Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Gute Arbeit im Niedersächsischen Landtag - Versprechen einlösen und Festanstellung von Bewachungs- und Sicherheitspersonal endlich umsetzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1845
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie alle kennen die Homepage der Niedersächsischen Landesregierung. Dort steht Folgendes:
„Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass … die Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich verbessern, Tarifbindung und Tarifautonomie ihren festen Platz im Arbeits- und Wirtschaftsleben erhalten, die Ausbreitung befristeter Arbeitsverhältnisse zu begrenzen ist, die geltenden Regeln zu Mindestentgelten bei der Ausführung öffentlicher Aufträge bestehen bleiben und dass Betriebsräte und Mitbestimmung gestärkt werden.“
„Die Arbeitsmarktpolitik der Niedersächsischen Landesregierung orientiert sich am Leitbild der ‚Guten Arbeit‘ und am Grundsatz ‚gleicher Lohn für gleiche Arbeit.‘
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne hat die vorherige rot-grüne Landesregierung schon im Jahr 2017 im Präsidium mit dem Auslaufen des Bewachungsauftrages für den Niedersächsischen Landtag Anfang 2018 beschlossen, die Neuausschreibung für das Bewachungs- und Sicherheitspersonal auf ein Jahr zu begrenzen, damit wir 2019 neue Wege gehen können.
Unser Ziel war, bis März 2019 die haushaltstechnischen und politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bewachungs- und Sicherheitsbereich in den öffentlichen Dienst zu übernehmen. Damit sollte die Befristung von Arbeitsverträgen durch externe Anbieter ein Ende haben und ein wichtiges überfälliges sozialpolitisches Zeichen gesetzt werden.
Doch was, meine Damen und Herren, ist passiert? - Die Frauen und Männer, die das Leineschloss bewachen, die für unsere Sicherheit sorgen, verdienen seit März dieses Jahres deutlich weniger als vorher. Bei der Neuausschreibung kam das wirtschaftlichste Angebot zum Zuge. Mit dem Versprechen, dass ab Frühjahr 2019 die Übernahme des Personals ansteht, haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vorgängerfirma einen neuen befristeten einjährigen Vertrag zu schlechteren Konditionen bei der neuen Firma unterschrieben. Dieses Spiel mit Zeitverträgen spielt ein ganzer Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für unsere Sicherheit zuständig sind, seit zwischen 15 und 18 Jahren.
Der Regierungswechsel hat dazu geführt, dass wir jetzt wieder beim Punkt Null sind; denn die Übernahme des Sicherheitspersonals wurde im Präsidium, nach Rückmeldung aus den Fraktionen der SPD, vor allem aber der CDU und FDP, ad acta gelegt. Die SPD sagte dann zwar gegenüber der Presse, dass sie das Ziel „nach wie vor für wichtig“ halte. Allerdings sei doch noch eine Einigung mit dem Koalitionspartner erforderlich. Und die CDU konnte und wollte nicht sagen, ob sie für oder gegen eine Aufnahme des Sicherheitspersonals in den öffentlichen Dienst ist.
Meine Damen und Herren, hier und heute haben Sie die Chance, klar Position zu beziehen, ob Sie für oder gegen eine Aufnahme des Sicherheitspersonals in den öffentlichen Dienst sind. Hier und heute können Sie deutlich machen, ob Sie zum Leitbild „gute Arbeit“ stehen und ob der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auch im Niedersächsischen Landtag Gültigkeit hat.
Meine Damen und Herren, es geht um Glaubwürdigkeit, es geht um Haltung! Und es geht um ein ganz klares sozialpolitisches Zeichen und damit auch arbeitsmarktpolitisches Zeichen, das hier aus diesem Niedersächsischen Landtag und von uns Landtagsabgeordneten ausgehen sollte. Geben Sie sich einen Ruck! Machen wir doch einmal gemeinsam deutlich, dass die Bewachung des Landtages aus Gründen der Sicherheit und der fairen Beschäftigung zur Aufgabe des öffentlichen Dienstes gehört! Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.
