Protocol of the Session on November 13, 2015

Ich glaube nicht, dass das so geht. Das geht deswegen nicht, weil Sie sich der Realität, die die Kommunen derzeit erleben, nicht verweigern dürfen, sondern trotz weltbildlich anderer Voraussetzungen endlich einmal zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Situation angespannt ist. Deswegen: Ändern Sie endlich Ihren Kurs in dieser verfehlten Politik, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Entscheidend ist - wir haben das heute Morgen bei der kurzen Unterrichtung durch den Innenminister wieder gehört -, dass auch die Abgeordneten dieses Hauses nicht nur regelmäßig und ausführlich über die relevanten Zahlen hinsichtlich der Asylbewerber, die hier sind, unterrichtet werden - wer ist registriert, wer ist nicht registriert? -, sondern auch über die Lage insgesamt. Denn die Lageberichte bekommen wir eben nicht, Herr Minister.

Deswegen ist es schwierig, ein genaues Bild von dem zu haben, was Sie hier gerade zum Camp Fallingbostel vorgetragen haben. Sie haben es aber in der Hand, das zu ändern.

In diese Richtung geht unser Antrag. Nur mit Transparenz und Überblick wird es gelingen, dass alle Ebenen - von der Kommune über das Land bis zum Bund - genau wissen, was zu tun ist, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Deswegen: Geben Sie sich einen Ruck! Geben Sie diese Daten heraus! Unterrichten Sie den Niedersächsischen Landtag regelmäßig, nicht monatlich, sondern wöchentlich, damit wir auch hier eine gemeinsame Basis haben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist auch deshalb entscheidend, weil die Kolleginnen und Kollegen häufig vor Ort gefragt werden. Und Sie wissen selbst: Für einen Politiker ist nichts schwieriger, als keine richtige Antwort geben zu können, sondern um ein Thema herumreden zu müssen.

Herr Innenminister, Sie haben gesagt, dass die Aufnahmemöglichkeiten endlich sind. Aber das bedeutet doch, dass abgelehnte Asylbewerber konsequent zurückgeführt werden müssen. Das ist auch keine Bösartigkeit, wie es der Union immer unterstellt wird, sondern das ist im Sinne einer wirkungsvollen Unterstützung Hilfesuchender notwendig. Abgelehnte Asylbewerber zurückzuführen heißt, das geltende Recht in Deutschland umzusetzen. Und wenn man geltendes Recht zur Anwendung bringen will, dann ist man noch lange kein Rechtsradikaler oder Ähnliches, sondern dann achtet man darauf, dass die Ordnung in diesem Lande aufrechterhalten bleibt. Das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren, darauf haben die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einen Anspruch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen zum Schluss: Die Zeit ideologischer Träumereien ist vorbei. Je eher Sie sich der Wirklichkeit stellen, umso schneller werden wir auch hier im Niedersächsischen Landtag in der Flüchtlingsfrage zu einem parteiübergreifenden Konsens kommen. Sie müssen sich nur von Ihren zum Teil weltfremden Ideologien verabschieden, dann werden wir diesen Weg gemeinsam gehen können.

Damit wiederhole ich zum dritten Mal unser Angebot, in dieser Frage gemeinsam vorzugehen. Wenn Sie auf uns zukommen, werden wir mit Ihnen ordentlich darüber sprechen. Nutzen Sie

diese Gelegenheit! Sie haben im Moment nicht einmal Ihre Einstimmenmehrheit. Deswegen verbaseln Sie diese Chance nicht!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Für die SPDFraktion hat nun das Wort Herr Kollege Lynack. Bitte!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Nicht Herr Watermann?)

- Das bedarf nicht Ihrer Kommentierung, Herr Hilbers!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das weiß ich! Trotzdem habe ich es gemacht!)

- Ich darf Sie um Ruhe bitten! - Bitte, Herr Lynack!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Thümler, machen Sie sich um unsere Einstimmenmehrheit mal keine Sorge. Dass sie stehen könnte, scheint für Sie ja ein echter Albtraum zu sein.

