Protocol of the Session on September 10, 2015

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Schremmer möchte auf die Kurzintervention antworten. Jetzt haben Sie mehr Sekunden als bei der ursprünglichen Redezeit, nämlich 90 Sekunden. Bitte, Herr Kollege!

Das Thema ist in der Tat sehr ernst, Herr Kollege Hilbers. Ich habe mich ja gar nicht auf Sie bezogen. Ich habe mich erstens auf den Antrag bezogen, über den Sie eingangs Ihrer Rede gesagt haben: die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge sicherstellen. Dem könnte ich ja noch folgen. Aber die Überschrift des Antrages lautet: „Übertragung ansteckender Krankheiten verhindern“.

(Jens Nacke [CDU]: Auch auf Flücht- linge!)

Darauf haben Sie eingangs Ihrer Rede überhaupt nicht Bezug genommen.

Der Kollege Thiele hat offensichtlich gestern - ich war nicht dabei - im Landkreis Schaumburg nach dem Bericht in der Zeitung, die auch Herr Thümler immer gerne zitiert, über genau dieses Problem geredet. Ich habe lediglich das gemacht, was in diesem Hause guter Brauch ist: Ich habe den

Kommentator dieser Situation zitiert. - Er hat genau das gesagt, was ich hier wiedergegeben habe. Darüber regen Sie sich jetzt auf. Dann unterhalten Sie sich mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber, was Sie mit Ihren Anträgen und mit den Wortbeiträgen, die Sie hier liefern, tatsächlich auslösen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube Herrn Berger, wenn er mahnt, hier keine Ängste zu schüren. Das tun Sie mit solchen Anträgen nach meiner festen Überzeugung. Deswegen finde ich diese Anträge nicht in Ordnung.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung der SPD)

Das waren die Kurzinterventionen. Die Redezeiten wurden eingehalten.

In der Debatte geht es jetzt mit der Kollegin Hillgriet Eilers von der FDP-Fraktion weiter. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, dieses Thema eignet sich nun gerade nicht für erhobene Zeigefinger und auch nicht für Theaterdonner. Ich bedaure, dass an dieser Stelle diese Stimmung aufgekommen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Lassen Sie mal Herrn Hilbers in Ruhe! Der hat es schwer genug!)

Ich will an dieser Stelle auf eine Situationsbeschreibung verzichten. Denn es ist am Ende des Tages wirklich klar geworden, dass wir alle wissen, worum es geht und was gefordert ist.

Wenn wir uns prüfen, dann ist auch klar, dass niemand von uns diese aktuelle Misere und das, was daraus entstehen könnte, wirklich verantworten kann. Deswegen - das will ich noch einmal betonen - brauchen wir ein landesweites Konzept, mit dessen Umsetzung unverzüglich begonnen werden muss. Dabei geht es nicht nur um die Betroffenen in den Einrichtungen - die Flüchtlinge, aber auch die Bediensteten und Helfer, die dort beschäftigt sind -, sondern um alle Menschen in Niedersachsen.

Die Umsetzung eines klaren Konzeptes, Herr Hilbers, verhindert nämlich, dass zunehmend Ängste geschürt werden. Dem müssen wir auch mit hand

festen Maßnahmen entgegentreten. Deswegen wird die FDP dem Antrag heute gerne zustimmen, wenn heute darüber abgestimmt wird, aber sie möchte ihn auch mit einem kleinen Katalog erweitern:

Erstens. Kommunizieren Sie bitte - das geht an die Landesregierung - das geschlossene Konzept für die Gesundheitsvorsorge, aber auch einen Plan, was im Falle der Ausbreitung einer Krankheit getan werden wird! Ich erinnere an das, was in Berlin mit der Masern-Ansteckung passiert.

Zweitens. Unterrichten Sie auch die Flüchtlinge über das, was gefordert ist, und zwar so, dass sie verstehen können, was an der Sache dran ist!

