Protocol of the Session on April 13, 2016

Nun möchte die FDP, so der Antrag, dass die Grenzwerte der GIRL, also der Geruchsimmissions-Richtlinie, für den Bau von Unterbringungsmöglichkeiten temporär erhöht werden bzw. die GIRL ausgesetzt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anhörung und die Unterrichtung zu diesem Antrag haben Folgendes deutlich gemacht: Ja, die GIRL hemmt augenscheinlich in einigen, vor allem in ländlichen Regionen den Umbau oder die Entwicklung unserer Orte.

(Zuruf von der FDP)

- Nur die Ruhe!

Wir haben aber auch durch die Unterrichtung und durch die Anhörung Folgendes feststellen müssen:

Aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ergibt sich der Anspruch auf Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen für die Gesundheit unserer Bewohnerinnen und unserer Bewohner. Die Bundesländer haben ein Expertengremium, den Länderausschuss für Immissionsschutz, beauftragt, dazu ein Regelwerk zu erarbeiten. Das Regelwerk - abgekürzt GIRL - ist daraus entstanden. Sie wurde 2009 in einem gemeinsamen Runderlass der Umweltministerkonferenz in Kraft gesetzt.

Die GIRL ist weitgehend einheitlich im Bundesgebiet ein Regelwerk, das für diesen relevanten Themenbereich Rechtssicherheit geschaffen hat. Die vor der Verabschiedung der Verwaltungsvorschrift noch gebotene erforderliche Erstellung von teuren Sachverständigengutachten ist durch diese nicht mehr notwendig.

Möchte man hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, von einer entwicklungshemmenden Wirkung sprechen, bleibt allerdings auch festzuhalten, dass diese letztlich nicht durch die GIRL, sondern durch die hohe Geruchsimmission bedingt ist.

Meine Damen und Herren, die GIRL wurde entwickelt, um die Menschen in ihrer Wohn- und Arbeitswelt vor gesundheitlichen Schädigungen zu schützen.

Wir wollen die Flüchtlinge in Niedersachsen doch bitte gleichbehandeln, nämlich genauso wie unsere anderen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die GIRL, meine Damen und Herren, ist also eine Rechengröße. Diese Rechengröße hat zu einem Teil zu Rechts- und Planungssicherheit geführt. Von Verwaltungsgerichten wird die Rechengröße GIRL immer häufiger als sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten bei der Urteilsfindung herangezogen.

Eine echte Problemstellung dieser Rechengröße kommt dann z. B. zum Tragen, wenn es in unseren Orten immer mehr Hofstellen mit nicht mehr betriebenen Ställen gibt, die trotzdem als Rechengröße bestehen bleiben. Und diese Rechengröße bleibt; denn das ist nicht an die Personen gebunden, sondern an das Grundstück gekoppelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Anhörung wurde sehr deutlich, dass das Thema GIRL - das hat Herr Kollege Oetjen auch so ausgeführt - eher allgemein zu betrachten ist und nicht für den Sonderfall der Flüchtlingsunterbringung.

In der Beratung wurde ebenfalls sehr deutlich, dass es sich um eine bundeseinheitliche Regelung handelt. Das heißt, wenn wir diese Regelung verändern wollen, dann ist das nur auf Bundesebene oder durch Wiedereinsetzen einer länderübergreifenden Kommission möglich.

Abschließend ist festzuhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass für uns eine unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen und der bisherigen Wohnbevölkerung nicht infrage kommt. Es ist für uns nicht hinnehmbar, wenn wir Flüchtlingen einen geringeren Schutz zukommen lassen würden. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Tiemann. - Es gibt auf Ihre Ausführungen eine Kurzintervention des Kollegen Oetjen. Bitte!

(Petra Tiemann [SPD]: Du hättest mich enttäuscht, wenn du keine ge- macht hättest!)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Tiemann, wenn man hier so viel erzählt, ohne auf den Kern der Sache einzugehen, dann ist es nun einmal notwendig, dass ich eine Kurzintervention mache.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Im Landkreis Stade wurden 86 Dörfer untersucht. In 56 dieser 86 Dörfer - das sind zwei Drittel - ist eine Wohnbauentwicklung nicht mehr möglich. Diese Situation im Landkreis Stade kann Sie doch nicht kalt lassen!

