Protocol of the Session on March 19, 2015

antwortet Herr Innenminister Pistorius. Sie haben das Wort, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Flüchtlingsaufnahme ist eine nationale und vor allen Dingen auch gesamtstaatliche Aufgabe. Der Bund und insbesondere die Länder und Kommunen werden weiterhin deutlich steigende Flüchtlingszahlen zu bewältigen haben.

Das BAMF prognostiziert nunmehr einen weiteren Anstieg der Asylbewerberzahlen auf 300 000 bis 350 000 Personen. Auf Niedersachsen würden damit zwischen ca. 28 000 bis knapp 33 000 Personen entfallen. Diese hohe Prognose könnte noch zu tief gegriffen sein. In den ersten beiden Monaten hat Niedersachsen bereits 6 634 Flüchtlinge aufgenommen. Dies auf das Jahr hochgerechnet würde dann sogar eine Zugangszahl im laufenden Jahr von rund 39 000 Personen bedeuten. Ich füge allerdings hinzu, dass die Prognosen für das Jahr 2014 am Ende höher waren als das Ist. Von daher sind Prognosen ein Jahr im Voraus immer mit Vorsicht zu genießen - sowohl nach oben als auch nach unten.

Zur Abgeltung aller Kosten, die den Kommunen durch die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes entstehen, zahlt das Land den Landkreisen, der Region Hannover und den kreisfreien Städten eine jährliche Pauschale. Diese Pauschale beträgt ab Januar 2015 6 195 Euro pro tatsächlicher Leistungsempfängerin und tatsächlichem Leistungsempfänger. Die Kommunen haben die vor Kurzem durch Verordnung vorgenommene Anhebung der Kostenabgeltungspauschale von vorher 5 932 Euro auf die eben genannten 6 195 Euro begrüßt. Aber natürlich reicht es ihnen nicht.

Um den Kommunen in dieser Situation zu helfen, hat die Landesregierung allerdings bereits auf vielen anderen Ebenen erhebliche Anstrengungen unternommen, die ich kurz darstellen will.

So wurden die Kapazitäten der Landesaufnahmebehörden im Vergleich zur Regierungszeit der Vorgängerregierung bis heute nahezu verdoppelt und in Osnabrück bereits ein neuer Standort auf den Weg gebracht.

Zusätzliche Plätze wurden in der Außenstelle Hildesheim und durch die Nutzung mehrerer Hotels in Duderstadt, Groß Denkte und Braunschweig geschaffen.

Außerdem werden durch die Aufstellung größerer Unterkunftscontainer, die früher von der Polizei genutzt worden waren, an den Standorten Bramsche und Braunschweig weitere Kapazitäten eröffnet.

Zudem sind die Vorbereitungen für den Standort in Osterode kurz vor dem Abschluss. Weitere Standorte werden folgen und für mehr Entlastung sorgen.

Die Vorgängerregierung hat hingegen in ihren zehn Jahren die Aufnahmekapazität der Landesaufnahmebehörden beinahe halbiert und ganze Standorte wie Oldenburg geschlossen. Ich wiederhole auch zu gestern noch einmal: Niemand kritisiert die Schließung dieser Einrichtungen. Zu kritisieren ist aber, dass nicht reagiert wurde, als die Zugangszahlen bei den Asylbewerbern allein in den Jahren von 2008 bis 2012 von 2 269 auf 7 422 massiv gestiegen waren. Darauf wurde nicht reagiert. Diese Landesregierung muss diesen Zustand nun mühsam beheben.

Auch finanziell wird die Landesaufnahmebehörde besser ausgestattet. Die Landesregierung wird 2016 - vorbehaltlich der Beschlussfassung über den Haushalt - fast 74 Millionen Euro für den Betrieb der Landesaufnahmebehörden ausgeben - mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2011.

Darüber hinaus wurde die Pauschale, die den Kommunen gezahlt wird, in den letzten zwei Jahren bereits zweimal erhöht. 2016 wird das Land damit insgesamt mehr als 160 Millionen Euro an die Kommunen für die Leistungen nach dem Aufnahmegesetz zahlen. 2011 war es halb so viel.

