„Die FDP war Partei der Besitzstandswahrenden, die wollte, dass alles so bleibt, und das unter dem Deckmantel der Freiheit.“
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Be- sitzstandswahrer seid doch Ihr!)
- Herr Lechner, Sie beginnen erst, wenn Ruhe eingekehrt ist. - Das betrifft die Beratungen rechts, die Beratungen links, die Beratungen in der Mitte. Herr Grascha, ich darf Sie noch einmal an Ihre Restredezeit erinnern.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abgeltungssteuer wurde 2009 vor allem deshalb eingeführt, weil der begründete Verdacht bestand, dass bei der Angabe von Kapitaleinkünften, die nach dem alten Recht notwendig war, zumindest ab und zu etwas vergessen wurde, und weil der Staat, wie er damals aufgestellt war, nur wenige Handlungsmöglichkeiten hatte, um dies zu ermitteln und zu überprüfen, was insbesondere daran lag, dass die Datenlage und insbesondere auch die Möglichkeiten, die Datenlage zu erweitern, sehr beschränkt waren, weil ein Zugriff auf internationale Steuerdaten nicht möglich war.
Vor diesem Hintergrund war es nicht nur eine Notlösung, sondern ein völlig richtiger Schritt, eine Quellensteuer einzuführen. Die Abgeltungssteuer ist ja eine Quellensteuer. Das hat funktioniert und dazu geführt, dass wir seit 2008 über 5 Milliarden Euro mehr eingenommen haben. Das war also ein völlig richtiger Beschluss.
Es stimmt: Wir haben jetzt Fortschritte gemacht, was die Datenlage und die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzbehörden auf die Daten angeht. Das Abkommen über den automatischen internationalen Steuerdatenaustausch tritt am 1. Januar 2017 in Kraft. Dieses Abkommen wird ein Meilenstein im Kampf für internationale Steuergerechtigkeit sein. Ich möchte hier einmal betonen, dass dies ein
großer Erfolg der seit zehn Jahren von der CDU und von Frau Merkel geführten Bundesregierung ist. Wir hatten wechselnde Koalitionspartner, aber an diesem Thema sind wir drangeblieben, und wir haben hier wirklich einen guten Erfolg erzielt.
Ich finde es legitim, dass Finanzminister Schäuble zumindest einmal die Frage stellt, ob die Geschäftsgrundlage für eine Abgeltungssteuer heute noch ausreichend ist. Aber, Herr Grascha, das gehört zur Wahrheit dazu: Der Finanzminister hat auch klargemacht, dass dies in dieser Legislaturperiode kein Thema ist. Wissen Sie, warum? - Wir haben den Bürgern versprochen, dass wir in dieser Legislaturperiode keine Steuererhöhungen vornehmen werden. Auch die Abschaffung der Abgeltungssteuer wäre für manche Bürger eine Steuererhöhung. Insofern werden wir das in dieser Legislaturperiode nicht beschließen, womit wir Wort halten.
Selbst wenn wir darüber nachdenken, ist es noch eine komplexe Debatte. Herr Heymann, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie das eben in Ihrer Rede erwähnt haben. Der Beschluss, den Sie heute fassen, wird diesen Aussagen aber nicht gerecht. Sie lehnen den FDP-Antrag heute ohne weitere Begründung in Gänze ab. Der FDP-Antrag fordert aber nur: Die Abgeltungssteuer soll erhalten bleiben. - Wenn Sie diesen Antrag ablehnen, beschließen Sie schon heute, dass Sie die Abgeltungssteuer abschaffen wollen. Das aber ist mit uns nicht zu machen.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Renate Geuter [SPD]: Das sieht ja selbst Herr Schäuble anders!)
Wir sollten zunächst einmal abwarten, Frau Geuter, wie der internationale Steuerdatenaustausch funktioniert. Zwar haben 70 Staaten das entsprechende Abkommen ratifiziert. Wir müssen nun aber schauen, ob der Austausch nur auf dem Papier steht oder ob er tatsächlich funktioniert. Wir müssen prüfen und evaluieren, inwiefern wir wichtige Erkenntnisse für die Steuerverfolgung erlan
Fakt ist nach wie vor - und das zu sagen wird immer wieder gern vermieden -, dass Kapital heute viel mobiler ist als Arbeit. Insofern müssen wir vermeiden, dass es durch eine Abschaffung der Abgeltungssteuer zu einer Kapitalflucht aus Deutschland kommt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ein vorschneller Entschluss könnte dramatische Folgen für unseren Standort haben.
Es gibt noch weitere bedenkenswerte Aspekte, die Herr Grascha angesprochen hat. Was ist mit den Sparern? - Selbstverständlich bedeutet das eine Benachteiligung der Sparer. Herr Heymann, ganz ehrlich: 53 000 Euro bedeuten in Deutschland nicht Reichtum. Reichtum ist definiert: 200 % des durchschnittlichen Einkommens. Da sind wir bei 100 000 Euro und mehr. Diejenigen, die hier getroffen werden, sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Das ist die Mittelschicht. Und es sind eben nicht nur die Reichen. Ich bitte, auch dies ernsthaft und ehrlich zu bedenken.
