Einen Moment, bitte, Frau Kollegin! - Herr Abgeordneter Brammer und Frau Abgeordnete Heiligenstadt, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. - Bitte!
An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dem interministeriellen Arbeitskreis zur Entwicklung des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus recht herzlich danken. Dieser Arbeitskreis hat eine fachlich sehr fundierte und umfassende Arbeit geleistet. Wir konnten uns davon im Ausschuss überzeugen. Vielen Dank!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, dass der Polizei und allgemein auch den Sicherheitsbehörden eine hohe Verantwortung bei der Begegnung von Straftaten und gewaltbereiten Übergriffen von Nazistrukturen zukommt. Aber wahrscheinlich sind wir uns auch alle einig: Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich Sicherheitsbehörden mit den extremen Rechten befassen, ist das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen.
Was wir in Niedersachsen brauchen, sind eine Stärkung der Zivilgesellschaft, eine Stärkung der Bildung in diesem Land und eine gelebte demokratische Kultur;
denn engagierte Menschen in Niedersachsen, die rechtes Gedankengut nicht tolerieren, die Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit offensiv entgegentreten, sind der Schlüs
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen ist immer noch ein weißer Fleck, wenn es um die Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt geht. Diese Lücke muss dringend geschlossen werden. Gerade Opfer von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit haben leider auch oft in staatlichen Behörden Diskriminierungserfahrungen gemacht oder sind sehr verängstigt. Sie suchen eben nicht die Polizei oder die nächstgelegene Beratungsstelle auf, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Eben deshalb ist die Dunkelziffer in diesem Bereich extrem hoch. Hilfe für Menschen, die sie dringend brauchen, kommt nicht an. Das muss sich nun ändern.
Gleiches gilt für die mobilen Beratungsteams. Niedersachsen verfügt bereits über ein Angebot der mobilen Beratungen. Häufig werden diese Angebote aber nicht nachgefragt. Deshalb brauchen wir einen Ausbau der aufsuchenden und der zivilgesellschaftlichen Angebote in diesem Bereich. Wir brauchen Systeme, die dort sind, wo auch die Nazis agieren, und die dort helfen, wo sie gebraucht werden. Und wir brauchen eine gute Vernetzung der hier aktiven Akteurinnen und Akteure von staatlicher und von zivilgesellschaftlicher Seite;
denn Situationen wie beispielsweise die selbst ernannte Bürgerwehr in Schwanewede machen deutlich, wie hilflos Menschen vor Ort, ja sogar ganze Kommunen sein können, wenn Nazigruppierungen auftauchen und ein Klima der Angst vor Ort erzeugen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen bietet im Bereich der Prävention und der Intervention bereits viele gute Maßnahmen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt worden sind. Diese Maßnahmen sinnvoll zu bündeln und auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen sowie bestehende Lücken zu schließen, das ist die Aufgabe eines passgenauen Landesprogramms gegen Rechtsextremismus.
Ich freue mich, dass wir heute gemeinsam ein starkes und interfraktionelles Signal für ein solches Landesprogramm senden werden, und möchte mich hier noch einmal herzlich für die konstruktiven Beratungen in diesem Bereich bedanken.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz besonders angesichts der Diskussionen um die Situation der Flüchtlinge und deren Integration ist es unser aller Aufgabe, uns gegen den Rechtsextremismus zur Wehr zu setzen.
Schon die schwarz-gelbe Landesregierung hat entsprechende Projekte initiiert. Leider hat die aktuelle Landesregierung es in drei Jahren nicht geschafft, ein eigenes Landesprogramm aufzulegen. Offenbar können sich Innenministerium, Justizministerium und Sozialministerium nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen. Das, meine Damen und Herren, ist schon ein Armutszeugnis, insbesondere für die Grünen-Fraktion.
Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag enthält nun einige wichtige Hinweise wie u. a. die Verzahnung der bereits bestehenden Projekte.
Ein wichtiger Punkt ist zudem ein Ausbau der Opferhilfe. Die Unterstützung der Opfer von Straftaten kommt oft zu kurz - übrigens nicht nur bei Opfern von rechtsextremistischen Taten. Hier gilt es, insgesamt nachzubessern.
Meine Damen und Herren, als Freier Demokrat wehre ich mich gegen jede Form des Extremismus. Daher ist es mir völlig egal, ob er von links, von rechts, von oben oder von unten daherkommt oder in welcher Farbe. Jede Form des Extremismus, des politischen oder religiösen Extremismus, ist am Ende menschenverachtend.
Natürlich ist nachvollziehbar, meine Damen und Herren, dass die aktuellen fremdenfeindlichen Gewalttaten den Fokus auf den Rechtsextremismus legen. Diese Gewalttaten sind gerade während der aktuellen Flüchtlingssituation eine reine Katastrophe. Die Abwehrbereitschaft aller demokratischen Parteien gegen den Rechtsextremismus muss daher kräftig sein.
Das darf aber nicht dazu führen, dass gleichzeitig die Abwehrbereitschaft gegen die Gefahren anderer extremistischer Bewegungen sinkt.
Es macht zudem Sinn, meine Damen und Herren, die Landesprogramme zu evaluieren, um feststellen zu können, ob die Umsetzung gerade auch von externen Initiativen überhaupt funktioniert.
Die Wahrung der Neutralitätspflicht des Staates und das Bekämpfen menschenfeindlicher oder verfassungsfeindlicher Tendenzen sind ein Spagat, den dieser Rechtsstaat aushalten muss und auch kann. Die Aufgabe der Landesregierung ist es aber, dafür auch das notwendige Personal und die notwendigen Mittel vorzuhalten. Leider gibt es an genau diesem Punkt erheblichen Nachholbedarf.
