Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Car-Pass einführen - Tachomanipulation wirksam eindämmen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5121
- Ich beginne die erste Beratung erst, wenn hier Ruhe eingekehrt ist und die Wanderungen im Plenarsaal beendet sind. Tragen Sie dazu bei? Ansonsten dauert es noch einen Moment.
- Die Unruhe ist zu groß. Ich möchte der einbringenden Fraktion bei dieser Unruhe im Plenarsaal nicht das Wort erteilen. - Nun geht es einigermaßen.
Für die antragstellenden Fraktionen hat sich die Kollegin Miriam Staudte zu Wort gemeldet, die nun das Wort hat. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Viele von Ihnen werden in ihrem bisherigen Leben schon
Die wenigsten von Ihnen werden allerdings in der Lage gewesen sein, in den Fußraum des Wagens zu kriechen und am Abnutzungsgrad des Gaspedals festzustellen, welchen Kilometerstand dieser Wagen eigentlich hat. Die meisten von Ihnen werden sich wie ich auf den Kilometerstand verlassen haben. Dabei gibt es allerdings ein Problem: Polizei und TÜV schätzen, dass ein Drittel aller Gebrauchtwagen beim Verkauf einen manipulierten Kilometerstand aufweist.
Die Gewinnspanne ist enorm. Der ADAC schätzt einen jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von ca. 6 bis 7 Milliarden Euro durch die Manipulation der Fahrzeuge. Man kann auch ganz klar sehen, welche Gewinnspanne das ist. Wenn man auf den einschlägigen Internetseiten ein bestimmtes Modell und ein bestimmtes Baujahr eingibt und dann beim Kilometerstand variiert, wird man sehen, dass etliche Tausend Euro Spanne dazwischen liegen. Im Schnitt spricht man ungefähr von 3 000 Euro, die sozusagen illegal erwirtschaftet werden.
Es ist allerdings nicht nur eine Frage des Preises, was diesen Betrug angeht, sondern es ist auch aus anderen verbraucherschutzrelevanten Fragen ein Problem. Es geht nämlich um den Bereich der Sicherheit. Häufig wird gesagt, ab einem bestimmten Kilometerstand soll man bestimmte Servicetermine wahrnehmen. Der Keilriemenwechsel ist wahrscheinlich das, was uns allen am meisten bewusst ist. Wenn man allerdings einen falschen Kenntnisstand über den tatsächlichen Kilometerstand hat, ist das natürlich ein großes Sicherheitsproblem.
Früher waren diese Manipulationen nicht ganz so einfach. Es kursieren Geschichten, dass das Rädchen mit der Bohrmaschine zurückgedreht wurde. Inzwischen haben wir lauter digitale Kilometerzähler. Deswegen kann dieser Kilometerstand sehr leicht mit der passenden Software zurückgesetzt werden. Hinzu kommt, dass über das Internet letztendlich anonym bestellt werden kann, was man dazu an Hardware benötigt. Für wenige Hundert Euro sind diese Gerätschaften schon zu haben. Das Schlimme ist, dieser Handel ist im Moment rechtlich nicht wirklich einzudämmen, weil
Insofern haben wir hohen Handlungsbedarf. Wir haben als rot-grüne Fraktionen heute einen Antrag vorgelegt, der im Wesentlichen aus drei Punkten besteht: Erstens soll ein sogenannten Car-Pass eingeführt werden. Zweitens sollen die Hersteller in die Pflicht genommen werden, ihre Modelle besser vor Manipulationen zu schützen. Drittens soll der Handel mit Manipulationsgeräten erschwert werden.
Noch einige Worte zu dem Car-Pass. Mit diesem Begriff werden wahrscheinlich die wenigsten etwas anfangen können. In Belgien ist bereits 2006 ein sogenannter Car-Pass eingeführt worden. Das ist nicht nur so etwas wie eine Art zusätzliches Check-Heft, sondern es handelt sich um eine zentrale Datenbank, in die immer wieder der aktuelle Kilometerstand eingetragen wird, wenn das Auto in der Werkstatt ist oder die Reifen gewechselt werden etc. Wenn es dann zum Verkauf kommt, kann man als Halter einen Auszug aus der Datenbank beantragen und ihn dem potenziellen Käufer vorlegen.
Inzwischen muss man nämlich auch sagen, dass es schon einen regelrechten Handel mit CheckHeften gibt. Es wird ganz leicht einmal nachbestellt, und man hat dann ein richtiges Heftchen mit vielen Stempeln. Insofern ist solch eine zentrale Datenbank, meine ich, wirklich eine gute Alternative.
Die Hersteller in die Pflicht zu nehmen und einzufordern, dass diese Manipulation erschwert wird, ist natürlich auch ein wichtiger Punkt. Es gibt technisch durchaus Möglichkeiten. Zu einem ganz geringen Preis können Speicherkarten so eingesetzt werden, dass sie nicht so leicht überschrieben werden können. Man muss allerdings vermuten, dass das Interesse aufseiten der Hersteller möglicherweise nicht überwältigend groß ist, diese Manipulationen zu 100 % auszuschließen; denn die Verunsicherung beim Gebrauchtwagenkauf führt natürlich ganz sicherlich bei einigen Käufern dazu, dass sie vielleicht doch lieber auf Nummer sicher gehen wollen und sich einen Neuwagen anschaffen.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Solange es ein Volkswagen ist, ist das ja auch okay! - Gegenruf von Christian Grascha [FDP]: Früher wart ihr mal gegen jedes Auto!)