Lassen Sie uns jetzt schnell ein organisatorisches Personalkonzept entwickeln und die notwendigen Haushaltsmittel noch in den Haushalt 2019 einstellen! Noch haben wir die Chance, ein wichtiges sozialpolitisches Zeichen zu setzen und glaubwürdig zu bleiben. Lassen Sie es uns doch nicht so machen wie die GroKo im Bund, die anscheinend das Gespür verloren hat, wie unser Handeln bei den Menschen draußen ankommt. Von „guter Arbeit“ sprechen, sich aber wegzuducken, wenn es darum geht, selber verantwortlich zu handeln und der Fürsorgepflicht für die Menschen, die für unsere Sicherheit sorgen, nachzukommen, das sorgt draußen nur für Kopfschütteln und Unverständnis.
Der Landtag ist dann gut und sicher bewacht, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen und sich mit ihrer Arbeit identifizieren können. Lassen Sie uns nicht nur reden, sondern lassen Sie uns auch wirklich danach handeln: Gute Arbeit auch für die Beschäftigten im Sicherheitsbereich!
Vielen Dank, Frau Janssen-Kucz. - Als nächster Redner hat sich Herr Klaus Wichmann für die AfDFraktion gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Häufig reden wir hier im Landtag über Dinge, ja, wir entscheiden Dinge, die einen überaus großen Einfluss auf das Leben von Menschen haben. Eher selten geschieht das, während diese Menschen hier anwesend sind - und wenn, dann zumeist als Gäste, extra gekommen für diese sie betreffende Debatte.
Heute ist das anders. Heute reden wir über die Menschen, die uns hier Tag für Tag begegnen, an denen wir jeden Tag vorbeigehen, auch gleich wieder, wenn wir diesen Saal verlassen. Es sind die Menschen, die hier für Ordnung und für unsere Sicherheit sorgen. Und auch Sie, wir alle, müssen nach dieser Debatte diesen Menschen in die Augen sehen können.
Während die meisten Beschäftigten hier im Landtag im öffentlichen Dienst sind, so handelt es sich bei diesen Menschen - wir haben es bereits gehört - um Leiharbeiter. Ich muss Ihnen sagen: Als ich von dieser Tatsache zum ersten Mal hörte, war ich davon - ich untertreibe jetzt mal - überrascht.
Und nun hören wir, dass es noch im letzten Jahr unter rot-grüner Regierung das Versprechen gab, diesen Zustand der Leiharbeit zu beenden und die Beschäftigten in den öffentlichen Dienst zu übernehmen. - Das scheint mir sinnvoll zu sein.
Da frage ich die Verantwortlichen an dieser Stelle: Warum ist das unter der neuen Landesregierung nicht bereits so weit besprochen, dass hier Ergebnisse präsentiert werden können? Sie haben über 100 neue Stellen in der Landesregierung geschaffen, die zum Teil hoch dotiert sind. Wie viele davon haben Sie nicht mit Parteifreunden besetzt, sondern mit ehemaligen Leiharbeitern? Lassen Sie mich raten: null.
Das zeigt Ihre Prioritäten. Es reicht dabei nicht, auf eine unentschlossene CDU zu verweisen. Da muss man als SPD auch einfach mal Druck machen. Da muss man als SPD für eine Priorität beim Koalitionspartner sorgen. Oder sind Sie durch den Blick auf Ihre Umfragewerte im Bund bereits so gelähmt, dass Sie sich gar nichts mehr zutrauen? Da haben Sie die stärkste Fraktion im Landtag, und es kommt nichts. Leiharbeit, Niedriglohn - das ist irgendwie nicht Ihr Thema. Warum noch mal heißen Sie „Sozialdemokraten“?