Meine Damen und Herren, dem nunmehr gemeinsamen Antrag stimmen wir in der Hoffnung zu, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen nun endlich vom vielen Reden hin zu tatsächlichen praktischen Taten kommen.
Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Jetzt hat sich Michael Höntsch, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir es doch noch geschafft: Wir haben einen gemeinsamen Entschließungsantrag. Darüber freue ich mich. Unsere Meinungsverschiedenheiten bleiben selbstverständlich bestehen. Sie können auch von Formulierungen nicht überdeckt werden. Das Entscheidende ist aber, dass wir uns heute darin einig sind, gemeinsam gegen rechts und gegen rechte Gewalt vorzugehen.
habe, habe ich mit den Worten begonnen: „Lassen Sie mich heute über Opfer rechter Gewalt sprechen.“ Ich habe zwar nicht in das Protokoll geschaut; aber ich habe noch den Zwischenruf im Ohr: Und was ist mit den Opfern linker Gewalt? - Ich greife das heute gerne einmal ganz kurz auf. Auf einen entsprechenden Entschließungsantrag würde ich warten. Wir haben überhaupt keine Angst vor dieser Debatte. Aber alles zu seiner Zeit! Heute geht es um etwas ganz anderes.
Zuallererst möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Justizministerium bedanken. Mit der Vorstellung des Landesprogramms im Rechtsausschuss war ich sehr zufrieden. Ich freue mich auf die Umsetzung.
Zur Verdeutlichung der Problematik möchte ich hier noch ein paar Zahlen referieren. In der ersten Hälfte 2015 stieg die Zahl der rechten Straftaten in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr um 72 %. Um 462 % stieg die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte von 2014 bis 2015 in Deutschland. In absoluten Zahlen ist das eine Entwicklung von 199 auf 924 Fälle. Die letzte und erschreckendste Zahl steht für den Anstieg der Zahl der Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Waren es 2014 bundesweit sechs Anschläge, sind es im vergangenen Jahr beschämende 76 gewesen. Diese Zahlen zeigen: Während Deutschland für fast alle Menschen ein sicheres Land ist, wird es für manche Menschen unsicherer. Rechte Gewalt - ich muss sagen: rechter Terror - bedroht einen Teil der Menschen in diesem ansonsten friedlichen und auch sicheren Land.
Woher kommt es, dass Hunderte Täter und Täterinnen beginnen, vor lauter Hass ein Haus anzuzünden? Wie kommt man darauf? - Dieser Hass ist durch eine völlig veränderte öffentliche Debatte in Deutschland verursacht und wird jeden Tag ausgeweitet und verfestigt.
Vorläufiger Höhepunkt der Debatte in unserem Land ist der Schusswaffengebrauch. Die Europaabgeordnete Storch will auf Menschen schießen lassen. Das sagt sie zumindest. Ich kann nicht in Frau Storchs Kopf schauen, aber ich befürchte, dass nicht nur die Unfähigkeit, das Menschenbild des Grundgesetzes zu verstehen, Vater bzw. Mutter dieser PR-Aktion war. Ich bin mir sicher: Hier sollte gezielt provoziert werden, um mit sehr schmutzigen Mitteln auf Wählerfang zu gehen, wobei sie genau weiß, dass diese Art des Wählerfanges zeitgleich auch die öffentliche Debatte vergiftet. So etwas vergiftet die öffentliche Debatte,
und diese Vergiftung bringt Wählerstimmen für Rechtsaußen. Frau Storch hat also den Gebrauch von Schusswaffen benutzt, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Da waren wir aber alle sofort empört - von der CSU bis hin zu Frau Wagenknecht. Frau Storch, so geht das nicht. Damit hatten auch alle recht. Sie musste sich entschuldigen. Sie konnte die Schuld weniger oder gar nicht erfolgreich auf ihre Maus schieben.
Der derzeitige Rechtspopulismus von NPD und AfD und anderen ist der Nährboden für den rechten Terror, der gerade über unser Land schwappt. Dieser Rechtspopulismus ist der Nährboden für Gewalt. Gerade wir Abgeordnete dürfen diesen Nährboden nicht düngen. Unsere Aufgabe ist, ihn auszutrocknen. Rechtspopulismus darf von niemandem von uns bedient werden.
Vor 14 Tagen hat hier ganz in der Nähe, im beschaulichen Ronnenberg, ein besorgter Bürger unter seinem richtigen Namen in einem sozialen Netzwerk formuliert - vorausgeschickt: es ging um ein Foto einer Baugrube, um die Suche nach einem Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg -: „Asylanten rein und sprengen“. - Die Anzeigen gegen den Mann laufen; meine eigene Anzeige ist dabei.
Aber was passiert da mitten unter uns? Wie kommt es zu dieser Verrohung? Warum machen Menschen so etwas sogar unter Nennung ihres eigenen Namens? Warum denken sie, so etwas gehe? - Diese rechte Gewalt passiert nicht nur in scheinbar fernen ostdeutschen Provinzen. Dieser Terror findet in unseren Wahlkreisen statt. Und vielerorts werden daraus die richtigen Schlüsse gezogen.
Niedersachsen ist dabei in mancher Hinsicht zum Glück noch privilegiert. Von den 32 Anschlägen auf Flüchtlingswohnheime in diesem Jahr hat der Anschlag in Barsinghausen in Niedersachsen stattgefunden und danach gleich ein zweiter. Aber gerade Barsinghausen macht vor, wie man auf rechten Terror reagieren sollte oder wie man besser nicht auf ihn reagieren sollte. Dass viele Hundert Bürgerinnen und Bürger aus Barsinghausen wenige Tage nach dem ersten Anschlag auf die Straße gingen, war die Reaktion, die ich mir wünsche und die wir uns alle für eine Demokratie wünschen sollten.