Diese enormen Anstrengungen des Landes alleine werden jedoch nicht alle Probleme lösen können, wenn nicht seitens des Bundes eine strukturelle Förderung der Länder bei den Kosten für Asylbewerber umgesetzt wird. Außerdem - und das ist der Hauptpunkt der Problemkette - müssen die Verfahren beim BAMF deutlich spürbar und schnellstens beschleunigt werden, meine Damen und Herren.

Im Rahmen der Erörterung von Änderungsmöglichkeiten bei der Kostenabgeltungsstruktur sind von den kommunalen Spitzenverbänden Forderungen für eine Veränderung dieser Struktur vorgetragen und konkretisiert worden. Auf der Basis dieser Forderungen der kommunalen Spitzenverbände wird derzeit im Innenministerium an einem Konzept zur Änderung des Aufnahmegesetzes gearbeitet. Die interne Abstimmung läuft. Zur Be

schleunigung des Verfahrens wurde hierzu für diese Aufgabe das Personal in meinem Hause aufgestockt.

Der Entscheidungsprozess zur endgültigen Ausgestaltung der Kostenabgeltungsstruktur ist jedoch noch nicht abgeschlossen, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Details benannt werden können.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Gespräche haben begonnen. Zwischenergebnisse können im Augenblick nicht bekannt gegeben werden.

(Jens Nacke [CDU]: Warum das denn nicht?)

Zu Frage 2 verweise ich auf meine Vorbemerkung.

Zu Frage 3: Insbesondere bei den Zahlen der Flüchtlinge aus dem Kosovo war in den letzten Monaten ein extremer Anstieg zu verzeichnen. Daher hat das Bundesinnenministerium in einer von mir beantragten Telefonschaltkonferenz der Innenminister am 13. Februar die Zusage gegeben,

(Björn Thümler [CDU]: Daran durften Sie nicht teilnehmen?)

vonseiten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über die von kosovarischen Asylsuchenden gestellten Anträge innerhalb von zwei Wochen zu entscheiden. Dieses beschleunigte Verfahren gilt für alle Antragsteller aus dem Kosovo, die sich ab dem 18. Februar 2015 in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer BadenWürttemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gemeldet haben. Während der zweiwöchigen Verfahrensdauer beim BAMF verbleiben die Antragsteller in jedem Fall in der Erstaufnahmeeinrichtung.

Ziel der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ist es darüber hinaus, die Betroffenen nach Eintritt der Ausreisepflicht bis zum Vollzug der Aufenthaltsbeendigung in der Einrichtung zu belassen. Auch hierfür werden natürlich zusätzliche Kapazitäten benötigt.

Hinsichtlich der weiteren Asylsuchenden aus den Balkanstaaten gilt dieses allerdings ausdrücklich nicht. Hier gilt nur die allgemeine Zusicherung, dass der Ausbau der Kapazitäten letztlich zu einer längeren Verweildauer in der Erstaufnahmeeinrichtung und damit zu einer Entlastung der Kommunen

führen soll, weil die Vorlaufzeiten vor der Zuweisung der Flüchtlinge länger werden.

Dies hängt jedoch im Wesentlichen auch wiederum von der Entwicklung der Zugangszahlen insgesamt in den nächsten Wochen und Monaten ab, der Verfügung über weitere Unterbringungsplätze und - ich wiederhole es - von der Dauer der Verfahren und vor allen Dingen der administrativen Abwicklung, bis Flüchtlinge einen Asylantrag bei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des BAMF haben stellen können.

Aber eines füge ich hinzu: Selbst wenn wir die Kapazitäten in den Landesaufnahmeeinrichtungen deutlich - sagen wir: mehrfach - erhöhen würden, könnten wir derzeit diese Verweildauer für alle Balkanflüchtlinge in den Aufnahmeeinrichtungen definitiv nicht erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so viel zur Beantwortung der Frage. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Wa- rum können Sie zu Zwischenergeb- nissen nichts sagen?)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen jetzt zu den möglichen Zusatzfragen. Es gibt eine erste Wortmeldung zu einer Zusatzfrage für die FDPFraktion. Herr Abgeordneter Jan-Christoph Oetjen, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die FDP-Fraktion bereits im September 2014 konkrete Vorschläge dazu vorgelegt hat, wie die Kommunen entlastet werden könnten, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die Kommunen insbesondere über die kurzen Vorlaufzeiten bei der Überstellung von Asylbewerbern beschweren, frage ich Sie, welcher Zeitraum in den vergangenen Monaten durchschnittlich zwischen der Ankündigung einer Überstellung eines Asylbewerbers und dessen tatsächlicher Ankunft in der Kommune lag.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Innenminister Pistorius antwortet. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Oetjen, die durchschnittliche Vorlaufzeit beträgt nach wie vor im Idealfall eine Woche. Das gelingt nicht immer, aber eine Woche wird angestrebt. Wir arbeiten daran, diesen Zeitraum durch administrative Maßnahmen und Umstellungen im Verfahren auf zwei Wochen auszudehnen. Das ist gerade in der Erarbeitung. Wenn uns das gelingt, dann werden wir demnächst über zwei Wochen reden.

