- dass es wieder zu einer Fragestunde an den Abgeordneten kommt. Deshalb will ich heute darauf verzichten.
(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Aber die Letzte war gut! - Christian Dürr [FDP]: Die Letzte war erkenntnisreich!)
- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke dabei auch an Ihre Gesundheit, dass Sie also nicht bei Glatteis nach Hause fahren müssen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, man muss sich der eigentlichen Fragestellung widmen. Es wird beklagt, dass Flüchtlinge nicht erkennungsdienstlich erfasst worden sind. Ich finde, das ist schon ein Problem. Es wird beklagt, dass zwar die ISIS-Erfassung funktioniert, dass es aber nach wie vor mindestens ein halbes Jahr, wenn nicht länger dauert, bis die erkennungsdienstliche Erfassung, die für den Asylantrag gebraucht wird, erfolgt ist. Ich finde, das ist eine Forderung, der wir in diesem Landtag gemeinsam Ausdruck verleihen könnten, indem wir fordern, dass das Bundesamt seine Anstrengungen genau an dieser Stelle beschleunigt und dazu unter Umständen die Amtshilfe der Kommunen oder der Betreiber von Aufnahmeeinrichtungen in Anspruch nimmt, damit künftig schneller erkennungsdienstlich erfasst wird. Denn das ist die Voraussetzung dafür, zu verhindern, dass Mehrfachanträge gestellt werden, und, und, und.
Ich denke, das wäre ganz wichtig, um diese Aufgabe zu erfüllen. Es wäre gut, wenn wir am Ende diesen verunglückten Entschließungsantrag so umwandeln könnten, dass sich diese Forderung in ihm wiederfindet.
Es gibt noch eine weitere spannende Frage. Wie verhalten wir uns dann, wenn wir wirklich diese hohe Zahl von Anerkennungen, die jetzt vorhergesagt wird, bekommen, weil erkennbar ist, dass es Bürgerkriegsflüchtlinge und Menschen sind, die einen Anspruch auf Asyl haben? - Wir werden dann darüber reden müssen, wie wir uns in der Frage der Wohnsituation verhalten. Es ist sicherlich ein legitimes Mittel, darüber nachzudenken, wie man die Wohnunterbringung vernünftig organisieren kann. Dafür muss man aber bestimmte Voraussetzungen haben. Man muss gucken, wo Arbeit zu finden ist und wo die Situation so beschaffen ist, dass die Menschen gut integriert werden. Diese Leistungen aber können nicht nur die großen Zentren erbringen, sondern müssen im Land
insgesamt erbracht werden. Deshalb muss unter Umständen überlegt werden, wie in diesem Sinne gehandelt werden kann.
Das Beste, was wir tun könnten, wäre, in den Kommunen schon während des Verfahrens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylbewerber anerkannt wird, zu überlegen, wie Anreize geschaffen werden können.
Wir stehen aber noch vor der Frage, wie wir mit der Aufgabe der Integration fertigwerden können. Im Moment bewältigen wir nur die täglichen Ankünfte. Deshalb sage ich Ihnen: Ihr Antrag dient im Prinzip nur dazu, von der Verantwortung, die Sie auf Bundesebene haben, abzulenken, und er ist auch nicht dienlich.
Ich bin gespannt, wie die Ausschussberatung dazu verläuft. Bei der Frage der Möglichkeiten für Asylbewerber im Bewerbungsverfahren haben wir im Moment keinen Handlungsbedarf. Wenn sie im Asylverfahren anerkannt worden sind, kann man darüber nachdenken. Das aber schließt eine Frage gänzlich aus. Wie es einmal war, wird es nicht wieder sein können. Das ist ausgeurteilt. Es kann nicht sein, dass es nach der Sozialverteilung, also den Leistungsbeziehern, geht. Es kann aber durchaus eine interessante Überlegung sein, dass man eine Mischung aus solchen Auflagen und einem Anreizverfahren schafft,
weil es - auch wenn jetzt Wohnraum geschaffen wird - ein Stück Verlässlichkeit gibt, da dieser Wohnraum in der Fläche noch benötigt wird.
