Ich habe mit den kommunalen Spitzenverbänden auch über diese Frage intensiv gesprochen. Wir sind längst in den Verhandlungen über eine Novellierung des Niedersächsischen Aufnahmegesetzes, bei der es um die Fragen geht: Wie weit können wir die Pauschale erhöhen, und wie weit legen wir den seinerzeit auf zwei Jahre zurückgelegten Zeitpunkt - auf Wunsch der Kommunen wohlgemerkt - wieder nach vorn, um näher an den realistischen Zahlen zu sein? - Ich rede mit denen darüber - sehr offen. Wir suchen nach Lösungen. Dafür brauche ich an der Stelle von Ihnen wahrhaftig keine Belehrung.
Meine Damen und Herren, nun lassen Sie mich sehr deutlich festhalten: Woran es überhaupt nicht fehlt, sind Konzepte, sondern es sind Liegenschaften, an denen es fehlt. Wenn Herr Oetjen in seiner Rede dreimal Dannenberg anführt, werden daraus noch nicht drei Angebote.
Es gibt nämlich nur das eine Angebot Dannenberg. Ich kenne keine anderen Angebote. Ich mache mich auf die Suche, mein Haus sucht das Land ab und scannt, wo geeignete Liegenschaften vorhanden sind. Glauben Sie mir, die Absicht, irgendwo eine Erstaufnahmeeinrichtung einzurichten, stößt nicht überall auf eine solche Reaktion wie in Osnabrück. Ich glaube, das muss ich nicht weiter ausführen. Von daher ist das eine sehr ernst zu nehmende Aufgabe, und unsere Debattenkultur wird maßgeblich darüber entscheiden, ob es uns gelingt, die Akzeptanz für eine solche Einrichtung zu bekommen oder nicht, meine Damen und Herren.
Und dann noch etwas - um auch das sehr deutlich zu sagen -: Sie haben das Paket des Bundes erwähnt, zweimal 500 Millionen Euro. Wer liest, wer sinnentnehmend liest, ist klar im Vorteil: Zweimal 500 Millionen Euro heißt, davon einmal 500 Millionen Euro von den Ländern in den nächsten 20 Jahre zu refinanzieren. Also mal ganz Gemach!
Aber eines lassen Sie mich auch klarstellen, weil Sie ja offenbar so superschlau sind: So viel Geld kann ich gar nicht haben, wie ich brauche, um das Problem zu lösen. Das müssten Sie endlich einmal verstehen.
- Nein, nein, ganz im Gegenteil. So viel Geld kann ich in angemessener Zeit gar nicht ausgeben, um das Problem zu lindern, das Sie alle zutreffend beschrieben haben.
Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Herr Focke? - Sie sind ja unheimlich schlagfertig. Aber ab und zu wäre es hilfreich, jemanden einen Satz zu Ende reden zu lassen und nicht hineinzugrätschen, wenn es Ihnen gerade passt. Das würde für einen Dialog, für ein Gespräch ungemein helfen. Aber lassen wir das!
Wir müssen endlich dahin kommen, zu verstehen, dass wir alles tun müssen, um die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen zu vergrößern. Dabei sind wir. Das nützt uns aber nichts, wenn nicht im gleichen Umfang das BAMF seinen Pflichten nachkommt. Denn der Flaschenhals wird immer enger und enger und länger und länger. So lange der Nachzug der Asylbewerber über das BAMF so ins Stocken gerät wie zurzeit, könnten wir in den LABNIs 10 000 Plätze haben, und die würden nicht reichen, meine Damen und Herren. Deswegen müssen wir konzertiert vorgehen. Wir müssen unsere Kapazitäten erhöhen - ja -, wir müssen dem BAMF Beine machen, damit die Kapazitäten schneller abgebaut werden. Denn wenn sich Herr Schmidt hinstellt und sagt, er bearbeite 5 000 Anträge pro Monat - so hat er, glaube ich, neulich erklärt -,
und es gut findet, dann sage ich: Das ist eine tolle Leistung. Das bedeutet im Jahr 60 000 Anträge. Das bedeutet bei einer prognostizierten Asylbewerbererstantragszahl
- „Pro Monat“ hat er gesagt. Aber das können wir ja klären. Selbst pro Woche würde es nicht reichen. Das ist ja das Problem.
Deswegen: Hören Sie doch endlich auf, das Problem auf einer Ebene abzuladen. Wir werden es hier nicht allein lösen. Aber der Bund kann es genauso wenig allein lösen. Deswegen sage ich: Wir suchen die Einrichtungen, wir statten sie aus, und
wir geben das Geld aus. Aber Sie alle als Parlamentarier, die Sie lange dabei sind, wissen doch besser als ich, wie lange es dauert, einen Standort in den Stand zu versetzen, dass man ihn beziehen kann, dass man ihn erwerben kann, dass man Mietverträge unterschreiben kann, dass man außerplanmäßige Mittel bekommen kann. Das alles machen Sie nicht über Nacht. Ich jedenfalls nicht, auch wenn ich gelegentlich nachts nur noch ein paar Stunden schlafe. Aber das ist völlig egal.