Wenn Sie die Abgeltungssteuer heute einfach abschaffen, dann wird sie höchstwahrscheinlich durch die Einkommensteuer ersetzt. Sie müssen einmal überlegen: Wenn ein Unternehmen auf einen entstandenen Gewinn auf GmbH-Ebene 15 % Gewerbesteuer, 15 % Körperschaftsteuer und maximal 42 % Einkommensteuer bezahlen muss, dann ist das bei weit über 60 % Einkommensteuer. Deshalb haben Sie selbst bemerkt, dass wir dann wahrscheinlich wieder auf Halbeinkünfteverfahren und Teileinkünfteverfahren zurückgreifen müssen. Es ist heute und war auch damals schon klar: Halbeinkünfteverfahren benachteiligen Steuerpflichtige mit einem Steuersatz von unter 40 %, nicht aber solche mit einem Steuersatz von über 40%. Damit wird die Mittelschicht benachteiligt, nicht aber die Reichen.
Das alles sind ungeklärte Fragestellungen. Deshalb ist es einfach zu simpel, heute zu beschließen, die Abgeltungssteuer abschaffen zu wollen. Wir brauchen eine umfassende Steuerreform, die den Nachteilen gerecht wird, die dafür sorgt, dass die Belastungen für den Mittelstand abgepuffert
werden, die Finanzierungsneutralität herstellt und die auch Kapitalflucht vermeidet. Insofern: Die Abgeltungssteuer hat für uns keine Ewigkeitsgarantie. Aber den Schnellschuss, den Sie vorhaben, werden wir heute nicht mitmachen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe FDP, mal wieder so einer Ihrer Anträge, die die Welt nicht braucht. Sie wollen ständig, dass sich der Landtag sehr platt zu etwas positioniert, was eher der Debatte von Feuilletons oder Wirtschaftszeitungen entspringt, denn ein Landesthema mit konkretem Anlass ist.
Zum Beispiel am Freitag soll verhindert werden, dass der 500-Euro-Schein abgeschafft wird, und heute ist die Abgeltungssteuer Ziel des freidemokratischen Erhaltungstriebs. Liebe FDP, ist das jetzt eigentlich unreflektierter Konservatismus oder doch klientelistisch orientierte Symbolpolitik? - Egal, bei so etwas machen wir Grüne jedenfalls nicht mit.
Ganz abgesehen davon, dass die Diskussion komplexer ist, als es Ihr schmaler Antrag suggeriert, sollten Sie sich einmal offen gegenüber der sachlichen Kritik an der Abgeltungssteuer zeigen:
Erstens. Die Abgeltungssteuer verstößt gegen die Gleichbehandlung der Einkunftsarten. Die Kapitaleinkommen werden zum Teil einfach niedriger besteuert als Arbeitseinkünfte. Herr Heymann hat das schon ausgeführt.
Zweitens. Die Abgeltungssteuer verstößt auch gegen das in Deutschland geltende Leistungsfähigkeitsprinzip. Wer mehr leisten kann, soll auch mehr Steuern zahlen. Die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % ist mit diesem Prinzip nicht zu vereinbaren; denn Kapitalerträge konzentrieren sich sehr stark beim wohlhabenden Teil der Bevölkerung. Auch das sollten Sie wahrnehmen. Eine niedrigere Besteuerung von Kapitalerträgen durch
die Abgeltungssteuer entlastet deshalb überproportional Personen mit sehr hohen Einkommen. Auch das geht nicht.
Drittens. Mit der Einführung eines automatischen Austauschs von Konteninformationen - auch darauf ist schon hingewiesen worden - fehlt es an einer ausreichenden Begründung für die Abgeltungssteuer. Denn sie war eine Konzession an den internationalen Steuerwettbewerb. Durch Senkung der Steuer auf 25 % wollte die damalige Bundesregierung die Kapitalflucht eindämmen und die Bereitschaft der Kapitalanleger erhöhen, Erträge in Deutschland zu versteuern. Es ist allerdings auch schon empirisch zweifelhaft, dass dieser Effekt überhaupt eingetreten ist. Dies ist auch nicht verwunderlich; denn ein abgeltender Steuersatz von 25 % liegt immer noch deutlich über den Steuersätzen in Steuerfluchtländern.
Hinzu kommt: Die internationale Kooperation zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung hat immense Fortschritte gemacht. Wer heute sein Geld vor der Steuer verstecken will, läuft Gefahr, entdeckt zu werden, und das ist gut so.
Herr Heymann hat auf das Gesetz zum automatischen Informationsaustausch hingewiesen. Es wurde einstimmig verabschiedet. Somit erhalten die deutschen Finanzbehörden automatisch Informationen über ausländische Konten von in Deutschland ansässigen und steuerpflichtigen Personen. Eine effektive Besteuerung von Kapitalerträgen im Ausland ist somit auch ohne Abgeltungssteuer möglich. Das Steuerfluchtthema reicht daher als Begründung für eine Abgeltungssteuer nicht aus.
Einen Moment, bitte! - Herr Kollege Tanke, es tut uns allen leid, dass wir Ihrer Diskussion nicht folgen können, obwohl Sie sie sehr lautstark geführt haben.
Sie, liebe FDP, wollen trotz all dem, dass Kapitaleinkünfte weiter auf zweifelhafte Weise steuerlich abgegolten werden, anstatt sie fair zu besteuern, und die CDU will die Abgeltungssteuer beibehalten, weil die Abschaffung offensichtlich eine Steu
Ich finde beide Begründungen absolut schwach. Wir stehen hingegen für ein gerechtes Steuersystem, bei dem die Kapitaleinkünfte weitgehend natürlich der Einkommensteuer unterliegen würden. Über Details müsst man sich dann austauschen. Aber das wäre auf jeden Fall gerechter und würde dann die Einkünfte nach Leistungsfähigkeit des Sparers besteuern.