Danke, Herr Kollege Ahrends. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Schünemann. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niedersachsen ist nach wie vor ein sicheres Land.
Herr Onay, Sie haben recht in diesem Punkt. Das ist vor allem ein Verdienst der hoch motivierten und gut ausgestatteten Polizistinnen und Polizis
Aber für ein selbstgefälliges „alles ist gut!“ ist überhaupt kein Anlass. Herr Watermann, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Schilderungen; denn Sicherheit ist ein fragiles Gut. Es zu wahren, setzt voraus, dass wir hier im Parlament die Hausaufgaben machen.
Es ist wahr: Wir haben weniger Straftaten zu verzeichnen. Das ist ein gutes Signal. Aber die Sicherheitslage und die Kriminalitätsphänomene haben sich völlig gewandelt. Der islamistische Extremismus ist nicht nur in Niedersachsen angekommen, er ist hier heimisch. Meine Damen und Herren, der erste ideologisch und islamistisch motivierte Anschlag auf deutschem Boden gegen einen Deutschen ist nicht irgendwo, sondern hier in der Landeshauptstadt nur wenige 100 m von hier entfernt im Hauptbahnhof in Hannover verübt worden.
Leider ist Niedersachsen zu einem Hotspot auch der salafistischen Szene geworden. Wir haben es erst vor wenigen Monaten noch einmal vor Augen geführt bekommen; denn in Wolfsburg, in Braunschweig, aber auch in Hildesheim hat sich eine Szene entwickelt. Hier hat man ganz bewusst auch potenzielle Attentäter radikalisiert, damit sie ihr Leid über die Menschen verbreiten können. Auch Anis Amri, der Attentäter auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, hat seine völlig menschenverachtenden Ansichten hier in Niedersachsen verfestigt. Elf Tote sind dabei zu beklagen.
Meine Damen und Herren, aber es sind nicht nur die islamistischen Gefährder, sondern die Kriminalität ist zunehmend internationaler geworden. Organisierte Kriminalität ist nur ein Stichwort in diesem Zusammenhang. Ein weiteres Beispiel ist natürlich, dass wir heute einen Fortschritt im Bereich der digitalen Welt haben. Dadurch gibt es aber eine Bedrohung, die wir uns vor 10 oder 15 Jahren gar nicht haben vorstellen können. Cyberkriminalität ist nur ein Beispiel.
Wenn wir uns alle diese Entwicklungen anschauen, die wir wirklich als bedrohlich ansehen, dann ist klar, dass ein Zurücklehnen der Politik völlig falsch ist. Deshalb, meine Damen und Herren, ist doch das Gebot der Stunde, dass wir darauf reagieren und dass wir der Polizei den rechtlichen
Rahmen geben, damit sie die Bürgerinnen und Bürger exakt vor diesen Straftaten, vor diesen neuen Herausforderungen tatsächlich schützt. Das ist doch unsere Aufgabe.
Sie werden mir zugestehen, dass ich darauf hinweise, dass das SOG im Jahre 2003 durchaus ein modernes und umfassendes Polizeigesetz gewesen ist. Es ist aber sozusagen in die Zeit gekommen. Die Gründe dafür, dass wir reagieren müssen, habe ich Ihnen eben dargelegt.
Meine Damen und Herren, andere Länder haben längst reagiert. Auch der Bund hat gehandelt. Das BKA-Gesetz ist ein Meilenstein, gerade auch in diesem Bereich.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Schünemann - - -
Herr Schünemann, vor dem Hintergrund, dass Sie ausgeführt haben, dass sich in Niedersachsen der Extremismus und Terrorismus etabliert haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie die alte rot-grüne Landesregierung mit Herrn Minister Pistorius in der Verantwortung für diese Entwicklung sehen, und teilen Sie die Auffassung, die Ihre Kollegen noch in der letzten Legislaturperiode hatten, dass die bestehenden Instrumentarien zur Verhinderung des Attentats in Hannover ausgereicht hätten?