Nichtsdestotrotz sollten wir hier aktiv werden bzw. sollte die Landesregierung aktiv werden. Wir haben auch den Prüfauftrag in den Antrag aufgenommen, Möglichkeiten zu eruieren, inwieweit der Handel mit Softwaregeräten - im Internet gibt es ja unterschiedlichste Angebote - eingeschränkt werden kann. Inzwischen ist es wohl schon so weit gekommen, dass die Dienstleistung des Zurückdrehens für wenige Hundert Euro zu erhalten ist.
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Es hat jetzt für die CDU-Fraktion die Kollegin Gerda Hövel das Wort.
Frau Hövel, einen kleinen Moment! - Die Gesprächsrunde war eben ziemlich laut. Die setzen Sie jetzt bitte nicht fort, wenn Frau Hövel redet.
Die Erkenntnis, dass Autos innerhalb von wenigen Minuten auf einen beliebigen Kilometerstand manipuliert werden können - ohne Ausbau des Tachos oder anderer Teile -, zwingt uns zum Handeln.
Tests haben ergeben, dass keines der aktuellen Fahrzeuge als manipulationssicher gilt, dass darüber hinaus Manipulationen ausgesprochen einfach und billig sind und dass sich beim Verkauf eines solchen Fahrzeugs ein deutlicher Mehrerlös erzielen lässt.
Straßenverkehrsgesetz durch den § 22 b ergänzt. Dieser beinhaltet auch die Erstellung und das Zurverfügungstellen von Computerprogrammen zur Begehung einer solchen Straftat. Der Missbrauch von Wegstreckenzählern kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Man muss wohl davon ausgehen, dass genau deshalb viele Anbieter solcher Dienste ihre Serviceleistungen im benachbarten Ausland ausführen.
Darüber hinaus stellt das Verschweigen der tatsächlichen Gesamtfahrleistung eines Autos, um dadurch z. B. die Leasing-Schlussrate zu drücken, um sich Garantie- bzw. Kulanzleistungen zu erschwindeln oder um einen höheren Verkaufserlös zu erzielen, einen Betrug dar. Das bedeutet nach unseren Gesetzen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man benötigt heute keinen Schraubenzieher mehr, um den Tacho zu verstellen - nur noch einen Laptop, passende Software und ein paar Minuten Zeit. Spuren von dieser Aktion gibt es in der Regel nicht. Das macht es so schwierig, einen Betrug zu bemerken und nachzuweisen.
Auch deshalb werden Überlegungen zur Strafverschärfung, die angestellt werden, das Problem nicht lösen. Der Tachobetrug muss - ich will es einmal so ausdrücken - unmöglich gemacht werden.
SPD und Grüne schlagen in ihrem Antrag die verbindliche Einführung eines Car-Passes in Deutschland vor. Mit dessen Hilfe soll die angegebene Kilometerleistung auf ihre Plausibilität überprüft werden.
Dazu habe ich einige Anmerkungen: Ich schlage vor, den Begriff „Car-Pass“ zu ersetzen, z. B. durch „regelmäßige Erfassung und Speicherung der Kilometerstände von Kraftfahrzeugen“. Warum?
Exakt unter dem Namen „CarPass“ firmiert ein in Bochum ansässiges Unternehmen, das Datenbankdienstleistungen anbietet. Es ist nicht das einzige auf dem Markt, das diese Leistungen anbietet. Ich gehe davon aus, liebe Kolleginnen und
Wenn unter verbindlicher Einführung eine gesetzlich vorgeschriebene verstanden wird, gebe ich zu bedenken, dass gerade die Überlegungen zum Thema Datensicherheit und vor allen Dingen auch zum Thema Datenschutz eine übergeordnete Rolle spielen müssen. Es muss eine sorgfältige Abwägung stattfinden, ob es beim Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Tachomanipulation angemessen ist, ihnen die Offenlegung privater Daten abzuverlangen. Im augenblicklichen Zeitpunkt geht das nicht, weil die dazu notwendige Fahrgestellnummer als persönliche lnformation gilt. Man müsste das Datenschutzgesetz ändern, um das zu erfragen.
Datenbanken sind darüber hinaus in Fachkreisen nicht unumstritten. Auch bei dem Eintrag in eine Datenbank ist eine Manipulation des Kilometerstandes zwischen den Inspektionsterminen jederzeit möglich. Den Bürgern wird ein Schutz suggeriert, der faktisch nicht vorhanden ist. Das ist fatal.
Der entscheidende Schritt ist die bessere technische Erstausstattung der Fahrzeuge. Das muss gesetzlich verankert sein!