Protocol of the Session on September 12, 2018

- Herr Kollege Wichmann, wir haben die Besprechung zum Tagesordnungspunkt 2 a beendet. Sie hätten theoretisch die Möglichkeit gehabt, wenn Sie sich rechtzeitig gemeldet hätten.

Aber jetzt eröffne ich die Besprechung zu

b) Neuer Minister, alte Probleme - wieder ein verlorenes Jahr für die Bildung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/1573

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Försterling. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss dem Kultusminister ein bisschen wie mit Weihnachten gegangen sein: Weihnachten kommt immer so plötzlich, und man stellt fest, dass man noch gar nicht alle Geschenke gekauft hat.

Hier ist es so, dass der Kultusminister plötzlich feststellte, dass das neue Schuljahr schon begonnen hatte, er aber eigentlich noch gar nicht so richtig angefangen hatte, etwas zu machen, um die Unterrichtsversorgung zu verbessern oder die Zahl der Abordnungen zu verringern.

So wird es auch in der niedersächsischen Bildungslandschaft wahrgenommen. Ich zitiere einmal Torsten Neumann, den Vorsitzenden des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte, aus seiner Stellungnahme vom Montag zum Forum „Eigenverantwortliche Schule“ des Kultusministeriums. Dort schreibt er:

„Die heutige Sitzung hat deutlich gemacht, dass das Kultusministerium zwar einen sechsseitigen Maßnahmenkatalog zur Stabilisierung und Verbesserung der Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen pressewirksam vorgelegt hat, aber inhaltlich noch wenig Konkretes zur spürbaren Verbesserung der aktuellen Unterrichtsversorgung … bekannt gegeben hat. … Es handelt sich bei den vorgestellten Maßnahmen vorwiegend um reine Ankündigungen, Ergebnisse sind allerdings nicht so schnell zu erwarten. … alles hehre Ziele, die schon längst hätten angepackt sein müssen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so wird es wahrgenommen.

Die Situation zu Anfang des neuen Schuljahres ist gegenüber der Situation zu Anfang des letzten Schuljahres eigentlich unverändert. Sie ist nach wie vor dramatisch. Durch den Ministerwechsel hat sich keine Verbesserung in der niedersächsischen Schullandschaft ergeben, durch den Eintritt der CDU in die Landesregierung ebenso wenig.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Man muss schon die Frage stellen: Was ist eigentlich in den letzten zehn Monaten passiert? - Ja, man hat eine Maßnahme vollzogen: Man hat die vorschulische Sprachförderung von den Grundschulen in die Kindertagesstätten verlagert - zulasten der Kinder -, ohne die Kindertagesstätten darauf vorzubereiten. Der Grund war, dass man die 14 000 Unterrichtsstunden in den Grundschulen dringend benötigt hat. 14 000 Unterrichtsstunden entsprechen 1 % Unterrichtsversorgung.

Der Minister hat in seiner Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn erklärt, man habe die Unter

richtsversorgung in diesem Schuljahr wahrscheinlich um 0,2 Prozentpunkte verbessern können. Im Umkehrschluss bedeutet das nichts anderes, als dass man, wenn man die vorschulische Sprachförderung nicht verlagert hätte, ein weiteres Fehl von über 10 000 Stunden pro Woche in Niedersachsen aufgebaut hätte. Das ist der einzige Grund, warum Sie damals kurz vor den Sommerferien die vorschulische Sprachförderung verlagert haben. Es ging Ihnen nicht um die Kinder; es ging Ihnen um die Statistik zur Unterrichtsversorgung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn Sie in den Schulen unterwegs sind, werden Sie erfahren: Auch bei den Abordnungen hat sich die Situation keineswegs verbessert. Uns wird ja immer nur die Zahl der schulformübergreifenden Abordnungen präsentiert - weil man dort eine Reduzierung erreichen konnte. Dabei vergisst man aber zu erwähnen, dass die Zahl der schulformgleichen Abordnungen gestiegen ist und die Zahl der Abordnungen insgesamt alles andere als signifikant gesunken ist. Auch in Bezug auf diese Ankündigung ist der Kultusminister bereits zum jetzigen Zeitpunkt, nach zehn Monaten Amtszeit, gescheitert, meine Damen und Herren.

Wir haben immer noch kein Konzept für den Quereinstieg in Niedersachsen. Wir haben immer noch keine Entscheidung aus dem Kultusministerium zur Veränderung der Arbeitszeitverordnung - obwohl es dazu Urteile gibt, obwohl Klageverfahren anhängig sind, obwohl Lehrkräfte das von ihrem Dienstherrn einfordern und obwohl es eigentlich beide Regierungsparteien im Wahlkampf versprochen hatten.

Wir haben immer noch keine Antwort auf die Frage gehört, wie man eigentlich mit der Situation umgehen will, dass neun von zehn Lehrkräften in Frühpension gehen. Wenn wir es schaffen würden, diese Lehrkräfte länger im System zu halten, dann wäre die Unterrichtsversorgung deutlich besser.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Es gibt vonseiten der Regierungskoalition keine Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrergesundheit. Es gibt immer noch keine nachhaltige Personalprognose. Es gibt immer noch keine Abstimmung mit dem MWK, um die Studienkapazitäten dem tatsächlichen Bedarf an Lehrkräften anzupas

sen. Auch hier ist in den letzten zehn Monaten nichts passiert.