Drittens. Es ist wichtig, ein Budget für Medikamente einzurichten.

Viertens. Stellen Sie sicher, dass ausreichend Impfstoff vorhanden ist!

Fünftens. Herr Minister Pistorius hat auch gesagt, es gebe keinen einzigen Fall, in dem die Kommune nicht vorab informiert worden ist. Aber dennoch: Dokumentieren Sie die Ergebnisse der Untersuchungen, damit gewährleistet wird, dass die Kommunen früh genug und verlässlich benachrichtigt werden können! Diesen Punkt will ich noch einmal betonen.

Sechstens. Bereiten Sie für die Betroffenen einen Impfpass vor, und setzen Sie sie darüber in Kenntnis, welche Daten in ihren Profilbogen aufgenommen werden!

Siebtens. Unterstützen Sie einen Pool von Medizinern und Fachkräften, die sich um die Versorgung kümmern! Dazu gehört auch die Aktivierung von Ärzten im Ruhestand - das ist angesprochen worden -, aber auch von weiterem Fachpersonal.

Das Ziel des Ganzen ist: Schaffen Sie Klarheit, indem Sie u. a. mit der KZVN und mit der KVN über die Kostenträgerschaft und Leistungsvereinbarungen verhandeln, wie es schon in NRW geschehen ist! Denn die Ehrenamtlichkeit gerät irgendwann auch an ihre Grenzen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Besonders wichtig ist: Richten Sie Ihr besonderes Augenmerk auf Kinder und Jugendliche! Denn diese brauchen besonders schnell eine Untersuchung und eine Immunisierung, bevor sie in die Schulen und in die Kindergärten gehen können.

Deswegen noch einmal: Wir unterstützen die Stoßrichtung des Antrages, arbeiten aber auch im Nachhinein gerne an einer Erweiterung mit und unterstützen sie.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Eilers. - Für die SPDFraktion hat jetzt die Abgeordnete Dr. Thela Wernstedt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der schieren Zahl der Menschen, die in den letzten Wochen nach Deutschland und damit nach Niedersachsen gekommen sind, werden alle freundlichen Konzepte von sofortiger dezentraler Unterbringung Makulatur, obwohl wir damit bestimmte Probleme vermeiden könnten.

Eines der Probleme sprechen Sie in Ihrem Antrag an: Wenn Menschen in großer Zahl auf engem Raum zusammenleben, steigt das Risiko, beim Vorliegen ansteckender Krankheiten viele Menschen zu infizieren. Daher ist es geboten, bei der Ankunft der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht nur zügig eine Registrierung der Ankommenden zu realisieren, sondern auch eine körperliche Untersuchung, eine Blutabnahme für ein Antikörperscreening und eine Röntgenuntersuchung der Lunge. Bekanntlich gibt es nach dem Asylverfahrensgesetz eine Pflicht der Asylbewerber, eine solche Untersuchung zuzulassen.

Im März dieses Jahres gab es - Frau Kollegin Eilers hat darauf hingewiesen - einen begrenzten Masern-Ausbruch in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin, der diese Notwendigkeit noch einmal plastisch gezeigt hat.

In den letzten Wochen zeigten sich auch andere übertragbare Erkrankungen in Flüchtlingsheimen, wie Windpocken und Scabies, zu Deutsch: Krätze. Das klingt schon sprachlich ekelhaft, entsteht bei unhygienischen Lebensverhältnissen und ist einfach heilbar: Man muss es erkennen, Salbe draufschmieren und alles gründlich waschen.

Nach dem Infektionsschutzgesetz sind Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften verpflichtet, eine Bescheinigung vorzulegen, dass sie keine Tuberkulose haben. Richtig gefährlich kann das Einschleppen resistenter Tuberkulosebakterien sein.

