Protocol of the Session on March 18, 2015

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die erbschaftsteuerrechtliche Privilegierung von Unternehmensübertragungen grundsätzlich als in Ordnung eingestuft worden. Es gibt aber einige Kriterien, die nachgebessert werden müssen. Zum Beispiel ist auch in Ordnung, dass kleine und mittlere Unternehmen privilegiert sein können. Die Privilegierung von großen Unternehmensvermögen ohne Durchführung einer Bedürftigkeitsprüfung ist allerdings verfassungswidrig. An dieser Stelle ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, gezielte Kriterien dafür zu finden, wie diese Unternehmen bestimmt und abgegrenzt werden können.

Auch die Lohnsummenregelung ist in Ordnung. Sie ist aber an der Stelle verfassungswidrig, an der kleine Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern grundsätzlich davon ausgenommen werden, weil auf eine so hohe Anzahl abgestellt ist, dass die Ausnahme zum Prinzip wird. Das geht an der Stelle eben nicht. Das muss man in aller Deutlichkeit erkennen und beheben.

Die Behaltefrist bei Betriebsübergängen von fünf bis sieben Jahren - je nach Maß der Privilegierung - ist grundsätzlich in Ordnung. Die Verschonung des Verwaltungsvermögens ist in den Fällen angezweifelt worden, in denen es in den Unternehmen zu hoch ist. Deshalb müssen wir an bestimmten Stellen eine neue Definition finden. Dazu hat der Bundesfinanzminister ein Eckpunktepapier vorgelegt. Das ist heute im Haushaltsausschuss auch vorgetragen worden. Darin wird das begünstigte Vermögen dahin gehend neu definiert, dass man nur noch auf das betriebsnotwendige Vermögen abhebt. Es werden Neuregelungen für das erbschaftsteuerliche Verschonungskonzept getroffen. In diesem Papier ist für die Unternehmen eine Grenze bei 20 Millionen Euro eingezogen worden, ab der eine Bedürftigkeitsprüfung stattzufinden hat. Unterhalb dieser Grenze gelten die bisherigen Verschonungsregelungen. Oberhalb dieser Grenze muss die Bedürftigkeit geprüft werden. Es stellt sich dann die Frage, wie mit dem Privatvermögen verfahren werden soll. Diese Punkte gilt es jetzt zu diskutieren, und diese Fragen sind zu beantworten.

Zu dem FDP-Antrag will ich sagen, dass dort viel Richtiges aufgeführt ist. Die Zielsetzung, Familienunternehmen zu stärken, Unternehmensübergänge zu ermöglich und Unternehmen in Familienhand

zu behalten, teilen wir ausdrücklich. Bei einigen Punkten werden wir im Ausschuss diskutieren müssen, ob sie verfassungskonform sind. Ich habe an bestimmten Stellen leichte Zweifel, ob das der Fall ist. Aber das werden wir dann vernünftig abwägen.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist von unseren Juristen geprüft!)

Ich will hier auch noch etwas zu unserer Positionierung sagen. Ich unterstütze ausdrücklich den minimalinvasiven Eingriff als Messlatte dafür, was passieren soll. Herr Henning, ich bin da schon ein bisschen stutzig geworden. In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass Sie 10 Millionen Euro durch Vermögen- und Erbschaftsteuererhöhung in Deutschland erwirtschaften wollen. Sie wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Wenn das Ihr Ziel ist, müssen wir schon nachdenklich werden. Wenn dieses Ziel, wie heute im Haushaltsausschuss angekündigt worden ist, nicht mehr verfolgt werden soll, ist das umso besser. Wir werden aber deutlich hinschauen, damit die Ausnahmen nicht so gezogen werden, dass man dabei am Ende Kasse macht.

