Vielen Dank, Herr Kollege. Da es zu Beginn Probleme mit der Technik gab, hatten Sie jetzt real anderthalb Minuten mehr Redezeit. Ihre Uhr ging nicht richtig. Wir werden bei den anderen Kollegen auch nicht so genau hinsehen. Das haben wir bisher auch so gemacht. Das wird sich ausgleichen. Sie können ja nichts dafür, wenn Ihre Anzeige nicht stimmt.
Jetzt kommt zur Antragseinbringung für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Onay. Bitte sehr!
Vielen Dank. - Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei solchen Beratungen kommt das Menschliche ja immer ein bisschen zu kurz. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auf die Geschichte hinter der Geschichte dieses Gesetzes hinzuweisen.
2013 wurde die damalige schwarz-gelbe Landesregierung wegen einer wirklich gruseligen Innenpolitik abgewählt.
Rot-Grün hat damals zusammen mit Boris Pistorius den Paradigmenwechsel in der Innenpolitik, in der Flüchtlingspolitik und in der Sicherheitspolitik eingeleitet.
Doch heute, 2018, ist die Welt eine völlig andere. Heute diktiert Uwe Schünemann dem Innenminister den Zeitplan und den Inhalt des Gesetzes und verkündet das an alter Wirkungsstätte im Innenministerium. Das ist zwar politisch schlecht für Niedersachsen, aber menschlich haben Sie meine Anerkennung. Das muss man nach fünf Jahren erst einmal hinbekommen, Herr Uwe Schünemann!
Die SPD und der Innenminister wirken bestenfalls als Getriebene. Man merkt ja immer an der Körpersprache: Die Sympathiepunkte sind nicht besonders hoch, aber man kommt auch nicht so richtig dagegen an.
Der Gesetzentwurf, den Herr Becker gerade als „ausgewogen“ bezeichnet hat, verwundert auch deshalb wegen der harten Inhalte, weil die SPD sich und ihren Innenminister Boris Pistorius hier vor einigen Monaten noch abgefeiert hat,
Auch der Innenminister auf Bundesebene, der Heimatminister Horst Seehofer, hat diese Woche noch einmal bestätigt: Deutschland ist so sicher wie seit 25 Jahren nicht mehr. Und trotzdem haben wir diesen Gesetzentwurf, der sich in einen bundesweiten Wettkampf darum einreiht, wer die Bürgerrechte am schnellsten und am weitesten runterschraubt. Leider ist Niedersachsen dort gut im Rennen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen auf der Straße, die Bürgerinnen und Bürger, möchten das nicht.
Das wollten sie 2013 schon nicht, deshalb gab es die Abwahl. Sie möchten es nicht und gehen beispielsweise in Bayern, in München, zu Tausenden auf die Straße und protestieren gegen diese Einschnitte bei den Bürgerrechten. Es gibt eine breite Sensibilisierung in der Bevölkerung, und es wird auch hier in Niedersachsen Widerstand geben, z. B. gegen die angesprochene Präventivhaft von insgesamt 74 Tagen.
Diese Präventivhaft erfordert hohe Kriterien, weil sie ein unglaublich starker Eingriff in die Grundrechte ist.
Darum ist sie in fast allen Bundesländern auch sehr restriktiv ausgestaltet. Schon allein deswegen ist der plötzliche Sprung auf 74 Tage ist unverhältnismäßig.
Besonders gewundert habe ich mich da über die Ausführungen unserer Justizministerin, die versucht hat, das Ganze als „beschützte Freiheit“ zu
Selbstverständlich ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Staates, Bürgerinnen und Bürger vor Gewalt und Terror zu schützen. Aber Menschen, die noch nichts verbrochen haben, das wahrscheinlich auch nicht tun werden und inhaftiert werden, sind in diesem Fall auch Opfer. Auch das gehört dazu, das muss sich die Justizministerin hinter die Ohren schreiben.
