Sehr geehrte Frau Präsidentin Janssen-Kucz! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Plenarwoche sprechen wir viel über Geld, was in einer Plenarwoche, welche sich mit dem Haushalt des Landes beschäftigt, nichts Ungewöhnliches ist.
Das Land Niedersachsen hat ein eigenes Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung geschaffen - eine wichtige und richtige Entscheidung für unsere Zukunft.
Ohne die anderen Ministerien brüskieren zu wollen, halte ich persönlich die Aufgabenstellung des Europaministeriums für eine der wichtigsten in unserem Bundesland.
Ohne europäische Konzepte und Lösungen können Klima- und Umweltfragen, Digitalisierung, innere und äußere Sicherheit und Fluchtursachenbekämpfung nicht bewältigt werden.
Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, geht es um mehr als um Geld und Haushaltszahlen: Es geht um unsere Zukunft. Und unsere Zukunft ist Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen. Daher ist z. B. die Stärkung des Europäischen InformationsZentrums - vielen von Ihnen als EIZ bekannt - wichtig. Das EIZ bringt Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen zusammen, es informiert und führt Veranstaltungen und Projekte zum Thema Europa durch. Nur wenn man Europa kennt und versteht, weiß man, was Europa jedem von uns konkret bringt.
Sehr geehrte Damen und Herren, Niedersachsen ist ein starkes Land. Um unsere Interessen angemessen gegenüber dem Bund und auch über gegenüber Europa zu verdeutlichen, sind die Landesvertretungen in Berlin und in Brüssel wichtige niedersächsische Eckpfeiler. Gerade jetzt, wenn wir stürmische Zeiten in Europa erleben, brauchen wir in Brüssel eine starke Stimme und die Rückkopplung mit den europäischen Institutionen.
Zu wenig Gespräche, zu wenig gemeinsame europäische Projekte, zu viel Missverständnisse und zu wenig Aufklärung: Großbritannien und der Brexit zeigen uns, was passieren kann, wenn wir die Zeichen der Zeit nicht erkennen.
In der EU eskalieren Probleme nicht nur mit Großbritannien, sondern jetzt auch mit Italien, einem Gründungsmitglied der EU. Früher gab es Probleme an den Außengrenzen, nun treffen die Probleme den Kern, das Herz Europas.
Wir haben ein grundlegendes und tiefgehendes Problem in Europa. Und dieses Problem, meine Damen und Herren, hat nichts mit Migration und Flüchtlingen zu tun. Es fing mit der Finanzkrise 2008 an, und wir haben nichts dazugelernt. Noch schlimmer: Bis heute haben wir in Europa gar nicht verstanden, was damals passiert ist.
Die Antwort Europas war damals Austeritätspolitik. Dass die Krise auch anders bekämpft werden kann, lehrt die Entwicklung in den USA seit 2008. Mithilfe einer sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik haben die Vereinigten Staaten wesentlich bessere Wachstums- und Beschäftigungsraten erzielt als die EU.
Dass eine gemeinsame Währung letztendlich nur in einer gemeinsamen politischen Union überleben kann, übersieht leider die schwarz-rote Regierung in Berlin bewusst. Sie unterstützt deshalb auch nicht die Bemühungen einer Demokratisierung der EU, sie spricht sich nicht für die Stärkung des Europaparlaments im Gesetzgebungsverfahren aus, sie unternimmt nichts für den Ausbau der Kommission zu einer demokratisch gewählten und kontrollierten europäischen Regierung.
Dass jetzt europaweit Mitte-links- und Mitte-rechtsVolksparteien zusammenbrechen, muss uns zu denken geben. Dies sind die Auswirkungen der weltweiten Krise von 2008. Es ist eine Wiederholung der Fehler, die man früher auch nicht erkannt hat. Ende der 1920er-Jahre gab es eine ähnliche Entwicklung. Damals wie heute wurde versucht, die Ursachen der Krise auf die Schwächeren und auf die Randgruppen zu schieben. Das Ergebnis waren Faschismus, Nationalismus und der Zweite Weltkrieg.
Dass heute eine weitere Partei im Bundestag und auch im Niedersächsischen Landtag sitzt, hat seine Ursachen in der nicht bewältigten Krise des Jahres 2008 und nichts mit der Politik von Angela Merkel im Sommer 2015 zu tun.
