Protocol of the Session on November 13, 2018

Bei Ihnen hingegen erreichen die Konsumausgaben mittlerweile besorgniserregende Ausmaße. Die Steuereinnahmen steigen zwar in wirklich erstaunlichem Maße. Es ist fast unfassbar, wie viel Geld Sie zur Verfügung haben. Die Investitionsquote sinkt aber kontinuierlich. Sie haben gegenüber 2015 mehr als 4 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Dafür haben Sie die Investitions

quote gegenüber 2010 mal locker halbiert. Weder das Abzahlen der Altschulden noch die Investitionen in Zukunftsprojekte haben bei SPD und CDU die Priorität, die möglich und auch notwendig wäre.

(Beifall bei der FDP)

Zu dieser Ambitions- und Ideenlosigkeit kommen schlechtes Handwerk und schlechter Regierungsstil. Die Vorbereitung der Regierungserklärung haben wir schon angesprochen. Das ist ja fast eine Petitesse. Die Kollegin Piel hat auf das Kita-Gesetz hingewiesen. Dort ist das auch sehr deutlich geworden. Es gab noch einige andere Gesetze, an denen man es deutlich machen kann. Ich nenne nur das Niedersächsische Datenschutzgesetz als ein Beispiel.

Besonders eklatant ist aber die Art und Weise, wie Sie im Rahmen der Polizeirechtsdiskussion mit unserer Verfassung umgehen. Da wird von den regierungstragenden Fraktionen ein mit der Regierung abgestimmter Entwurf vorgelegt, der in weiten Teilen offensichtlich verfassungswidrig ist. Am Ende werden darin haufenweise Verschärfungen zulasten der Grundrechte formuliert, obwohl sie zur Gewährleistung der inneren Sicherheit zumindest nicht nachweisbar nötig sind. Es wird immer behauptet, aber nie tatsächlich konkret dargelegt.

Mit anderen Worten: Ohne Not werden durch diese Landesregierung genau die Werte infrage gestellt, die diejenigen, vor denen wir angeblich geschützt werden sollen, bekämpfen. Das alles geschieht in erster Linie - und genau das ist der schlechte Regierungsstil - zum Zwecke der parteipolitischen Profilierung im Felde der inneren Sicherheit - oder anders gesagt: aus Gründen der Traumabewältigung bei der CDU.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das zeugt von einem fragwürdigen Verfassungsverständnis. Denn es muss doch stets darum gehen, Freiheit und Sicherheit gemeinsam zu realisieren und nicht gegeneinander auszuspielen.

Herr Ministerpräsident, Ihr Bekenntnis hier, dass Sie als Regierungsvertreter die Hinweise im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Fehler jetzt ernst nehmen, ist eigentlich eine Bankrotterklärung. Wie kann eine Landesregierung mit dem Apparat, den Sie haben, mit dem juristischen Sachverstand, den Sie haben, einen solchen Gesetzentwurf, bei dem Sie mindestens im Rahmen der Formulierungshilfe mitgewirkt haben, über

haupt durchgehen lassen? Das ist unverantwortlich und wirklich bezeichnend für Ihre Art zu regieren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nach unserer Auffassung muss sich eine ehrgeizige und ambitionierte Politik den wichtigen Themen der Zukunft zuwenden, und zwar - da haben Sie durchaus recht, Herr Ministerpräsident - spürbar. Die Bürger müssen spüren, dass sich tatsächlich in diesen politischen Feldern etwas tut und dass nicht nur geredet wird, dass nicht nur ständig irgendwelche Dinge in den Raum gestellt werden, ohne dass konkrete Handlungen folgen.

Übrigens, Herr Minister Lies: Beim Wolf muss spürbar gehandelt werden. Sonst kippt die Stimmung in diesem Land. - Das ist ein Beispiel dafür, dass nur geredet und nichts getan wird. Auch beim Diesel muss gehandelt werden und nicht geredet werden.

(Johanne Modder [SPD]: Das ist ja auch alles so einfach, Herr Birkner! Deswegen haben Sie ja nicht die Ver- antwortung übernommen!)

Alles das sind Punkte, wo die Politik versagt. Sie haben keine Konzepte und keine Ideen. Mit dem, was Sie tun, erreichen Sie die Bürger nicht mehr. Damit tragen Sie dazu bei, dass die Bürger sich von der Politik abwenden.