(Björn Thümler [CDU]: Sie haben kei- ne! Das ist das Problem!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich habe mich, als ich die Anträge und den Änderungsantrag gelesen habe, gefragt, ob sie nach dem 5. November - Sie sind auf die Ergebnisse des Koalitionsgipfels ja eingegangen, Herr Thümler - noch ernstgemeint sind oder ob Sie nur darauf warten, dass die Kanzlerin auch Ihnen ihr uneingeschränktes Vertrauen ausspricht. Wenn nicht, dann könnte das aber schon bald der Fall sein; denn die Anträge sind auf dem besten Wege, in der Gemengelage zwischen Innenministerium und Kanzleramt auf Bundesebene einen prominenten Platz zu belegen.

Wer dachte, dass nach dem Treffen der Koalitionäre vom 5. November Einigkeit in der Flüchtlingsfrage besteht, wurde schon tags darauf bitter enttäuscht. Der Bundesinnenminister, der noch vor rund einem Jahr den Schutz für syrische Flüchtlinge großzügig erweitern wollte, hat seine Meinung mal wieder über Nacht geändert.

(Widerspruch bei der CDU)

Aber eigentlich ist das ja auch nichts Neues. Wir mussten hier schon im letzten Monat erleben, wie schnell Herr de Maiziere seine Meinung ändern kann.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Ach ja, und die Dublin-Verordnung hat er auch wieder in Kraft gesetzt - und das ohne Kenntnis der Kanzlerin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Egal. Der Minister hat das uneingeschränkte Vertrauen der Kanzlerin, die ihr „Wir schaffen das!“ jedenfalls noch nicht zurückgenommen hat. Donnerwetter! Das nenne ich mal eine freie Interpretation der Richtlinienkompetenz à la CDU.

(Beifall bei der SPD)

Aber wie dem auch sei: Parallelen zu den Anträgen der Union sind eindeutig gegeben. Erst letzte Woche haben wir die Spitzen Ihrer Partei endlich davon überzeugen können, auf Transitzonen zu verzichten - und schon heute müssen wir hier im Niedersächsischen Landtag doch wieder über Dinge debattieren, die Sie, in abgemilderter Form, als Erfolg verkaufen wollen. Aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Ist die niedersächsische CDU jetzt eigentlich das gallische Dorf der Union, oder haben Sie in der internen Kommunikation schlichtweg noch Luft nach oben, wie es Ihr Innenminister beschrieben hat? - Die Anträge wirken auf mich jedenfalls wie der erneute hilflose Versuch, irgendwo zwischen Herrn Seehofer, Frau Petry, Herrn Höcke und der Kanzlerin endlich den eigenen roten Faden wiederzufinden.

Schade. Ich hatte gehofft, dass es den meisten von Ihnen tatsächlich um eine sachliche Auseinandersetzung geht. Aber das scheint, wie der gestrige Tag gezeigt hat, dann leider doch nicht der Fall zu sein.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Ja!)

Und wenn Sie hier jetzt auch noch fordern, dass die Landesregierung regelmäßig unterrichten soll, kann ich nur sagen: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung stellt seit eh und je regelmäßig Zahlen, Daten und Fakten rund um das Thema Asyl und Flüchtlinge zur Verfügung. Der Innenminister hat das heute Morgen übrigens auch noch einmal gesagt. Und auch die Anfragen der Opposition in den Fachausschüssen werden regelmäßig in epischer Breite beantwortet.

Dieses Anliegen in Antragsform mit zwei Beratungen hier ins Plenum und anschließend auch noch in die Beratungen in den Fachausschüssen zu schicken, heißt, gelinde gesagt, doch ein bisschen viel Zeit dafür aufzuwenden - Zeit, die wir für andere Dinge besser nutzen könnten. Aber das sei jedem unbenommen. Die meisten Forderungen haben sich durch den Kompromiss der Koalitionäre vom 5. November sowieso überholt. Ich habe deshalb die Hoffnung, dass wir bei den Antragsberatungen wieder etwas Zeit gutmachen können.