Lieber Herr Dr. Birkner, es ist wahr: Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Maßnahmen, die notwendig sind, um tatsächlich alle diese Bedrohun
gen, die ich gerade dargestellt habe, wirksam im Vorfeld zu bekämpfen. Ich habe gerade versucht, Ihnen das darzulegen. Andere Länder haben diesbezüglich schon ihre Gesetze angepasst. Gerade Quellen-TKÜ und natürlich Onlinedurchsuchungen sind schlichtweg notwendig, um in diesem Zusammenhang rechtzeitig an Informationen zu kommen. Das ist hier nicht umgesetzt worden.
Herr Onay hat gerade dargestellt, was vor etwa zwei, drei Jahren hier vorgestellt worden ist. Nicht nur, dass diese Befugnisse nicht in dem Gesetzentwurf von Rot-Grün gewesen sind, sondern es wurden sogar noch einige Regelungen aufgenommen, die der Polizei bürokratische Hemmnisse aufgedrückt haben, wie z. B. die Kennzeichnungspflicht und anderes.
Meine Damen und Herren, gerade nach den Worten von Herrn Watermann ist doch deutlich geworden, wer genau der Treiber für solche Überlegungen, für ein solches Misstrauen gegenüber Polizisten gewesen ist: Das war diese Seite des Hauses, das waren nämlich die Grünen, meine Damen und Herren.
Deshalb, Herr Dr. Birkner, ist es gut, dass Bündnis 90/Die Grünen nicht mehr in der Regierungsverantwortung ist.
Aber, Frau Piel, auch wir waren in der Opposition, und man kann sich ja durchaus auch erneuern. Deshalb nur einen einzigen Tipp in diesem Zusammenhang: Mehr Baden-Württemberg wagen! - Dann sind Sie auch wieder Gesprächspartner für die Regierungsbildung in der Zukunft.
Aber, meine Damen und Herren, das ist Geschichte, und einige würden auch sagen: Das ist gut so. - Lassen Sie uns nach vorne schauen! Deshalb haben wir in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD darauf gedrungen, dass im Koalitionsvertrag Folgendes festgeschrieben worden ist: Zukünftig sollen endlich alle rechtsstaatlich gebotenen Mittel genutzt werden, um konsequent gegen jede Form von Gewalt, Kriminalität und Terrorismus vorzugehen. So steht es in der Koalitionsvereinbarung.
Das ist mittlerweile unsere gemeinsame Richtschnur für den Erhalt der inneren Sicherheit hier in Niedersachsen. Das ist eine gute Grundlage.
Ich bin froh, dass in dieser Koalitionsvereinbarung auch steht, dass wir nicht nur den Gesetzentwurf in diesem Jahr einbringen, sondern dass er auch verabschiedet wird.
Herr Kollege Birkner, hätten Sie vor vier Wochen, als Sie den Antrag zur Aktuellen Stunde eingebracht haben, geglaubt, dass wir heute diesen Gesetzentwurf einbringen?
- Sehen Sie! Auch im Hinblick auf die Debatte vorhin sage ich: Manchmal sind Aktuelle Stunden durchaus sehr sinnvoll, und ich bin sehr froh, dass wir heute genau diesen Gesetzentwurf auf den Weg bringen können. Es ist wichtig, dass wir es endlich erreichen, dass wir im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus mehr Instrumente bekommen.
Meine Damen und Herren, es ist schon angesprochen worden: Natürlich Quellen-TKÜ, natürlich Onlinedurchsuchung, weil es notwendig ist. Die Wohnraumüberwachung muss natürlich rechtssicher eingebracht werden. Aber es muss beim Kampf gegen den islamistischen Terrorismus auch abgestufte Möglichkeiten geben. Deshalb: Kontaktverbote, Aufgabengebote. Auch die elektronische Fußfessel ist in diesem Zusammenhang geregelt. Auch die Präventivhaft - mit 74 Tagen - ist neu in das Gesetz aufgenommen worden.