(Beifall bei der FDP)

Sie müssen Antworten für einen zukunftsfähigen Haushalt finden. Diese Antworten sehen wir bei Ihnen nicht. Vorschläge für eine Schuldenbremse liegen seit Langem hier im Haus vor. Seit Februar dieses Jahres liegt ein Gesetzentwurf der FDPFraktion im Haushaltsausschuss. Wir warten darauf, gemeinsam mit Ihnen endlich Ihre Vorschläge und Ideen umzusetzen, wie man die Schuldenbremse tatsächlich auch in die Landesverfassung aufnehmen kann.

Beim Schuldenabbau sind und bleiben Sie völlig ambitionslos. Wann, wenn nicht jetzt soll es eigentlich einmal gelingen, den über 60 Milliarden Euro hohen Schuldenberg abzutragen? Was sind eigentlich Ihre Ideen zur Vorsorge, wenn sich einmal die Konjunkturlage und auch die Zinssätze ändern? Sie haben keine Vorsorge für mögliche Zinssteigerungen getroffen. Am Ende ist Ihr Haushalt ein Kartenhaus, das ein Windhauch zum Ein

sturz bringen kann, und zwar jederzeit, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Was sind denn die konkreten Vorstellungen und Projekte der Landesregierung im Hinblick auf die Zukunft der Arbeitswelt in einer digitalisierten Gesellschaft? Wie wirkt sich denn der sich abzeichnende Strukturwandel auf die niedersächsische Wirtschaft, vor allem aber auf die Menschen in Niedersachsen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen ganz konkret aus? Was sind Ihre Vorstellungen, wie man diesen Strukturwandel bewältigt? Und was bedeutet diese Entwicklung konkret für die Bildungs- und Wissenschaftspolitik? Gerade im Kultusbereich und im Wissenschaftsbereich hat das Land ja Kompetenzen.

Wir Freien Demokraten sehen in allen diesen Fragen und Herausforderungen keine Bedrohung. Wir sehen darin Chancen, die wir zum Wohle der Menschen ergreifen müssen. Man muss die Chancen aber auch ganz konkret identifizieren, um sie tatsächlich ergreifen und von der Digitalisierung auch in Niedersachsen profitieren zu können.

Abgesehen von wohlfeilen Textbausteinen in der einen oder anderen Rede hat die Landesregierung aber nichts dafür vorzuweisen. Das ist ein Armutszeugnis im Hinblick auf diese großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, und wirklich kein Grund, sich nach einem Jahr Nichtstun in diesen Feldern hier zu loben.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch in dem wichtigen Feld der Infrastruktur passiert in Niedersachsen zu wenig. Der Ausbau von Straßen, Schienen, Wasserwegen, digitaler Infrastruktur und Stromleitungen, von denen Niedersachsen in besonderem Maße betroffen ist, scheitert doch nicht daran, dass das Geld nicht da wäre. Das Geld ist da. Es sind Bundesmittel und andere Mittel da; es stehen Landesmittel zur Verfügung. Es wird aber nichts umgesetzt.

Die Menschen sind über die Dauer dieser ganzen Verfahren zum Straßenbau, aber auch zum Schienenbau und zum Stromleitungsbau frustriert. Alles das frustriert die Menschen ungemein. Es geht in diesem Land nichts voran.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Es wird ständig etwas getan!)

Bernd Althusmann wird als Wirtschaftsminister ja nicht müde, auch dieses Thema zu adressieren. Aber was sind denn die konkreten Vorschläge der Landesregierung, wie diese Genehmigungsverfahren und anderen Verfahren beschleunigt werden können? Auch an dieser Stelle kommt die Landesregierung über das allgemeine Beklagen der Situation nicht hinaus, obwohl Niedersachsen hier in besonderem Maße betroffen ist.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Wir erwarten ganz konkrete Vorschläge. Sie müssen über eine symbolhafte Bundesratsentschließung hinausgehen. Es müssen handwerklich saubere, mehrheitsfähige Gesetzentwürfe aus Niedersachsen heraus initiiert werden. Sie haben doch mit einer Großen Koalition in Berlin politische Partner, mit denen Sie das umsetzen könnten. Oder sind Sie in Berlin so einflusslos, dass Sie sich hier nur zurückziehen und sagen, die Langeweile, die Sie hier pflegen, hebe sich so wohltuend von dem ab, was Sie im Bund tun? Das ist doch viel zu wenig für den Anspruch, den man als Land Niedersachsen auch in Berlin haben muss. Gehen Sie hier endlich voran, und lösen Sie die Probleme dieses Landes durch eigene Ideen und Vorschläge!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das gilt auch für den großen Bereich der Migration. Die Migration wird eine der großen Herausforderungen sein, mit denen Niedersachsen und die Bundesrepublik in den nächsten Jahren, vielleicht auch Jahrzehnten konfrontiert sein werden. Das sind Entwicklungen, denen wir uns stellen müssen und zu denen wir uns positionieren müssen. Das Land hat ja in sehr vielen Bereichen ganz konkret damit zu tun.

