Protocol of the Session on April 13, 2016

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, worüber reden wir hier eigentlich? - Von 2008 bis 2010 führte das Land Niedersachsen zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit die Modellprojekte „Abschlussquote erhöhen - Berufsfähigkeit steigern“ und „Vertiefte Berufsorientierung von Berufsstarterklassen steigern“ an 46 Hauptschulen durch. Die Oberschule Rodenkirchen, Landkreis Wesermarsch, die Oberschule Sande, Landkreis Friesland, sowie die Oberschule Wiefelstede und die Hauptschule Bad Zwischenahn, beide Ammerland, nahmen daran teil. Ziel dieses Modells war es, abschlussgefährdete Schülerinnen und Schüler zum Hauptschulabschluss zu bringen und ihnen eine Ausbildungsperspektive zu schaffen. Drei Tage waren die Schülerinnen und Schüler in der Schule und zwei Tage in einem Unternehmen. Als das Modell auslief, schafften es die vier oben genannten Schulen in Eigenverantwortlichkeit, die erforderlichen Lehrerstunden weiterhin zur Verfügung zu stellen und die Klassen fortzuführen. Alle

anderen Schulen haben danach nicht weiter an dem Projekt teilgenommen, da es nicht fortgeführt wurde.

2014 verabschiedete sich dann leider auch die Arbeitsagentur aus der Finanzierung der Sozialpädagoginnen und -pädagogen als Berufsstartbegleiter. Weil das Modell in ihren Landkreisen mit hohen Erfolgszahlen aufwarten konnte, sprangen z. B. die eben genannten Landkreise ein und übernahmen die finanziellen Leistungen für die Sozialpädagogen. Die Schulen dieser Landkreise setzen verstärkt auch auf den außerschulischen Praxisteil, den das Modell impliziert. Mittlerweile fließen die Erkenntnisse des Modellprojekts parallel in gesetzliche und untergesetzliche Regelungen ein. Daraus resultiert die Verstärkung der Praxiserfahrungen, wie etwa - Sie kennen sie alle - die Praxistage.

Durch meinen permanenten Austausch mit dem Ministerium und aufgrund meiner mehrfachen Nachfragen weiß ich, dass in den Grundsatzerlassen für die Hauptschule, die Realschule und die Oberschule Maßnahmen der Berufsorientierung bis hin zur Berufsbildung einen breiten Raum einnehmen. Eine individuelle Förder- und Berufswegeplanung aller Schülerinnen und Schüler wird durch ein Kompetenzfeststellungsverfahren unterstützt.

Die Landesregierung hat nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern aktiv die guten Ergebnisse des Modells nach und nach in den Schulalltag integriert.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit der ansteigenden Beliebtheit der Schulform Oberschule ging das Auslaufen der Hauptschulklassen einher. Das wiederum erschwert den genannten Schulen, die nach wie vor auf die Klassen mit hohem Praxisanteil setzen, die Klassenbildung. Damit sind wir beim Kern des Problems:

Die in Rede stehenden Schulen können keine Stunden explizit für Berufsstarterklassen erhalten, da es dieses Modell seit 2010 nicht mehr gibt. Um den aktiven Klassen mit vertiefter Berufsorientierung eine Fortführung zu ermöglichen, ist die Niedersächsische Landesschulbehörde bemüht, bei den betreffenden Schulen eine auskömmliche Unterrichtsversorgung zu erreichen. Den Schulen wurden die Lehrerstundenkontingente dankenswerterweise zugewiesen. Sie sind also an den Schulen. Was aber festzustellen bleibt, ist, dass

die Bemühungen noch nicht in allen Fällen dazu geführt haben, die Unterrichtsversorgung hochsetzen zu können, weil es seitens der Landesschulbehörden und der Schulen schlicht und einfach nicht gelingt, die entsprechenden Pädagogen, die entsprechenden Lehrer dafür einzustellen.

Wie bereits im Kultusausschuss am 26. Februar dieses Jahres ausführlich diskutiert - Herr Bock, Sie sprachen es an -, erschließt sich mir nicht, warum Sie diesen Antrag überhaupt noch stellen. Er ist durch Regierungshandeln definitiv erledigt. Die von Ihnen geforderten Lehrerstunden sind an den Schulen. Ihr Antrag macht nun durch unsere Diskussion nur zu deutlich, welche Problematik immer wieder mit Modellversuchen einhergeht, in deren Natur es liegt, auszulaufen. Es zeigt sich aber auch, dass Sie - in welcher Form auch immer - Berufsstarterklassen 2010 nicht nur nicht fortgeführt, sondern auch nicht an Lösungen gearbeitet haben und die Schulen, die Landkreise und die besonders auf Unterstützung angewiesenen Schülerinnen und Schüler hier haben im Regen stehen lassen.