Weil hier immer wieder dargestellt wird, dass das nicht verfassungskonform ist, darf ich Sie darauf hinweisen, dass im Jahr 2016, Herr Onay, das Bundesverfassungsgericht die Präventivhaft grundsätzlich als verfassungskonform beurteilt hat. Ich darf Ihnen sagen, warum das Bundesverfassungsgericht in Abwägung zu dieser Auffassung gelangt ist: Die Schwere der Straftaten, das Leid, das durch diese Straftaten ausgelöst wird, rechtfertigt diese Befugnis und diese Möglichkeit. Deshalb ist es richtig, dass wir diese Präventivhaft mit 74 Tagen rechtssicher in das Gesetz aufnehmen. Damit können wir auch im Vorfeld einer schwierigen Situation Straftaten verhindern. Deshalb haben wir das so aufgenommen.
Meine Damen und Herren, natürlich haben wir dort einen dreifachen Richtervorbehalt. Damit ist die dritte Gewalt, die Justiz, bei der Kontrolle all dieser Schritte immer eingebunden. Das ist richtig, und deshalb ist es auch verfassungskonform.
Meine Damen und Herren, ich habe schon darauf hingewiesen: Die Kriminalität ist internationaler geworden. Das gilt insbesondere auch für die organisierte Kriminalität. Dabei geht es nicht nur um Eigentumsdelikte, sondern auch um Mord, um Totschlag, um Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung, um Menschenraub und auch um Geiselnahmen. Deshalb gebe ich offen zu: Vor dem Hintergrund der Schwere dieser Straftaten bedauere ich, dass wir der Polizei nicht mehr präventive Befugnisse an die Hand geben, um auch hier reagieren zu können.
Ich bin dem Koalitionspartner sehr dankbar, dass wir uns nach harten Verhandlungen geeinigt haben. Jetzt gibt es einen neuen Begriff, nämlich die „schwere organisierte Gewaltstraftat“. Diese haben wir definiert. Damit haben wir die Möglichkeit, der Polizei auch jetzt schon mehr Befugnisse zu geben.
Die elektronische Fußfessel ist aus unserer Sicht ein Anfang. Wir haben extra Wert darauf gelegt, Experten anzuhören. Wenn wir von denjenigen, die tagtäglich damit betraut sind, Hinweise bekommen, dass es zusätzliche Befugnisse geben sollte, werden wir uns mit Nachdruck dafür einsetzen.
Meine Damen und Herren, wer gegen Meldeauflagen, Aufenthaltsüberwachung, Kontaktverbote oder elektronische Aufenthaltsüberwachungen verstößt - gerade bei terroristischen Straftaten, aber auch bei häuslicher Gewalt -, macht sich zukünftig strafbar. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das wäre unter Bündnis 90/Die Grünen sicherlich undenkbar gewesen.
Aber auch die Videoüberwachung ist ein wichtiges Instrument zur Gefahrenabwehr, meine Damen und Herren. Dies stärkt auch - das darf man nicht gering schätzen - das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb haben wir in einem ersten Schritt wichtige zusätzliche Befugnisse in den Gesetzentwurf aufgenommen. Zukünftig können Plätze unmittelbar vor einem Einkaufszentrum leichter videoüberwacht werden. Das gilt auch für Ladenlokale. Der Bahnhofsvorplatz - das ist uns geschildert worden - ist ein Beispiel dafür.
Die offene Videoüberwachung wird aber auch zur Abwehr von Gefahren gegen Leib und Leben zukünftig ermöglicht. Die Loveparade in Duisburg hat sicherlich einige Kritiker zum Umdenken in diesem Zusammenhang veranlasst.
Meine Damen und Herren, mit dem neuen Polizeigesetz setzen wir ein zentrales Projekt dieser Koalition zügig, rechtssicher, aber auch konsequent um. Aber wir wissen alle, dass ein Gesetz für die innere Sicherheit nicht alles ist. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag mehr vereinbart, nämlich dass wir eine bessere personelle und materielle Ausstattung vorsehen. In diesem Zusammenhang haben wir bereits die ersten Schritte im Nachtrag gemacht. Das gilt genauso auch für die Justiz.