Wir brauchen die gemeinsame Anstrengung. Da hilft es nun überhaupt nicht, wenn immer wieder gesagt wird: Wir müssen außerdem - jetzt kommt es doch - alle noch länger in den Einrichtungen belassen. - Dafür bin ich ja zu haben. Aber ich habe ein Gesetz zu beachten, ein Bundesgesetz, das Asylverfahrensgesetz. Für alle, die es nicht kennen: In § 47 steht, dass drei Monate die Grenze sind. Bei allem, was drei Monate überschreitet, ist die Verteilung auf die Kommunen rechtlich geboten.
Jetzt kommt der springende Punkt: Sie sagen ja aber nicht nur, dass die nicht nur drei Wochen da sind. Sie sagen ja, ich soll außerdem noch die Dublin-Flüchtlinge und die Flüchtlinge aus den sicheren Herkunftsstaaten drin lassen.
(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Ja, Sie hätten schon vor einem Jahr ein Konzept auf den Weg bringen müs- sen!)
Moment, Herr Minister! - Herr Kollege Focke, Sie haben im Anschluss noch ausreichend Gelegenheit, hier ebenfalls Stellung zu beziehen. Aber jetzt möchten wir das hier bitte geordnet zu Ende bringen. - Bitte!
Aber dann würden nicht einmal die 10 000 Plätze, von denen ich gerade gesprochen habe, reichen, sondern dann bräuchten wir 20 000, um das aufzufangen. Also hören Sie doch auf, die Realität auszublenden! Das hilft uns überhaupt nicht.
Eine letzte Bemerkung zu den sicheren Herkunftsstaaten, wenn es denn schon mehrmals angesprochen worden ist - ich will es gern noch einmal erklären -: Wir erleben gerade bei den drei, die im Dezember durchgelaufen sind, dass der Effekt wenig nachhaltig ist.
Ich habe gefragt: Was nützt mir denn angesichts der Zugangszahl, die wir gerade aus dem Kosovo haben, ein Bundesgesetz, das frühestens im Sommer in Kraft treten kann? - Dann ist das Kosovo längst menschenleer. Das, was ich brauche, ist eine Maßnahme, wie wir sie jetzt in der Innenministertelefonschaltkonferenz verabredet haben - eine beschleunigte Bearbeitung, Kosovaren in den Aufnahmeeinrichtungen lassen - ja, das ist richtig - und direkt von da wieder zurück.
(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christian Dürr [FDP] - Ansgar- Bernhard Focke [CDU]: Ja, super!)
- Ja, dazu stehe ich auch, weil es der einzig vernünftige Weg ist, deutliche Signale zu setzen. Damit will ich dann schließen.
- Die Grünen haben damit - - - Nur weil Sie das glauben, meine Damen und Herren, sind die Grünen noch keineswegs realitätsfern.
Wenn Sie mit denen sprechen - ich tue das relativ regelmäßig -, dann hören Sie sehr wohl, dass es einen geschärften Blick auf die veränderten Realitäten gibt und dass wir das auch tun werden, meine Damen und Herren.
Aber darf ich zum Schluss einmal etwas feststellen? - Wir reden miteinander. Wenn Sie meine Äußerungen zu dem Thema seit Februar, März, April 2013 nachvollziehen - beim Flüchtlingsrat, Interviews und anderes -, dann wissen Sie, dass ich immer gesagt habe: In Anbetracht der Zahlen von Asylbewerbern, die wir haben, müssen wir unsere Kräfte konzentrieren. Nicht jeder, der hierher kommt - dazu stehe ich; das sage ich auch hier -, ist ein Flüchtling im Sinne des Asylrechts. Er ist ein Flüchtling vor Elend, vor Not, vor Hunger und ich weiß nicht, vor welchen furchtbaren Lebensbedingungen, die wir alle uns kaum vorstellen können. Aber so lange wir es nicht verstehen und
umsetzen, dass wir eine Zuwanderungsregelung brauchen für Menschen, die sich mit ihrer Hände Arbeit hier für ihre Familien eine Existenz aufbauen wollen, gibt es nur zwei legale Wege nach Deutschland: Das ist die Blue Card - die gilt für Menschen, die sich zahlenmäßig im Promillebereich bewegen -, und das ist das Asylrecht. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn unser System daran kollabiert. Also brauchen wir klare Regelungen. Wir brauchen keine Abschottung. Wir brauchen klare Regelungen.
Aber dann sage ich auch an die Adresse der CDU, meine Damen und Herren: Es wird höchste Zeit, dass Sie Ihre Parteifreunde in Berlin auf Kurs bringen, damit wir hier endlich zu vernünftigen Lösungen kommen, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Focke hat für die CDU-Fraktion um zusätzliche Redezeit gebeten. Da der Minister seine Redezeit überschritten hat, haben Sie sechseinhalb Minuten. Bitte!