Frau Kollegin Logemann, ich muss Sie kurz unterbrechen. Lassen Sie eine Frage des Kollegen Försterling zu?

Ich bitte darum, zu Ende ausführen zu dürfen.

Bitte, dann fahren Sie fort.

Ich bin gleich fertig.

Wir werden uns dem Votum des Kultusausschusses anschließen und dem obsoleten Antrag nicht zustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Kortlang das Wort. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf Sie noch einmal um etwas Ruhe bitten, vor allen Dingen hinten im Gang. - Vielen Dank.

Hohes Präsidium! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat aus der NWZ vom 7. Oktober 2015 - ich muss noch einmal ein bisschen Licht in die Geschichte bringen -:

„Die Kultusministerin kündigte an, 17 Modellschulen einzurichten, von wo aus Schüler“

- das wissen Sie -

„an zwei Tagen pro Woche in Betriebe wechseln könnten.“

Warum fange ich mit einem Zitat aus der NWZ und nicht mit einem aus dem Göttinger Tageblatt an? - Weil man im Erscheinungsgebiet der NWZ, nämlich im Ammerland, in Friesland, in der Wesermarsch und in Wilhelmshaven eine solche Schulform schon lange kennt.

Die Berufsstarterklassen gibt es nun seit gut zehn Jahren. Sie sind ein großartiges Erfolgsmodell. Aber die Zukunft dieser Klassen war, wie wir alle wissen, keineswegs gesichert. Eine Förderung dieser Modellschulen sei nicht vorgesehen, war die Antwort aus dem Kultusministerium auf eine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung. Das war der Anlass, dass wir - Frau Logemann, Herr Janßen, Herr Nacke und ich - uns zu einem Gespräch mit den vier Schulleitern der jetzt noch beschulten BBSn - dieser Schulform, die ich eben genannt habe, die noch über dieses Angebot verfügt, Berufsstarterklassen - getroffen haben

(Petra Tiemann [SPD]: Frau Loge- mann hatte das so schön erklärt!)

- ja, nun, ich will es noch mal in anderem Licht einführen -, und zwar am 30. November in Wiefelstede. - Sie können noch so viel dazwischenreden, sie bringen mich nicht aus der Ruhe.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In dieser großen Runde waren die Bürgermeister der betreffenden Gemeinden, der Landrat aus dem Ammerland sowie Mitarbeiter des Landkreises und Vertreter der Eltern, der Handwerkskammern und auch der Landesschulbehörde präsent. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Gesprächs waren sich einig, dass dieses Erfolgsmodell weitergeführt werden soll.

Aber was ist passiert? - Zunächst ist nichts gemacht worden. Danach waren auch die kommunalen Spitzen sehr aktiv. Dann gab es von Ihnen, Frau Ministerin, auf eine Anfrage und ein schriftli

ches Intervenieren der Landräte eine barsche Abfuhr. Sie haben Ihren Parteifreund Sven Ambrosy gebeten, die Landratskollegen über diese Abfuhr zu unterrichten.

Dann kam aber, meine Damen und Herren - man wundert sich ja manchmal -, schon vor Ihrem Besuch bei der Oberschule in Rodenkirchen, Frau Logemann, den Sie eben genannt haben, Bewegung in die Sache. Wir alle haben uns gewundert. Sie bestätigten dort, was wir vorher nicht gewusst haben, dass das Kultusministerium für die Oberschule eine Lehrerversorgung von 102 % angewiesen hat.

Wenn man das hört, hält man das zunächst für eine tolle Sache. Das könnte man meinen. Meine Oma hätte aber gesagt, dass das eigentlich nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Zugegeben: Es war die CDU/FDP-geführte Landesregierung, die das Projekt 2006 gestartet und 2010 hat auslaufen lassen, statt für eine Verstetigung zu sorgen. Damals gehörte ich diesem Parlament hier noch nicht an, auch du nicht, Karin. Als Kommunalpolitiker haben wir uns vehement dagegen ausgesprochen und haben es ermöglicht, dass die Landkreise eingesprungen sind, sodass wir dieses Bildungsangebot fortführen konnten.