Die Einführung besonderer Aufnahmeeinrichtungen in Anlehnung an das Flughafenverfahren haben die Berliner Koalitionäre bereits vereinbart, und das soll auch umgesetzt werden. Das hat der Innenminister hier vor dem Plenum erklärt. Einheitliche Flüchtlingsausweise und Datenerfassungen sind bereits auf Bundesebene vereinbart, ebenso wie die Residenzpflicht, veränderte Rahmenbedingungen für die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und die Rückführung abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

Genauer erklären müssen Sie mir jetzt aber noch, wie eine Strafverfolgung wegen illegalen Grenzübertritts aussehen soll, solange Frau Merkel weiterhin dazu steht - was sie hoffentlich tut -, unsere Grenzen für Flüchtlinge nicht zu schließen. Aber bitte: Die Ausschussberatungen bieten dafür sicherlich noch ausreichend Gelegenheit.

Meine Damen, meine Herren, für die gesamte öffentliche Debatte wäre es hilfreich, wenn der Verweise auf sichere Herkunftsstaaten als Allheilmittel zur Lösung der Flüchtlingsproblematik etwas weniger inflationär eingesetzt werden könnte. Sie wissen genauso gut wie wir, dass diese Gruppe lediglich einen Bruchteil der aktuellen Zahlen ausmacht.

Wiederholen Sie lieber, wie wichtig es ist, die Kapazitäten des BAMF zu erhöhen! Denn nur wenn diese Behörde endlich rundläuft, wird sich auch die Lage vor Ort in den Kommunen entspannen, meine Damen und Herren. Herr de Maizière sollte seine Energie lieber dafür einsetzen, anstatt für die eigenen Wünsche ständig die Berliner Koalition zu strapazieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein guter Ansatz ist Ihre Forderung zur schnellen Nachregistrierung. Ich bin da ganz bei Ihnen, dass hier jede Hilfe willkommen und notwendig ist. Das Innenministerium hat den Kommunen bereits vor Wochen angeboten, die Notunterkünfte vor Ort selbst zu betreiben und bei der Registrierung mit zu unterstützen. Trotz der zugesagten vollen Kostenerstattung wurde von den Kommunen hiervon bisher leider nur wenig Gebrauch gemacht. Ich denke aber, wir alle können bei unseren Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen dafür werben, hiervon doch stärkeren Gebrauch zu machen. Der Hamelner Landrat Tjark Bartels hat, wie ich finde, in vorbildlicher Weise gezeigt, wie gut es funktionieren kann, wenn alle staatlichen Ebenen ihre Kräfte bündeln.

(Björn Thümler [CDU]: Er hat bis heute keinen Vertrag! - Weitere Zurufe von der CDU - Glocke der Präsidentin)

Apropos Kräfte bündeln: Im Hamelner Kreistag ist es übrigens so, dass alle politischen Kräfte an einem Strang ziehen. Daran sollten Sie sich mal ein Beispiel nehmen, meine Damen und Herren.

Ich kann nicht auf alle Punkte Ihrer Anträge eingehen. Deswegen beschränke ich mich zum Schluss auf einen Satz aus der Begründung in der Drucksache 17/4517: „Weiterhin ist sie“ - also die Landesregierung - „aufgefordert, das geltende Recht anzuwenden und durchzusetzen“. - Meine Damen und Herren, ich halte das, gelinde gesagt, für unverschämt. Ist das der plumpe Versuch, zu suggerieren, dass die Landesregierung vorsätzlich gegen geltendes Recht verstößt? - Ich denke, man sollte da doch lieber auf die Bundesebene schauen. Herr Focke hat ja auch schon der Kanzlerin geschrieben, dass er da noch erhebliche Defizite sieht. Ich denke, solche Aussagen sind nicht dazu geeignet, zusätzliche Wählerstimmen zu bekommen. Leider werden davon sicherlich nur andere profitieren.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Anträge machen eines deutlich: Bei der Union sitzt der Stachel noch ziemlich tief, dass sie sich bei der Einrichtung von Transitzonen nicht durchsetzen konnte. Aber vielleicht waren die Rufe aus der gallischen - Entschuldigung: aus der niedersächsischen - CDU ja auch noch nicht laut genug, dass Ihnen die Kanzlerin ihr uneingeschränktes Vertrauen ausspricht. Aber seien Sie bitte nicht zu

enttäuscht: Am fehlenden Populismus kann das nicht gelegen haben.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lynack. - Wir fahren in der Beratung fort. Nun hat das Wort für die FDP Herr Kollege Dr. Birkner. Bitte! - Alle anderen darf ich noch einmal um Aufmerksamkeit bitten!