Protocol of the Session on April 20, 2018

Zur Abschaffung des Landeserziehungsgeldes in Thüringen führte u. a. ein Gutachten des Thüringer Landesrechnungshofes. Im Kern kam der Landesrechnungshof zu dem Urteil, dass die Ziele des Landeserziehungsgeldes familienbezogen, finanzbezogen und gesundheitsbezogen im Allgemeinen verfehlt wurden.

Das Land Thüringen hat daraus die richtigen Konsequenzen gezogen. Und wir wollen jetzt eine solche überholte Leistung wieder einführen?

(Uwe Santjer [SPD]: Eben nicht!)

Die Kollegen und Kolleginnen der AfD-Fraktion sprechen von „Wahlfreiheit schaffen“. Ich frage mich, wie Sie darauf kommen, Wahlfreiheit schaffen zu müssen. Auch bisher ist es Erziehungsberechtigten freigestellt, ob sie ihre Kinder in eine frühkindliche Bildungseinrichtung geben oder sie zu Hause betreuen.

Wahlfreiheit bedeutet für die Erziehungsberechtigten, dass wir ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung stellen. Wahlfreiheit bedeutet auch, dass wir die Qualität der Kindertagesstätten garantieren und weiterentwickeln, so wie wir es z. B. durch die Einführung einer dritten Betreuungskraft im Krippenbereich getan haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Wahlfreiheit bedeutet nicht, dass wir die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel mit einer Art Belohnungssystem Erziehungsberechtigten geben, damit diese ihre Kinder zu Hause betreuen können.

In der letzten Wahlperiode sind in Niedersachsen insgesamt 16 081 Betreuungsplätze für unter Dreijährige in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege mit rund 127 Millionen Euro an Bundes- und 31 Millionen Euro an Landesmitteln gefördert worden. - Das bedeutet für uns, Wahlfreiheit zu schaffen. Diesen Weg werden wir konsequent weiter beschreiten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Warum ist es so wichtig, den weiteren Ausbau im Kindertagesstättenbereich für unter Dreijährige und in den Ausbau einer frühkindlichen Bildung voranzutreiben?

Zu diesem Thema stand in der Hannoverschen Allgemeinen vom 16. April auf der Titelseite ein Artikel mit der Überschrift „Fast jeder dritte Erstklässler kann nicht richtig sprechen“. Dieser Artikel bezieht sich auf das Ergebnis der Schuleingangsuntersuchungen der Regionsverwaltung in den vergangenen drei Jahren. Besonders auffällig ist, dass es hierbei erhebliche Unterschiede in Bezug auf die sprachliche Kompetenz der Kinder gibt, die ganz offensichtlich vom Einkommen der Eltern abhängen. In den Kommunen, in denen besonders viele arme Kinder wohnen, besuchen besonders wenige Kinder mindestens drei Jahre eine Kindertagesstätte. Des Weiteren wird ausgeführt, dass es im Rahmen eines sozialpädiatrischen KitaKonzeptes der Region Hannover mit 34 sogenannten Brennpunkt-Kitas ein zentrales Ergebnis gab. Bereits im Alter von drei bis vier Jahren haben rund 31 % der Kinder mit erheblichen Sprachdefiziten zu kämpfen.

Die Frage, die uns beschäftigen sollte, ist also nicht: Wie können Familien dafür belohnt werden, dass sie ihre Kinder nicht in eine frühkindliche Bildungseinrichtung geben?

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Unsere Aufgabe muss es sein, eine Antwort auf die Frage zu finden: Wie erreichen wir, dass möglichst viele sozial und finanziell benachteiligte Kinder möglichst frühzeitig in Bildungseinrichtungen kommen? Gerade für diese Kinder bedeutet der Besuch einer Kita über viele Jahre hinweg eine echte Chance, vorhandene Defizite auszugleichen und Bildungschancen zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: So ist das!)