Ich akzeptiere ja, dass Sie zur Flüchtlingsunterbringung keine anderen Regeln bei der Geruchsimmissionsbelästigung gelten lassen wollen wie für die andere Bevölkerung. - In Klammern: Bei anderen Themen, beim Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz, haben wir es ja durchaus gemacht, dass wir sie anders behandeln. Aber das lassen wir jetzt einmal beiseite.

Gerade Sie als Abgeordnete aus einem Landkreis, der betroffen ist, müssen hier aber auch Antworten liefern, wie es vor Ort laufen soll, wie eine dörfliche Entwicklung weiter möglich sein soll. Verehrte Frau Kollegin Tiemann, hier fünf Minuten zu reden, ohne auf die Problematik einzugehen, ist für eine Abgeordnete einer regierungstragenden Fraktion einfach zu wenig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Frau Tiemann antwortet Ihnen.

Sehr geehrter Herr Kollege Oetjen, ich glaube, ich habe sehr deutlich gemacht, wie es weitergehen kann. Ich kenne übrigens diese Geschichte. Wir haben während der Anhörung doch gemeinsam festgestellt, dass es sich um eine bundeseinheitliche Regelung handelt und dass wir auf Bundes

ebene eine Änderung herbeiführen müssen, mit der die Werte einheitlich entweder herauf- oder heruntergesetzt werden.

Ich glaube, dass Sie - das habe ich Ihnen auch schon zum Abschluss der Beratung gesagt - in diesem Fall einfach - ich glaube, das ist nicht ordnungsruffähig - den falschen Baum anbellen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das war noch nicht einmal witzig!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir fahren in der Beratung fort. Nun hat das Wort für die CDUFraktion Frau Kollegin Jahns.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag der FDP gehört. Die FDP möchte gerne die Geruchsimmissions-Richtlinie verändern und den Kommunen mehr Flexibilität in der Wohnbebauung und hinsichtlich von Sanierungsgebieten geben. Diese Frage stand insbesondere mit dem Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz im Zusammenhang, das wir hier vor einigen Monaten gemeinsam einstimmig beschlossen haben. Das ist auch der Anlass, auf den ich jetzt zurückkommen möchte.

Im Rahmen der Anhörung zu diesem Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz und der Unterrichtung haben wir die Darlegungen z. B. vom Städte- und Gemeindebund zur Kenntnis genommen, der sich ausführlich dazu geäußert hat, dass eine Flexibilisierung der GeruchsimmissionsRichtlinie dringend nötig ist. Damals hat die SPD bei den Beratungen angekündigt: Wir ändern das! Wir werden da aktiv! Um das Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz schnell durchzubringen, machen wir das aber im Nachhinein.

Jetzt ist unsere Enttäuschung natürlich sehr groß, dass die Fraktionen der Regierungskoalition dieser Ankündigung nicht nachgekommen sind. Aber gut, Sie haben letztlich auch im Ausschuss negativ entschieden. Hierzu kann ich Ihnen nur sagen: Die CDU stimmt der FDP zu.

Ich muss wirklich feststellen, dass Sie leider die Entwicklungsmöglichkeiten im ländlichen Raum, gerade in den Dörfern, scheinbar als nicht vordringlich ansehen. Denn die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes, die auch gerade von Herrn Kollegen Oetjen vorgetragen worden ist, war sehr ausführlich und hat deutlich gemacht, wie

wichtig es ist, dass gerade im ländlichen Bereich auch die Bauern, die ihre Ställe nicht mehr nutzen, eventuell durch eine Umnutzung die Möglichkeit bekommen, Wohnbebauung zu schaffen. In den Dörfern ist gerade auch der demografische Faktor zu berücksichtigen. Man muss auch daran denken, dass wir dringend Wohnbebauung brauchen und dass wir eventuell durch eine flexiblere Gestaltung von Vorschriften darauf hinwirken können,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

