und ihrer Unabhängigkeit. Natürlich ist Sami A. kein unbeschriebenes Blatt. Er wurde von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestuft - und das wohl auch zu Recht. Aber der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass der Zweck die Mittel auch dann nicht heiligt, wenn das gesellschaftliche Klima rauer wird.

Wenn dann auch noch ein Innenminister erklärt, die Unabhängigkeit von Gerichten ist ein hohes Gut, aber Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen, dann muss dem deutlich widersprochen werden.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung von Klaus Wichmann [AfD])

Gerichte entscheiden nach Recht und Gesetz und nicht nach einem wie auch immer gearteten Rechtsempfinden des Volkes. So steht es im Grundgesetz, und so steht es auch in der Verfassung des Landes Niedersachsen.

Ein anderes Beispiel: Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts sah sich gezwungen, sich mit einem Beschwerdeschreiben an die Kommunalaufsicht in Hessen zu wenden, weil sich die Stadt Wetzlar hartnäckig weigerte, eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts über die Freigabe der Stadthalle für eine politische Veranstaltung zu befolgen. - Ein ungewöhnlicher Vorgang! Dass das Bundesverfassungsgericht einem Regierungspräsidenten die Rechtslage bezüglich der Bindungskraft rechtsverbindlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erklären muss, ist mehr als ein Affront und mit fachlicher Inkompetenz kaum zu erklären.

Ein drittes und letztes Beispiel: Das Verwaltungsgericht München hat nun schon zum wiederholten Mal ein Zwangsgeld gegen den Freistaat Bayern angedroht und verhängt, weil sich die Bayerische Staatsregierung standhaft weigert, sich einem rechtskräftigen Urteil zu beugen und einen neuen Luftreinhalteplan für die Stadt München einschließlich der Regelung von Fahrverboten vorzulegen. Alle bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Bayerische Staatsregierung blieben erfolglos.

Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. November 2018 in einem Vorlageverfahren eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage eingeholt, ob das europäische Recht so auszulegen ist, dass ein deutsches Gericht berechtigt oder gar verpflichtet ist, gegenüber Amtsträgern der Regierung eines deutschen Bundeslandes Zwangshaft anzuordnen, um auf diese Weise die Verpflichtung dieses Bundeslandes zur Beachtung und Einhaltung des europäischen Rechts sicherzustellen.

Noch einmal zur Klarstellung, weil man es eigentlich nicht glauben kann: Da fragt ein deutsches Gericht den Europäischen Gerichtshof, ob gegen ein Mitglied einer Landesregierung Zwangshaft anzuordnen ist, um diese Landesregierung zur Beachtung rechtskräftiger Urteile und damit zu rechtstreuem Verhalten zu zwingen. - Das ist keine

Satire, meine Damen und Herren, das ist leider gelebte Realität.