Ich habe große Sympathie dafür, dass die Lohnsummenregelung so erhalten bleibt. Ich wäre dafür, sie nicht an die Zahl von 20 Mitarbeitern, sondern von 7 bis 8 Mitarbeitern zu binden, damit wir eine deutliche Absenkung bekommen. Wir sollten aber nicht einen Unternehmenswert von 1 Million Euro als Grenze nehmen; denn auf einen solchen Wert kommen Sie schon, wenn Sie 80 000 Euro im Jahr verdienen.

Wir müssen bei großen Unternehmen bei der Verschonungsregelung deutlich höhere Grenzen ansetzen als 20 Millionen Euro. Ich wäre dafür, den Vorschlag einer Grenze von 100 Millionen Euro aufzugreifen, damit wir zu ordentlichen Regelungen kommen, ab wann wir die Dinge dort prüfen.

Den Rückgriff auf Privatvermögen, das vorher schon erworben worden ist und das nicht mit vererbt wird, halte ich für gefährlich, weil das an dieser Stelle zu Differenzierungen führt: Jemand, der Vermögen hat, hat dann sein Erbe zu versteuern, während jemand, der kein Vermögen hat, sein Erbe nicht versteuern muss. Das führt möglicherweise dazu, dass Teile des Unternehmens veräußert werden, weil man das Privatvermögen nicht hergeben, nicht opfern will, um Erbschaftsteuer zu bezahlen. Dann kriegen wir genau den Lenkungseffekt, den wir nicht wollen. Ich würde dafür kämpfen, dass wir das verändern. Das muss mit eingearbeitet werden. Wir müssen diese Dinge sorgfältig

abarbeiten, damit wir in diesen Punkten zu Lösungen kommen.

Noch einmal: Unser Ziel muss sein, Familienunternehmen bzw. mittelständische Unternehmen zu schonen. Es kann hier nicht um ideologische Dinge gehen, sondern es muss darum gehen, dass Arbeitsplätze nicht gefährdet werden und dass Betriebe übergehen können. Wir haben jährlich 27 000 Unternehmen, die auf der Liste stehen und übertragen werden. Das darf nicht gefährdet werden. An diesen Unternehmen hängt eine halbe Million Arbeitsplätze. Wir sind hier eine sehr sinnvolle Lösung schuldig; sie muss erarbeitet werden. Wir stehen auf dem Standpunkt: So wenig Änderungen wie möglich - gerade so viel, wie vor dem Hintergrund des Urteils nötig sind -, um daraus einen guten Konsens zu machen, der für die nächsten Jahre verfassungskonform ist.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hilbers. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Heere das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Grüne-Positionierung zur Erbschaftsteuer ist eindeutig. Wir wollen diese Steuer erhalten

(Jörg Bode [FDP]: Und erhöhen!)

und die Ausnahmen im Sinne des Verfassungsgerichtsurteils neu ausgestalten. Das Urteil sagt eindeutig, dass Ausnahmen, von denen über 90 % der Betriebe profitieren, aus Gleichheitsgesichtspunkten so nicht aufrechterhalten werden dürfen.

Wir Grüne wollen daher, dass Ausnahmen zukünftig zielgenau auf diejenigen kleinen Unternehmen - vor allen Dingen Familienunternehmen - ausgerichtet werden, die sonst um ihre Existenz fürchten müssen. Darüber hinaus können wir gerne über Stundungsregelungen sprechen, um Arbeitsplätze und Produktivität zu erhalten; denn das wollen wir ausdrücklich nicht gefährden.

Wenn man alle diese Dinge so umsetzt, wie man sie nach dem Urteil umsetzen muss, erhöhen sich automatisch die Einnahmen, und das ist richtig, weil die Erbschaftsteuer neben der Vermögensteuer, für die wir ebenfalls kämpfen, einen sehr

wichtigen Beitrag gegen die zunehmende Ungleichverteilung von Vermögen leistet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hohe Vermögen müssen zukünftig wieder stärker zur Finanzierung der Staatsaufgaben beitragen. Da es dabei um Ländersteuern geht, reden wir in erster Linie über Mehreinnahmen für Bildung, Betreuung, Forschung, Infrastruktur, Breitband etc. Genau dieses Geld benötigen wir für die Zukunft unseres Landes, und dafür kämpfen wir heute hier auch sehr gerne.