dass wir die Einwohner in unseren Dörfern halten können. Das ist eine große Problematik, die viele vor Ort trifft. Sie haben die Zahlen gehört. Wenn 56 Dörfer im Bereich Stade keine Möglichkeit mehr haben, zu expandieren bzw. Wohnbebauungssanierungsgebiete umzusetzen, dann ist das sehr schwierig. Ich denke, wir sollten da auch den Wünschen der entsprechenden Dörfer und Bereiche nachkommen.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir auch durch die Unterrichtung durch das Umweltministerium und durch das Sozialministerium erkannt haben, welche Problematiken es gibt. Es wäre eine gute Voraussetzung und ein gutes Zeichen Ihrerseits, wenn Sie heute diesem Antrag doch zustimmen würden. Es geht nicht nur um die Flüchtlingsunterbringung - das ist ganz klar -; denn viele Flüchtlinge sind auch innerhalb der Dörfer, innerhalb der Kommunen und nicht irgendwo außen untergebracht, sodass diese Bereiche dann natürlich auch für die anderen Bürgerinnen und Bürger zutreffen.

Insofern werden wir als CDU diesen Antrag unterstützen. Ich hoffe, Sie denken noch einmal darüber nach und erinnern sich daran, was Sie uns im Dezember angekündigt haben. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Chance, dass Sie uns entsprechend unterstützen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Janssen-Kucz das Wort. Bitte!

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist alles gesagt worden. Wir haben im Rahmen des Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetzes gemeinsam beraten. Dann gab es die Anre

gung der kommunalen Spitzenverbände - allerdings nicht aller; der Städtetag hat sich dagegen ausgesprochen -, das doch noch einmal zu prüfen. Lieber Herr Kollege, wir haben diese Prüfung zugesagt. Sie haben dann zeitgleich einen Antrag geschrieben. Danach hatten wir die Anhörung. Danach hatten wir die Unterrichtung.

Die Unterrichtung hat sehr deutlich gemacht, dass nach dem Baurecht eine Wohnnutzung von Gebäuden, die schädlichen Umwelteinwirkungen und erheblichen Belästigungen ausgesetzt sind, unzulässig ist. Aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ergibt sich ein Anspruch der Menschen auf Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und erheblichen Belästigungen - für die Menschen im Dorf, aber auch für geflüchtete Menschen. Die GIRL steht definitiv nicht zur Disposition eines einzelnen Bundeslandes. Niedersachsen kann sie gar nicht einseitig ändern. - Das ist das eine.

Auch wenn es eine gemeinsame Änderung dieses Runderlasses geben würde, würde dies nicht dazu führen, dass für kommunale Wohnbauten zur Flüchtlingsunterbringung die Grenzwerte der GIRL einfach erhöht werden können. Gucken Sie sich bitte einmal die Rechtsprechung an! Meine Damen und Herren, am gesetzlichen Anspruch der Bürgerinnen und Bürger und der Geflüchteten auf Schutz vor Umweltauswirkungen und -einwirkungen wird sich dadurch nichts ändern. Dieser Schutz gilt für alle, und das ist gut so.

Grundsätzlich hängt die Bewertung, welches Grundstück wie stark von Umwelteinwirkungen betroffen ist, von der Lage ab. In einem allgemeinen Wohngebiet sieht die GIRL einen strengeren Schutz als im Dorfgebiet vor.

Auch für landwirtschaftliche Gebäude und den Genehmigungsinhaber gibt es einen Weg, nämlich - das wissen Sie auch - die endgültige Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung von Bauten. Doch damit wird man ja auch seine Befugnisse und seine Vorteile los, also verzichtet man darauf. Dazu sind viele Hofinhaber nicht bereit.

Die GIRL berücksichtigt aber auch schon heute die besondere Situation von Dorfgebieten mit dem Nebeneinander von landwirtschaftlicher Nutzung und Wohnnutzung. Jeder, der vom Dorf kommt, kennt auch das bestehende Konfliktpotenzial in der Dorfgemeinschaft. Für Dorfgebiete sind schon jetzt Immissionswerte von 0,20 mit einer Geruchshäufigkeit von 20 % der Jahresstunden möglich.