Hinsichtlich der Länge ist ein Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hilfreich. Hiernach muss ein Unterbindungsgewahrsam sehr eingegrenzt sein. Er muss spezifisch und konkret sein, und Ort und Zeitpunkt der bevorstehenden Begehung der Straftat sowie ein potenzielles Opfer müssen hinreichend konkretisiert sein. Allein daraus wird ein Szenario, das 74 Tage rechtfertigt, sehr schwierig zu konstruieren sein.
Herr Kollege Becker, Sie werden sich erinnern: Ich hatte den Innenminister, als er sich damals im Innenausschuss vorgestellt hatte, gefragt, wie es zu den 74 Tagen gekommen ist. Darauf hat er gesagt: 18 Monate war die Forderung der CDU, 14 Tage war die Forderung der SPD, und herausgekommen sind dann 74 Tage. - Das ist an Willkür kaum noch zu überbieten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Auch in der Begründung des Gesetzentwurfes beziehen Sie sich im Grunde nur auf aufenthaltsrechtliche Regelungen und Forderungen, also nur auf Gefährder, die beispielsweise abgeschoben werden können, wie im Fall Göttingen.
Aber was ist mit denen, die nicht abgeschoben werden können? Was geschieht mit diesen Personen? Und vor allem: Was geschieht nach den 74 Tagen, wenn sich die Gefahr, von der Sie ja ausgehen, nicht auflöst, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Selbst der Richtervorbehalt stellt noch keine Verhältnismäßigkeit dar, lieber Karsten Becker. Denn welcher Richter soll denn, bitte, bei diesen vagen materialrechtlichen Vorgaben, bei dieser Terror
angst, die in der Gesellschaft herrscht, und bei einer Justizministerin, die das auch noch als „beschützte Freiheit“ verniedlicht, einen solchen Haftantrag ablehnen? Und welcher Richter soll einen solchen Haftantrag, dem schon einmal stattgegeben wurde, nicht verlängern, meine sehr geehrten Damen und Herren? Ich glaube, es wird auch für die Richterschaft sehr, sehr schwierig werden, da dagegenzuhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiteres Novum: Wir kriegen den Staatstrojaner. Herzlichen Glückwunsch, Niedersachsen! Damit haben wir die Quellen-TKÜ und einen massiven Eingriff in die Grundrechte. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht ja noch einmal bestätigt. Ich erinnere an das Urteil zum sogenannten Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Dieses Recht wird hier massiv beschädigt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sie brauchen ein Einfallstor in die Systeme, in den Computer, in das Smartphone, um staatliches Hacken zu ermöglichen. Diese Lücke wird aber nicht nur sozusagen bei Bösewichten und Straftätern zum Tragen kommen, sondern bei allen Nutzerinnen und Nutzern - auch bei dir, Sebastian Lechner! Deshalb kann ich deine Sorge auch verstehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben versucht, in unserem Antrag einige rechtsstaatliche Gegengewichte aufzubauen. Wir fordern beispielsweise die Kennzeichnungspflicht für die Polizei. Sie stärkt den Rechtsschutz und die rechtsstaatliche Kontrolle. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist hier an unserer Seite. Er hat bekräftigt, dass, soweit die zuständigen nationalen Behörden maskierte Polizeikräfte einsetzen, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten oder Verhaftungen durchzuführen, diesen Kräften vorgeschrieben sein sollte, sichtbare Unterscheidungsmerkmale, wie etwa eine Identifikationsnummer, zu tragen. Ansonsten drohe laut Ge
Ich komme zu einem letzten Punkt. Wir fordern auch die Weiterentwicklung der Beschwerdestelle für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und zusätzlich die Einführung einer Polizeibeauftragten.
Was haben wir in der letzten Legislaturperiode nicht an Diskussionen darüber geführt! Was ist da nicht an Vorwürfen vonseiten der CDU gekommen! Es war von einer „Misstrauensstelle“ die Rede. Es hieß, wir hätten ein gestörtes Verhältnis zu Polizei.
Dann schaue ich in den Koalitionsvertrag, und dort steht allen Ernstes, dass die Beschwerdestelle für die Polizei ausgeweitet, weiterentwickelt werden soll, und zwar für die gesamte Landesverwaltung.