Stellt man das in einen größeren Rahmen, sieht man, dass die Leiharbeit immer mehr zunimmt. Von 2005 bis 2015 haben sich die Zahlen verdoppelt - von ca. 0,5 Millionen auf 1 Million Beschäftigte. Rechnet man von 2002 bis 2011, hat sich die Zahl fast verdreifacht. Möglich gemacht hat das u. a. die Agenda 2010. Wer erinnert sich? - Eingebracht und beschlossen von SPD und Grünen im Bund. Nicht dass es hier noch zu einer Legendenbildung kommt: Die Grünen als leiharbeiterfreundliche Partei!
Liebe Kollegen von den Grünen, Sie versuchen hier, ein Problem anzugehen, für dessen Entstehung Ihre Partei maßgeblich mit verantwortlich ist.
(Beifall bei der AfD - Anja Piel [GRÜ- NE]: Das stimmt nicht! - Christian Grascha [FDP]: Das ist Sache des Landtags, Herr Kollege!)
Vielleicht setzen Sie ja darauf, dass die Menschen draußen das bereits vergessen haben. Glauben Sie mir: Das haben sie nicht.
2017 betrug der mittlere Bruttolohn von Vollzeitleiharbeitern 1 868 Euro monatlich - der von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 3 209 Euro. Das sind Angaben des Bundesarbeitsministeriums.
Die AfD-Fraktion sieht Leiharbeit grundsätzlich kritisch. Meine Damen und Herren, Sie werfen uns ja gerne vor, wir seien rückwärtsgewandt und verträten ein Menschenbild, welches aus den 50erJahren stamme.
Sie vermitteln damit das Bild: Alles, was früher war, war schlecht. Konservativ kann also auch nur schlecht sein. - Meine Damen und Herren, in den 50er-Jahren gab es keine Leiharbeit.
(Beifall bei der AfD - Jens Nacke [CDU]: Eher die 40er-Jahre, Herr Kol- lege! - Gegenruf von Klaus Wichmann [AfD]: Nein, es sind die 50er-Jahre! Bis 1957!)
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann dieses wichtige Thema natürlich mit glühendem Herzen in die eine oder andere Richtung debattieren. Aber ich muss auch sagen: Klarer Verstand ist manchmal auch angesagt, um zumindest das eine oder andere zu beleuchten
Im vorliegenden Antrag der Grünen wird beantragt, das notwendige Sicherheitspersonal in den öffentlichen Dienst zu überführen. Begründet wird das mit sozialen Gesichtspunkten - die ich nachvollziehen kann -, aber auch mit Sicherheitsüberlegungen.
Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Die Damen und Herren, die hier täglich an den Pforten und anderswo für unsere Sicherheit sorgen, werden wertgeschätzt. Sie sind einem auch menschlich nahe. Das gehört auch dazu. Und wir wissen alle, dass die Bezahlung weiß Gott „bescheiden“ ist; sagen wir es einmal so.
Gleichwohl ist die Antragsbegründung nicht überzeugend, liebe Kollegin Meta Janssen-Kucz. Sie weisen in der Einleitung auf die schlechtere Bezahlung des Sicherheitspersonals hin. Was Sie nicht anführen, ist der Grund für diese Verschlechterung seit der letzten Neuausschreibung und Neuvergabe. Der Grund ist das Vergaberecht.
Wir können es einfach nicht, wenn wir uns rechtskonform verhalten wollen. Nach den EU-rechtlichen Bestimmungen ist es nicht zulässig, die Zahlung von tarifvertraglichen Löhnen, auch wenn wir es möchten, zur Voraussetzung für eine Vergabe zu machen.
Dieser Umstand hat dazu geführt, dass eine nicht tarifvertragsgebundene Firma den Zuschlag erhalten hat, weil sie im vergaberechtlichen Sinne das - Sie haben es ja erwähnt - wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
Da gilt - nur zur Klarstellung -: Unter diesen Voraussetzungen wäre eine Vergabe an eine andere Firma, die teurer gewesen wäre, weil sie Tariflöhne zahlt, vergaberechtlich unzulässig gewesen.