Hierbei schließe ich insbesondere die Kinder mit Zuwanderungsgeschichte ein. Je früher wir es diesen Kindern ermöglichen, unsere Sprache zu lernen, desto größer sind ihre Chancen. Aber gerade für diese Familien, für einkommensschwache Familien, kann ein Landeserziehungsgeld in Höhe von 500 Euro monatlich ein großer Anreiz sein, die Kinder zu Hause zu behalten. Das wollen wir verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Eine Anmerkung habe ich noch zu diesem Antrag. Die Kolleginnen und die Kollegen der AfD-Fraktion behaupten ja mehrfach, dass wir ihre Anträge nicht richtig lesen und dass wir ihnen nicht richtig zuhören. Ich habe mir diesen Antrag sehr genau durchgelesen. Die Punkte 2 und 3 haben mich ziemlich stutzig gemacht.

Wen wollen Sie mit den Einschränkungen, dass die Kinder ihren Hauptwohnsitz mindestens zwölf Monate vor Leistungsbeginn in Niedersachsen haben müssen und an den Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben mussten oder müssen, eigentlich ausgrenzen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meinen Sie damit die Familien, die neu nach Niedersachsen gezogen sind, weil sie hier einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben? Oder wollen Sie etwa verhindern, dass Familien mit Migrationshintergrund, die oder deren Kinder noch nicht so lange bei uns in Niedersachsen wohnen, von Ihrer Herdprämie profitieren können?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Kollegin Liebelt. - Das Präsidium gratuliert Ihnen sehr herzlich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Haus.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention auf diesen Beitrag hat sich Herr Bothe für die AfD-Fraktion gemeldet.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Jetzt erklären Sie, warum Sie nicht aus- grenzen, obwohl Sie ausgrenzen!)

Wir grenzen hier niemanden aus.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, Frau Kollegin, dass Sie hier mit Ihrer Argumentation finanzschwächere Eltern generell in die Ecke stellen, dass sie sich nicht ordentlich um ihre Kinder kümmern. Das ist eine absolute Frechheit!

(Beifall bei der AfD - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das ist wirklich eine Diskriminierung von Personengruppen! - Ja, liebe Kollegen der SPD, soziale Gerechtigkeit war früher einmal Ihr Thema.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD - Zu- rufe von Wiard Siebels [SPD])

Herr Siebels, bitte lassen Sie den Redner ausreden!

Heute sind wir es, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben.

(Zurufe von der SPD)

Gute Nacht, liebe Genossen!

(Beifall bei der AfD - Wiard Siebels [SPD]: Ihr und Gerechtigkeit!)

Ich bin nicht sicher, dass alle die Kurzintervention überhaupt hören konnten.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Mehr, als wir wollten!)

Ich bitte darum, dass es jetzt etwas ruhiger wird.

Frau Liebelt möchte antworten.

Herr Bothe, ich finde das ganz spannend. Dieses Mal haben Sie nicht zugehört.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Ich habe in meiner Rede speziell darauf hingewiesen, dass es mittlerweile genügend Untersuchungen gibt - u. a. durch die Region Hannover -, dass gerade die Kinder aus finanzschwachen Familien häufig große Sprachdefizite haben. Ich möchte hier niemanden diskriminieren. Ich möchte nur, dass alle Kinder gleiche Startchancen haben. Und das bedeutet für die Kinder frühkindliche Bildung dort, wo die Eltern es nicht schaffen.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke sehr, Kollegin Liebelt. - Wir kommen jetzt zu dem Beitrag der CDU-Fraktion, Frau Laura Rebuschat.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bothe, Familien stehen für die Union - völlig klar - im Mittelpunkt der Politik.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir über Familien sprechen, sind zwei Punkte ganz entscheidend: Erstens: Jede Familie ist völlig anders. Und zweitens - das kann ich gar nicht stark genug betonen, auch nach dem, was hier eben schon gesagt wurde -: Das Prä der Erziehung gilt unangefochten den Eltern.

(Beifall bei der CDU)