In vielen Ländern dieser Erde ist die Tuberkulose endemisch und wird falsch behandelt. Es braucht eine langwierige Dreifach-Antibiotika-Therapie, die oft nur unzureichend, zu kurz oder mit nur zwei Medikamenten durchgeführt wird. Das Ergebnis sind Tuberkuloseerkrankungen mit Bakterienstämmen, die mit gängigen Medikamenten nicht mehr zu behandeln sind und langwierige, sehr schwierige Behandlungen nach sich ziehen, deren Erfolg ungewiss ist.

Voraussetzung für eine Behandlung sind das Erkennen der Erkrankung, das Aufspüren von Menschen, die durch die Begegnung mit Infizierten eine Ansteckungsgefahr haben, und die Prüfung, ob eine Ansteckung vorliegt. So ist es z. B. eine gute Entscheidung gewesen, die Lungenfachärzte aus Lenglern in Friedland für die erste Untersuchung einzusetzen. Es sind ausgewiesene Experten. In Braunschweig wird von Ärzten des Gesundheitsamtes die Erstuntersuchung sichergestellt.

Für die kommenden Erstaufnahmeeinrichtungen müssen kreative lokale Bündnisse geschlossen werden. Es wurde heute schon erwähnt, dass es Verträge mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft gibt, die lokalen Krankenhäuser für Röntgenuntersuchungen einzubeziehen. Das Rote Kreuz ist ebenfalls involviert, Personal und Material bereitzustellen.

Das ist eine Situation, in der wir alle anpacken müssen, in der auch angepackt wird und eingefahrene Denk- und Bewertungsstrukturen infrage gestellt werden müssen. Ich denke, dass es an der Zeit ist, den öffentlichen Gesundheitsdienst wieder stärker mit in die Versorgung solcher Unterkünfte einzubeziehen. Wir tun gut daran, diese Dinge neu zu denken, wenn wir an die Versorgung der Flüchtlinge in den nächsten Monaten gehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt.

Herr Minister Pistorius hatte zu diesem Tagesordnungspunkt eine Wortmeldung abgegeben und lässt Sie durch uns darauf hinweisen, dass er jetzt in der von ihm schon heute Morgen angekündigten Schaltkonferenz der Innenministerkonferenz mit Herrn Innenminister de Maizière ist. Insofern wird

für die Landesregierung in Vertretung Frau Ministerin Rundt reden. Sie haben das Wort. Bitte!

(Jens Nacke [CDU]: Dann kriegen wir die Integrationsministerin heute doch noch einmal zu sehen!)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift mit der Gesundheitsversorgung ein sehr wichtiges Thema auf. Deswegen einige Anmerkungen zur Sachlage.

Das Verfahren, das angewendet wird, läuft seit vielen Jahren nach den gleichen Regeln. Die Landesaufnahmebehörde verfügt über kein eigenes medizinisches Personal, auch nicht über die entsprechend erforderlichen Geräte. Eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung ist dennoch sichergestellt. Sie erfolgt z. B. in Braunschweig über das Gesundheitsamt, in Bramsche und Friedland über die jeweils beauftragten örtlichen Krankenhäuser. Das Sozial- und Gesundheitsministerium hat dazu vorgegeben, welche Untersuchungen verpflichtend sind. Dazu zählen allgemeine körperliche Untersuchungen bei allen Personen, Blutentnahmen und serologische Untersuchungen des Blutes auf Masern-, Röteln- und VarizillaAntikörper bei Personen ab zwölf Jahren. Um eine ansteckungsfähige Lungentuberkulose auszuschließen, erfolgt eine Röntgenuntersuchung bei Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

Bei alledem gilt der Grundsatz, dass Flüchtlinge, die noch nicht gesundheitlich untersucht wurden, auch nicht auf die Kommunen verteilt werden. Von daher geht es bei den Untersuchungen auch und insbesondere um das Infektionsrisiko innerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung.

Richtig ist, dass die zuletzt enorm gestiegenen Zugangszahlen dazu führen, dass auch die gesundheitlichen Untersuchungen nicht mehr so zeitnah wie wünschenswert durchgeführt werden können.