Nun stehe ich aber hier und möchte das ändern, um unser Gemeinwohl voranzubringen und um jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Berufsstarterklassen haben ein zentrales Anliegen: die Erhöhung der Ausbildungsfähigkeit und die Vermittlung von Schülern nach der 7. Klasse in betriebliche Ausbildung. Damit das umgesetzt werden kann, sollte die Teilungsgrenze bei 16 Schülern liegen. Diese Klassen müssen unserer Meinung nach unabhängig von der Schülerzahl gebildet und auch fortgeführt werden können. Deshalb - damit das verfestigt wird - bedarf es meiner Meinung nach einer Änderung des § 5 des Niedersächsischen Schulgesetztes. Darüber sollten wir noch einmal nachdenken.

So könnte das Projekt dann nämlich verstetigt werden und könnte im ganzen Land zur Stärkung des Gemeinwohls beitragen. Eine angewiesene Lehrerversorgung von 102 % lindert zwar das Problem ein wenig, aber sie stellt keineswegs eine wirkliche Lösung dar, wie wir - das hast du gerade gesagt - an der Nichtbesetzung der Stelle in Rodenkirchen feststellen mussten; das ist nicht vorhanden.

Meine Damen und Herren, bei Ihrem Modell, Frau Ministerin, sind die Klassen bei den Berufsschulen

angesiedelt. Das ist aus unserer Sicht deutlich zu spät. Die Schüler werden zu sehr aus ihrem gewohnten sonstigen Umfeld gerissen. Sicherlich müssen wir dafür Geld in die Hand nehmen, wenn wir das mit der gesetzlichen Regelung so machen, wie ich es eben gesagt habe. Aber wenn wir das nicht tun, wird es unser Gemeinwesen ein Vielfaches mehr kosten; denn wir verlieren Menschen an die Sozialhilfe,

(Glocke der Präsidentin)

die unserer Gesellschaft auch als Facharbeiter Wohlstand bringen könnten. Der Bedarf für solche Klassen wird in den kommenden Jahren nach unseren Informationen und Gesprächen durch die Flüchtlingssituation noch weiter ansteigen können.

Vier sehr erfolgreiche Berufsstarterklassen, meine Damen und Herren, Schüler, Eltern, Lehrer, Handwerkerschaft, Kommunalpolitiker, Kommunalverwaltung sowie die Presse schauen in diesem Moment bei diesem Tagesordnungspunkt auf den Landtag in Hannover und fragen sich: Wie werden die acht Abgeordneten aus den Wahlkreisen, in denen diese Schulen liegen, heute wohl entscheiden?

Herr Kortlang, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ja, ich komme jetzt zum Schluss.

Meine Damen und Herren, um eine Verstetigung dieses Erfolgsprojekts zu ermöglichen, bitte ich Sie um Zustimmung. Und denken Sie an die Worte Ihres Herrn Lynack, der vorhin gesagt hat: Man muss tun, was man vorher gesagt hat. - Sie haben vorher gesagt, dass Sie das mit unterstützen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kortlang. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Hamburg das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berufsstarterklassen haben eine Erfolgsbilanz. Das wurde hier schon mehrfach

gesagt. Davon konnten wir uns vor Ort überzeugen, auch in den Gesprächen mit den Schulleitungen und Lehrkräften. Der Modellversuch wurde damals von Schwarz-Gelb eingesetzt. Ich habe mir von den entsprechenden Lehrkräften und Schulleitern auch erzählen lassen, wie es damals 2010 auf der Veranstaltung war, als gesagt worden war, dass 90 % der Schüler zum Abschluss gebracht werden können und 80 % eine Berufsausbildung bekommen; alles wunderbar! Dann hieß es aber: Wir führen es trotzdem nicht fort. Tschüss und danke, auf Wiedersehen!

Das hat ordentlich für Frust gesorgt. Das hat dazu geführt, dass es jetzt nur noch diese übrig gebliebenen Berufsstarterklassen gibt. Frau Logemann hat die Genese ausgeführt. Die Berufsstarterklassen haben einen schweren Stand. Derzeit sorgen die Landkreise durch einen starken finanziellen Einsatz dafür, dass die Berufsstarterklassen weiterexistieren.

Ich habe die Kultusausschusssitzung, über die wir heute schon mehrfach geredet haben, deutlich in Erinnerung, in der das Kultusministerium gesagt hat, es gebe alles daran, diese Schulen mit einer guten Unterrichtsversorgung auszustatten, um eben genau diese Berufsstarterklassen weiterhin zu ermöglichen und das Engagement der Landkreise in diesem Bereich besonders zu unterstützen.