Wenn Innenminister Pistorius zum Thema Migration gefragt wird, sagt er immer: Wir warten auf das, was der Bund macht! - Das ist definitiv zu wenig. Sie dürfen sich auch hier nicht hinter dem Bund verstecken. Ergreifen Sie endlich selbst die Initiative! Wie soll ein Einwanderungsgesetz nach den Vorstellungen von CDU und SPD in Niedersachsen konkret aussehen? Warum bringen Sie sich nicht ein? Sie sind doch in Berlin angeblich so einflussreich. Offensichtlich sind Sie das vielleicht dann doch nicht.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Was tun Sie eigentlich im eigenen Bereich, um hier Recht und Gesetz durchzusetzen? Das Problem ist doch, dass viele Menschen den Eindruck haben, dass der Rechtsstaat in diesem Bereich herumeiert und nicht mehr handlungsfähig ist. Was tun Sie denn, um ausreisepflichtige Menschen tatsächlich abschieben zu können? - Aufgrund einer Anfrage, die wir gestellt haben, haben wir die Zahlen ja bekommen. Über 70 % der Abschiebungen werden nicht vollzogen. Offensichtlich macht es also keinen Unterschied, ob man einen Asylanspruch hat oder nicht, wenn man am Ende tatsächlich im Land bleiben kann. Was tut denn die Landesregierung, um hier auch das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen? - Offensichtlich zu wenig, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und den GRÜ- NEN sowie Zustimmung bei der AfD - Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Dies sind nur einige Punkte. Sie sind sehr auf das fixiert, was Sie mit dem vielen Geld im Klein-Klein jetzt bewegen konnten. Und noch einmal: Darunter sind viele Punkte, die wir im Ergebnis für richtig halten. Die Art und Weise aber, wie Sie es machen, halten wir vielfach für falsch. Niedersachsen kann aber doch viel, viel mehr als das, was Sie aus diesem Land machen!

Das schlichte Verwalten und sich dafür loben zu lassen, dass man mehr oder minder langweilig über das Land zieht, und das als den neuen Politikstil zu verkaufen, ist zu wenig. Sie müssen Deutschland gestalten, Sie müssen Niedersachsen gestalten - die Herausforderungen liegen auf dem Tisch -, mit eigenen Ideen und Konzepten! Und Sie dürfen nicht weiter hier erklären, dass Stabilität - das, was Sie hier verbreiten, ist aus meiner Sicht eher Langeweile als Stabilität - jetzt der Maßstab für das ist, was aus Niedersachsen kommen muss.

Sie müssen Dynamik entfalten! Sie müssen Niedersachsen voranbringen und sich ehrgeizige Ziele setzen! Sonst bleibt es dabei, dass dem Land fünf verlorene Jahre drohen.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der FDP und Bei- fall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Der nächste Redner ist nun für die CDU-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Toepffer. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Birkner, in der Tat: Seit fast einem Jahr regieren SPD und CDU in Niedersachsen gemeinsam, und zwar auf Augenhöhe.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Lachen bei den GRÜNEN - Anja Piel [GRÜNE]: Man kann das auch einmal zu oft sagen!)

Langweilig, lieber Herr Birkner, war es nie. Für den einen oder anderen mögen diese zwölf Monate überraschend gekommen sein. Andere haben damit gerechnet, habe ich heute gehört. Fakt ist: Diese GroKo in Niedersachsen funktioniert wirklich ganz gut.

(Anja Piel [GRÜNE]: „Ganz gut“! - La- chen bei den GRÜNEN)

- Ja, ich neige nicht zu Euphorie.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wissen Sie, das war ja in der Tat eher eine Vernunftehe als eine Liebesheirat.

(Johanne Modder [SPD]: Ja!)

Wir alle aber wissen: Das sind häufig die stabilsten Beziehungen. Deswegen in der Tat mein Dank an den Ministerpräsidenten, seinen Stellvertreter und die Kolleginnen und Kollegen in beiden Fraktionen. Es hat wirklich Spaß gemacht!