Vielen Dank. - Die erste Zusatzfrage für die CDUFraktion stellt die Abgeordnete Angelika Jahns. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Pistorius, Sie haben gerade auf das Pilotprojekt der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hingewiesen, das zum Ziel hat, eine kürzere Bearbeitungszeit bei Anträgen von Asylbewerbern aus dem Kosovo zu erreichen. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Können Sie schon Erkenntnisse mit Blick auf Verfahrensverkürzungen für Niedersachsen benennen? Und wenn das nicht der Fall ist: Gibt es in den anderen Bundesländern bereits entsprechende Erfahrungen und konkrete Informationen zu diesem Pilotprojekt?

Danke. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Jahns, zum einen bleibt festzuhalten, dass die Zahl der kosovarischen Asylerstantragsteller seit geraumer Zeit deutlich zurückgegangen ist. Wir können nicht sagen, woran das genau liegt, ob es an dieser Maßnahme oder an der Öffentlichkeitsarbeit vor Ort liegt. Es bleibt erst einmal abzuwarten, ob diese Entwicklung anhält.

Tatsache ist, dass es erste Fälle gibt, in denen über Asylanträge von Kosovaren nach wenigen Tagen - spätestens nach zwei Wochen - entschieden wurde. Es gibt aber auch einige Fälle, in denen das nicht sofort gelungen ist. Es gibt noch keine endgültige Auswertung dieses Pilotprojektes. Darauf warten wir noch. Von daher müsste ich jetzt

im Trüben fischen, was ich, wie Sie wissen, ungerne tue.

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt der Kollege Ansgar-Bernhard Focke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass sie nicht müde wird zu betonen, dass der Bund viel mehr tun müsste und es nicht ausreicht, dass der Bund 750 Stellen geschaffen hat, um die Antragsflut im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schneller abzuarbeiten, was eigentlich sie dafür tut, dass die anschließenden Gerichtsverfahren entsprechend beschleunigt werden. Plant die Landesregierung - oder hat sie es bereits umgesetzt? -, zusätzliche Verwaltungsrichterstellen zu schaffen, um die Flut von Klagen abzuarbeiten?

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Kollege. - Es antwortet Frau Ministerin Niewisch-Lennartz. Bitte, Frau Ministerin!

(Zuruf von Heiner Schönecke [CDU])

- Kollege Schönecke, Sie waren nicht gefragt. Die Ministerin gibt die Antwort.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Aber der Hinweis war gut!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben durchaus Vorsorge getroffen. Wenn es wirklich vermehrt zu Klagen kommt und die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit dem „Ansturm“ nicht mehr zurechtkommt, werden wir im laufenden Jahr durch Zuhilfenahme von Stellen aus anderen Gerichtsbarkeiten diese Flut abarbeiten können, und zwar in den vom Gesetz vorgesehenen Fristen - jedenfalls dann, wenn es sich um Asylanträge handelt, die offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind. In diesen Fällen gibt es gesetzliche Fristen, die von der Verwaltungsgerichtsbarkeit einzuhalten sind. Im Eilverfahren ist das eine Woche, und bei einer Verlängerung sind es zwei Wochen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Das heißt Sozialrichter, oder was?)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Eine weitere Zusatzfrage kommt von der FDP-Fraktion. Herr Kollege Oetjen, Sie haben das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Was heißt denn „von anderen Gerichtsbarkeiten“? - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Herr Nacke! Die Fragen werden doch beantwortet!)