(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - Zuruf von der AfD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn die Entwicklung unseres Kontinents eine dramatische Schieflage erleidet, müssen wir uns Gedanken machen. Vielleicht benötigen Berlin und Brüssel Hilfe aus Niedersachsen. Vielleicht müssen wir uns gemeinsam Gedanken über einen europäischen Niedersachsenplan machen, einen Plan, der auf ganz Europa übertragbar ist. Das Parlament und die niedersächsischen Institutionen müssen Antworten geben, wir müssen miteinander sprechen und koordiniert handeln.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der GroKo, wir werden Sie aktiv begleiten. Wir werden Sie unterstützen, wenn Sie gute Vorschläge für die Menschen in Niedersachsen machen, wir werden Sie kritisieren, wenn Sie das Gegenteil tun, und wir werden Ihnen Gegenvorschläge unterbreiten, wenn Sie uns nicht überzeugen können.
Ich möchte meine Rede mit einem Zitat eines argentinischen Chemietechnikers, Philosophen und Theologen beenden. Ich bin mit ihm nicht immer einer Meinung, aber hier schon. Er sagte:
„Ich träume von einem Europa der Familien mit einer echt wirksamen Politik, die mehr in die Gesichter als auf die Zahlen blickt und mehr auf die Geburt von Kindern als auf die Vermehrung der Güter achtet.“
Vielen Dank, Herr Kollege Pancescu. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Dr. Christos Pantazis. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wohnen heute einer Premiere bei. Schließlich beraten wir erstmals den Einzelplan 16 für das neu geschaffene Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung.
Niedersachsen hat als einziges Bundesland ein eigenes Europaministerium. Die Konstruktion ist einzigartig, erstrecken sich doch die Zuständigkeiten von der regionalen Ebene auf die Landesebene und von hier auf die Bundes- und EU-Ebene. Erkenntnisse, die hier gewonnen werden, können wir auf unterschiedlichsten Ebenen weitergeben. Dieser Ansatz macht das MB beispielsweise für die regionale Entwicklung des zweitgrößten Flächenlandes der Bundesrepublik Deutschland so wertvoll.
Liebe FDP, dieses eigenständige Ressort bietet die besten Möglichkeiten, den Förderanforderungen der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Kommunen gerecht zu werden.
Seine Errichtung bedeutet eine Aufwertung der Regionalentwicklung und schafft die Voraussetzung für den Erfolg bei der Weiterentwicklung und dem Ausbau. Betrachtet man allerdings Ihren Änderungsvorschlag zum Einzelplan 16, mit dem Sie das Ressort rückabwickeln wollen - Sie sollten sich eventuell an dem Wortbeitrag von Herrn Pancescu orientieren -, so haben Sie offensichtlich nicht begriffen, welchen Mehrwert dieser Ansatz und die
Ich möchte nur daran erinnern, dass Ihre Fraktion sowohl die Arbeit als auch die Betreuung durch das neue Ressort mit genau diesem Ansatz ausdrücklich gelobt hat, letztmalig vor zwei Tagen bei der ersten Beratung des Brexit-Übergangsgesetzes.
Die Auswirkungen des Brexits auf Niedersachsen werden wir morgen im Rahmen der Fragestunde noch genauer beleuchten. Auch insoweit leistet das Ministerium exzellente Arbeit, wie beispielsweise auch in der Frage des anstehenden mittelfristigen Finanzrahmens der Europäischen Union und in der Frage, wie wir Niedersachsen hierbei stark aufstellen können. Dies wird meine Kollegin Dr. Liebetruth in ihrem Redebeitrag noch näher erläutern.
Dem bereits erwähnten Lob und Dank möchte ich mich daher auch im Namen meiner Fraktion gegenüber Ihnen und Ihrem Haus, Frau Ministerin Honé, ausdrücklich anschließen. Nicht nur in schwierigen europäischen und regionalpolitischen Sachfragen, sondern auch in den Haushaltsberatungen haben wir uns durch Sie und Ihr Haus sehr gut betreut gewusst.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Willy Brandt hat einst gesagt: „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne Frieden nichts.“ - Damit wären wir bei der Europäischen Union und ihrer Bedeutung. Als erfolgreichstes Friedensprojekt der Menschheitsgeschichte ist diese, wie einst Willy Brandt, im Jahr 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Seit nunmehr 70 Jahren garantiert diese Union auf unserem Kontinent, der jahrhundertelang von Kriegen, Not und Elend geprägt war, Frieden.