(Jens Nacke [CDU] lacht)

- So lustig ist das übrigens nicht, Herr Nacke.

(Jens Nacke [CDU]: Ich höre schon lange nicht mehr zu!)

Zu genau dieser Position haben wir Grüne im Februar dieses Jahres einen Parteitagsbeschluss gefasst. Die FDP hat das beim letzten Plenum gleich zum Anlass genommen, eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema anzusetzen und diese Positionierung durchweg abzulehnen. Die CDU hat dem inhaltlich zugestimmt.

Dabei spielen Sie alle auch noch ein Stück weit mit gezinkten Karten.

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Sie haben z. B. in der Debatte behauptet, dass Erben von millionenschweren Aktienpaketen doch gar nicht von der Steuer befreit seien. Das ist aber falsch: Wenn jemand ein Aktienpaket von über 25 % vererbt, einzeln oder auch gepoolt z. B. in der Familie, kann dies bislang von der Steuer befreit werden. Aber es kann doch nicht sein, dass Familien wie die Quandts, Piëchs, Albrechts etc. im Erbfall keine Erbschaftsteuer bezahlen müssen, obwohl sie sich diese leicht leisten können. Wir setzen uns dafür ein, dies zu ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Es gibt auch Mittelständler, die Aktien haben!)

Was ist nun in der Zwischenzeit geschehen? CDUBundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat erste Eckpunkte zur Neugestaltung herausgegeben. Und was stellt sich heraus? Diese Eckpunkte liegen in vielen Punkten nahe an der grünen Linie:

(Zurufe von den GRÜNEN: Ah!)

Reduzierung der Ausnahmefälle, Abgrenzung des Verwaltungsvermögens, die Idee, vorheriges Privatvermögen anteilig mit zur Leistungsfähigkeit

hineinzurechnen - dies alles kann man diskutieren, und es freut mich sehr, dass Herr Schäuble offensichtlich die Zielrichtung unseres Parteitagsbeschlusses nachvollzieht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Heere, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele zu?

Nein.

Bitte, dann fahren Sie fort!

Kaum liegen diese Eckpunkte von Bundesfinanzminister Schäuble vor, muss die FDP hier aber natürlich gleich wieder einen Antrag einbringen, um dann im Detail auf diese realistischen Punkte von Schäuble Maximalforderungen draufzusetzen, z. B. nach Hochsetzen der Grenze für die Bedürfnisprüfung auf 100 Millionen Euro.

(Jörg Bode [FDP]: Sonst läuft das in die falsche Richtung!)

Herr Hilbers hat das gerade auch noch für gut befunden.

Wenn Sie in der Mittagspause zugehört hätten - vielleicht war ja auch ein Doppelgänger da -, hätten Sie diesen Punkt gleich wieder zurückziehen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie jetzt auch noch sagen, Sie wollen unbedingt die EU-Definition für KMU anwenden, dann wollen Sie offensichtlich zukünftig nicht nur 90 % der Unternehmen ausnehmen, sondern Sie wollen 98 % ausnehmen; denn das wäre genau der Fall. - Das kann sich Niedersachsen nicht leisten.

Ganz besonders interessiert mich abschließend, wie die CDU sich zu diesen Punkten stellt. Ihre Maximalforderungen kennen wir ja schon. Hier ist die Frage, ob Sie sich auch auf den finanzpolitisch realistischen Weg von Schäuble fokussieren, oder ob Sie sich weiter als Außenseiter an die FDP ketten. Daher freue ich mich ganz besonders auf die Ausschussdiskussion.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Heere. Auf Sie gibt es zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen.

(Gerald Heere [GRÜNE]: Gleich zwei?)

Zunächst Herr Kollege Bode, FDP-Fraktion.