Es gibt immer noch keine Antwort auf die drängenden Fragen mit Blick auf die Altersermäßigung für Lehrkräfte über 55, die von den Lehrkräften dringend eingefordert wird und deren Rückkehr insbesondere die CDU im Landtagswahlkampf noch versprochen hatte.

Und alle warten immer noch gespannt auf den schon vor zehn Monaten angekündigten Stufenplan zur Besoldungserhöhung für die Grund-, Haupt- und Realschullehrkräfte!

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Oh ja!)

Im Haushaltsplanentwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist von einem Stufenplan nichts zu lesen. Dort sind keine Besoldungserhöhungen vorgesehen. Deshalb muss man schon die Frage stellen: Warum wundern Sie sich eigentlich, dass es Ihnen nicht gelingt, so viele Lehrkräfte nach Niedersachsen zu holen, dass sie auch nur im Ansatz eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung erreichen? - Weil Sie alle diese Maßnahmen liegen lassen!

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Glo- cke der Präsidentin)

Und wenn Sie jetzt wieder ein, zwei Monate warten, dann werden Sie feststellen, dass sich die jungen Menschen zum Einstellungstermin 1. Februar wieder gegen das Bundesland Niedersachsen entscheiden - weil Sie die Situation einfach nicht anpacken, weil Sie das einfach liegen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Stattdessen kriegen wir eine Einladung zu der Auftaktveranstaltung des Projekts „Bildung 2040“. Darin heißt es:

Mit der Auftaktveranstaltung in Hannover möchten wir Sie einstimmen auf eine Reihe von interessanten Veranstaltungen und Beteiligungsformaten, die das Projekt „Bildung 2040“ bis zum Frühjahr 2022 für Sie bereithalten wird.

Da tritt dann der Kollege Brodowy auf -

Herr Kollege, Sie müssen langsam zum Schluss kommen!

- da spielt eine Bigband, aber die Frage ist doch: Wann beschäftigen Sie sich eigentlich mit der ak

tuellen Situation in den Schulen in Niedersachsen? Wann wollen Sie die aktuelle Situation in den Schulen in Niedersachsen verbessern, meine sehr geehrten Damen und Herren? - Es ist schön und gut, dass Sie über Bildung 2040 reden wollen, aber lösen Sie doch erst einmal die Probleme im Hier und Jetzt! Dafür sind Sie gewählt worden, nicht für das Jahr 2040.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Försterling. - Nun hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Politze das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Kollegen Försterling kann man zumindest eines feststellen: Die stärkere Gewichtung des Fachs „Darstellendes Spiel und Kunst“ im Lehrplan hat schon Wirkung gezeigt.

(Beifall bei der SPD)

Aber gute Noten werden nicht dadurch erzielt, dass man eine Performance abliefert, sondern indem man lösungsorientiert arbeitet, Probleme erkennt und Vorschläge dafür hat. Aber auch diesbezüglich Fehlanzeige in dem, was Sie gerade vorgetragen haben, Herr Försterling!

(Christian Grascha [FDP]: Sie machen beides nicht!)

Wir arbeiten lieber sach- und lösungsorientiert und vor allen Dingen mit einem bildungspolitischen Gesamtkonzept. Sie hingegen haben in den letzten fünf Jahren, aber insbesondere im letzten Jahr zur Schau getragen, dass Ihnen dieses bildungspolitische Gesamtkonzept fehlt. Sie verengen Ihren Bildungsbegriff auf die Unterrichtsversorgung. Darüber reicht er bei Ihnen nicht hinaus.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Es ist halt auch Grundversorgung, dass der Unterricht überhaupt stattfindet!)

Sie beschäftigen sich auch nicht mit der Ursache - die Sie, wie ich Ihnen noch einmal sagen will, in Ihrer Zeit der Regierungsbeteiligung mit gelegt haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Jetzt geht das wieder los! Sie regieren seit sechs Jahren!)

Sie als FDP waren an der Halbierung der Studienkapazitäten für Förderschullehrkräfte, an der Zerschlagung von Studienstandorten und an Ähnlichem mit beteiligt. Dass Sie jetzt genau das rügen, finde ich schon sehr gewagt. Sie wissen doch, nach welchem Zeitraum die Lehrkräfte wieder im System ankommen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Björn Försterling [FDP])

Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation von Jahr zu Jahr immer weiter verbessert hat, dass wir einen Höchststand an Lehrern im System haben, obwohl wir die Spitze des Schülerbergs erreicht haben und dieser wieder abschmilzt.

(Christian Grascha [FDP]: Können Sie uns einmal sagen, wie lange so ein Masterstudiengang läuft?)

Ihnen geht es nur um pure Statistik, aber nicht um die Inhalte, die sich in dieser Statistik wiederfinden und die sich verändert haben.

(Björn Försterling [FDP]: Erzählen Sie das einmal den Eltern, deren Kinder früher nach Hause kommen, weil schon wieder Unterricht ausfällt!)

Inklusion, Sprache, Ganztag und Ähnliches gehören dazu, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Deswegen ist es ein wenig schwieriger, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Ich sehe Ihnen nach, dass Sie das nicht durchdrungen haben.

Herr Försterling, Sie haben nun gefragt, was in den letzten zehn Monaten passiert ist. Darauf können wir Ihnen eine Antwort geben, weil Bildung doch ein etwas weiter gefasster Begriff ist:

Anhebung der Besoldung der Schulleitungen kleiner Schulen. - Das ist auf den Weg gebracht, das ist erledigt.