Ich glaube, wir werden, wenn wir in dieser Situation sind, hierfür noch Lösungen finden. Wenn wir darüber diskutieren, werden wir das auch nach vorn entwickeln können. Aber das A und O sind die schnelle Erfassung und die schnelle Bearbeitung von Anträgen. Wenn wir das nicht in den Griff kriegen, brauchen wir uns über das andere nicht unterhalten. Wir stehen nach wie vor vor einer großen Welle von Fällen. Es wäre zielführend, wenn wir uns auf die wirklichen Probleme konzentrieren würden.
Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Auf Sie gibt es eine Kurzintervention des Kollegen Thiele, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Thiele!
Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Watermann, zum einen glaube ich, dass Ihr Mantra, dass alles Elend dieser Welt am Ende am BAMF hängt, langsam nicht mehr verfängt, weil völlig klar ist, dass ein wesentlicher Teil des Versagens der letzten Monate insbesondere die fehlenden Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind und Sie den Kommunen das vor die Füße gelegt haben, was Sie gemeinsam mit Ihrer Landesregierung als Land selbst nicht mehr hinbekommen haben. Das ist völlig offensichtlich.
Sie haben gerade in Verteidigung Ihres Ministerpräsidenten und seiner öffentlichen Äußerungen erklärt, der Ministerpräsident habe das getan, was jeder tun kann, und dass man, wenn man Flüchtlingszahlen der letzten Tage hochrechnet, auf 2 Millionen kommt, und Sie haben sich das sogar zu eigen gemacht.
Es ist aber ein Unterschied, ob das eine Privatperson, ein Ministerpräsident oder eine regierungstragende Fraktion tut. Wenn Sie sich das zu eigen machen, dann hat das eine Konsequenz: Sie regieren hier.
Das bedeutet im Klartext: Wenn Sie davon ausgehen, dass es in diesem Jahr nicht 1 Million, sondern 2 Millionen Flüchtlinge sein werden, dann müssen Sie im Interesse des Landes und der Menschen in diesem Land und im Interesse der Flüchtlinge Vorsorge treffen. Das bedeutet, Sie müssen jetzt einen Nachtragshaushalt konzipieren. Sie müssen jetzt für jedes einzelne Ressort durchdeklinieren, was es bedeutet, wenn der Ministerpräsident sagt, dass wir uns in diesem Jahr auf 2 Millionen in diesem Jahr einstellen müssen. Wenn Sie das nicht tun, handeln Sie verantwortungslos oder unglaubwürdig, weil Sie selber nicht glauben, was Ihr Ministerpräsident gesagt hat.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf also jetzt feststellen, dass es ein Mantra ist, wenn man fordert, dass die Asylanträge schnell und zügig bearbeitet werden und dass schnell und vernünftig gleich am Anfang erkennungsdienstlich erfasst wird, und dass das eine Forderung ist, die man nicht mehr stellen darf. Ich finde, das ist abenteuerlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn diese Zahlen so bleiben und wenn die Maßnahmen, über die wir die ganze Zeit reden - z. B. die Frage der Unterstützung in den Ländern oder die Frage, dass wir zu Kontingenten kommen -, nicht greifen, dann muss damit anständig umgegangen werden. Aber wenn man parallel dazu die Antragsbearbeitung nach wie vor nicht in Gang kriegt, dann ist auch das mantraartige Fordern von Abschiebungen wirkungslos. Sie sollten sich zu Ihrer Verantwortung bekennen und nicht ständig nur ablenken.
Vielen Dank, Herr Watermann. - Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Rundt das Wort. Bitte!