Willy Brandt, Flüchtling und kriegserfahren, wusste aber auch, dass nichts von selbst kommt und nur wenig von Dauer ist. Jüngste Entwicklungen wie aktuell die Gefährdung des Karfreitagsabkommens in Nordirland durch den Brexit führen uns nun sehr deutlich vor Augen, dass nichts selbstverständlich ist und mühevoll erkämpfte Errungenschaften schnell wieder verlorengehen können. Angesichts erkennbarer europafeindlicher und rechtspopulisti
scher Tendenzen auf europäischer Ebene kommt der Vermittlung des Europagedankens aus unserer Sicht eine besonders große Bedeutung zu.
Insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Wahl des Europäischen Parlaments am 26. Mai 2019 gilt es, den Mehrwert der EU zu vermitteln, und zwar in allen Lebensbereichen - von der Schule bis zur Umwelthilfe. Zahlreiche Beispiele zeigen, warum es dringend notwendig ist, die europäische Integration zu vertiefen und sich für Niedersachsen in Europa starkzumachen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die europäische Idee die Antwort auf die großen Fragen der Gegenwart und der Zukunft ist. Nicht nur beim Frieden, sondern auch beim Klimaschutz, bei den sozialen Regeln, in der Globalisierung oder bei der gerechten Besteuerung großer Unternehmen gilt: Die Probleme lassen sich nur gemeinsam lösen. Europa ist die Antwort.
Die Regierungsfraktionen räumen daher der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Priorität ein und werden hierzu die wertvolle Arbeit des Europäischen Informations-Zentrums Niedersachsen mit zusätzlich 200 000 Euro fördern. Wir wollen hierdurch innovative Informationsangebote ermöglichen, um die Wahlbeteiligung bei den anstehenden Wahlen anzuheben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hatte es vorhin bereits erwähnt: Niedersachsen ist das zweitgrößte Flächenland unserer Republik mit ganz vielfältigen Regionen. So wie Europa mittlerweile regional denkt, stellt die Entwicklung unserer niedersächsischen Region mit dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu ermöglichen, einen Schwerpunkt unserer Haushaltsberatungen dar. In den letzten Jahren hat die regionale Entwicklung hervorragende Arbeit geleistet. Das Land ist mit den Ämtern für regionale Landesentwicklung nach Jahren der Abstinenz wieder in der Fläche präsent. Das Südniedersachsenprogramm greift, die internationale Zusammenarbeit in den INTERREGProgrammen ist etabliert, und die drei Metropolregionen sind als wichtige Plattform für Innovation neu aufgestellt.
Dem wollen die Regierungsfraktionen Rechnung tragen und werden insbesondere der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg Mittel für eine Geschäftsstelle bereitstellen.
Dadurch soll die Entwicklung zukunftsweisender Projekte in den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Life Science, Digitalisierung und E-Mobilität maßgeblich verbessert werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, als Sprecher meiner Fraktion für regionale Entwicklung freut es mich, dass wir entsprechend unserer Koalitionsvereinbarung Klein- und Mittelstädte im ländlichen Raum durch ein vom Land finanziertes Programm gesondert unterstützen werden. Als Schwerpunkt unserer politischen Liste zollen wir dem Umstand Rechnung, dass viele niedersächsische Städte mit einer Einwohnerzahl von ca. 10 000 bis 50 000 eine wichtige Ankerfunktion für die sie umgebenden ländlichen Räume haben. Sie übernehmen Versorgungsfunktionen für ihr Umland und fungieren als Motoren der regionalen Entwicklung. Sie sehen sich allerdings auch infolge des demografischen Wandels diversen Herausforderungen gegenüber. Hier werden wir mit dem Programm „Zukunftsräume Niedersachsen“ - beginnend mit 2,5 Millionen Euro im Jahr 2019 und einer entsprechenden Verpflichtungsermächtigung für das Jahr 2020 - konzeptionelle Zukunftsprojekte mit Zuschüssen fördern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich die Gelegenheit ergreifen, mich bei fast allen Mitgliedern des federführenden Ausschusses für die ausgesprochen gute und kollegiale Zusammenarbeit im nun endenden Jahr zu bedanken. Uns alle eint der Glaube an die europäische Idee, dem erfolgreichsten Friedensprojekt der Menschheitsgeschichte.