(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Recht hat er trotzdem! - Jens Nacke [CDU]: Das ist ein zulässiger Zwischenruf! Dass sich der Ministerpräsident an ei- ner solchen Stelle nicht zu Wort mel- det, ist inakzeptabel! - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also: Ich rede jetzt zum aufgerufenen Tagesordnungspunkt. Lassen Sie mich deshalb einiges ausführen, damit klar wird, worüber wir bei dem Thema Residenzpflicht überhaupt reden und worüber nicht.
Eine Residenzpflicht im rechtlichen Sinne - das ist gesagt worden - gibt es nämlich nicht. Das Asyl- und Aufenthaltsrecht unterscheidet zwischen erstens der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts und zweitens der Verpflichtung, seinen Wohnsitz in einem bestimmten örtlichen Bereich zu nehmen, also der sogenannten Wohnsitzauflage.
Zum ersten Punkt: Die räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbietet es Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, einen bestimmten räumlichen Bereich, wie eine Stadt, einen Landkreis, ein Bundesland, auch nur vorübergehend zu verlassen. Eine Zuwiderhandlung stellt eine Ordnungswidrigkeit, im Wiederholungsfall sogar eine Straftat dar.
Die Koalition hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung dafür ausgesprochen, sich auf Bundesebene für die Aufhebung dieser Regelung einzusetzen. Dabei sind wir mit dem bundesweiten Asylkompromiss von 2014 ein großes Stück vorangekommen. Mit dem sogenannten Rechtstellungsverbesserungsgesetz wurde die räumliche Aufenthaltsbeschränkung nach dreimonatigem Aufenthalt faktisch weitestgehend abgeschafft. Das war schon damals und ist nach wie vor eine wichtige Forderung der Landesregierung, und dazu stehen wir auch noch heute.
Der zweite Punkt, also die Wohnsitzauflage, ist davon zu unterscheiden. Danach sind Asylsuchende verpflichtet, ihren Wohnsitz nach Entlassung aus der Erstaufnahmeeinrichtung in der ihnen zugewiesenen Kommune zu nehmen. Nach geltendem Recht unterliegen Asylsuchende dieser Wohnsitzverpflichtung, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen.
Grundsätzlich kann es auch sinnvoll sein, Flüchtlingen nicht nur während ihres Asylverfahrens, sondern auch nach dessen erfolgreichem Abschluss Vorgaben hinsichtlich ihres Wohnortes zu machen. Der Grund dafür könnte vor allem auch die folgende, vom Ministerpräsidenten deutlich angesprochene Problematik sein:
Ballungsräume haben für viele Flüchtlinge erkennbar eine hohe Attraktivität. Diese Ballungsräume weisen aber heute schon in vielen Fällen einen angespannten Wohnungsmarkt auf. Auch die Aufnahmesysteme stehen dort erkennbar unter besonderem Druck. Zumindest sollte es hier nicht schon im Vorfeld irgendwelche Tabus für die Diskussionen geben; denn die Entwicklung ist eben noch unüberschaubar.
Die Diskussion über die konkrete Ausgestaltung einer möglichen Wohnsitzauflage steht - innerhalb der Landesregierung jedenfalls - noch am Anfang. Die Landesregierung ist wie immer selbstverständlich bereit, ihre Position zu gegebener Zeit auch dem Landtag darzulegen. Im Übrigen hat auch die Bundesregierung angekündigt, sich mit dem Thema „Wohnsitzzuweisung für anerkannte Flüchtlinge“ näher zu befassen. Auch diese Entwicklung sollten wir bei der weiteren Diskussion berücksichtigen.
Lassen Sie mich abschließend auf die Forderung der CDU eingehen, die Landesregierung möge sicherstellen, dass Asylbegehrende die Aufnahmeeinrichtungen nicht verlassen und andernorts Asyl beantragen. Ich kann und mag mir nicht vorstellen, wie wir Menschen, die keinen Hausarrest haben, wirksam daran hindern wollen, sich einmal außerhalb der Einrichtung zu bewegen.