Protocol of the Session on February 18, 2015

ten Jahr die Hannover Messe besuchte, konnte es spüren: Eine neue industrielle Ära hat sich dort angekündigt. Hochflexible Roboter, die ihre Käfige verlassen haben, leistungsfähige 3-D-Drucker, intelligente Assistenzsysteme, dezentrale Steuerung und weltweiter Datenaustausch in Echtzeit, selbstlernende Maschinen - dies waren die großen Themen, die uns in den Hallen begegneten und eindrucksvoll zeigten: Menschen, Maschinen und Produkte werden in der Arbeitswelt immer stärker miteinander vernetzt.

Das Schlagwort „Industrie 4.0“ soll diese neue Entwicklung beschreiben. Einige sprechen dabei sogar von einer vierten industriellen Revolution nach der Mechanisierung durch die Erfindung der Dampfmaschine, der Massenfertigung durch das Fließband und der Automatisierung.

Nun, was ist so revolutionär an dieser Entwicklung? Was unterscheidet sie von vorangegangenen Technisierungsschüben? - Glaubt man Experten, steht uns ein ähnlich tiefgreifender Wandel unserer Arbeits- und Lebenswelt bevor wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Industrialisierung. Nicht nur die Produktionsabläufe in den Fabriken, sondern die gesamte Unternehmensstruktur, das Verhältnis zu Kunden und Lieferanten, die Rechtsbeziehungen, ganze Wertschöpfungsketten werden sich verändern. Auch unser Alltag wird von den neuen Technologien erfasst werden. Selbstfahrende Autos, helfende Roboter im Haushalt oder in der Pflege, intelligente Assistenzsysteme, virtuelle Realitäten - all dies ist keine Science Fiction, sondern heute schon Wirklichkeit.

Wie bei den vorangegangenen Revolutionen sind auch mit dieser Entwicklung heute Hoffnungen und Befürchtungen gleichermaßen verbunden. So wurde bei der Automatisierung befürchtet, dass mit der Verdrängung menschlicher Arbeit durch Technik viele Arbeitsplätze verloren gehen würden und die Arbeitslosigkeit steigen würde. Doch es gab auch die Hoffnung, den Menschen von stupiden, körperlich belastenden Arbeiten zu befreien. Zugleich bestand die Hoffnung, dass mit den neuen technologischen Möglichkeiten die Produktivität wächst und neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Hoffnungen sich erfüllen werden, hängt auch von der Politik ab. Denn Industrie 4.0 ist weit mehr als ein technisches Thema. Arbeitsanforderungen und Arbeitsbedingungen sind immer auch eine Folge der arbeitsorganisatorischen Ausgestaltung und

Nutzung neuer Technologien und damit der politischen Rahmenbedingungen und auch der Möglichkeiten betrieblicher Mitbestimmung. So sehen Gewerkschaften in der neuen Produktionswelt vor allem Chancen auf höherwertige Arbeitsplätze. Doch dafür müssen die Beschäftigten auch fit gemacht werden. Ziel muss es für uns sein, gute Arbeit auch unter neuen Produktionsbedingungen zu sichern.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für ein Land wie Niedersachsen mit seiner exportorientierten Industrie ist Industrie 4.0 ein Schlüsselthema für die Zukunft. Damit das Land Niedersachsen ein starker Industriestandort bleibt, muss es alles tun, um bei Industrie 4.0 vorne mit dabei zu sein. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Wir haben starke Industriebranchen wie die Automobilindustrie, die Produktions- und Automatisierungstechnik und den Maschinenbau. Wir haben eine gut qualifizierte Facharbeiterschaft. Und wir haben eine gut aufgestellte Hochschul- und Forschungslandschaft.

Der gemeinsame Antrag setzt sich dafür ein, die Chancen und Potenziale von Industrie 4.0 zu nutzen. Er nennt wichtige Handlungsfelder und Herausforderungen - so in der Forschungsförderung, im Wissens- und Technologietransfer, im Ausbau einer flächendeckenden Breitbandinfrastruktur, in der Neuausrichtung der Förderpolitik - und natürlich das große Thema Datensicherheit.

Eine der größten Herausforderungen aber wird die Antwort auf die Frage sein: Wie schaffen wir es, dass kleine und mittelständische Unternehmen - das, Sie wissen es, ist die große Mehrheit der niedersächsischen Unternehmen - sowohl als Anbieter als auch als Anwender von Industrie 4.0 Schritt halten können mit den neuen Entwicklungen? - Noch warten viele kleine und mittelständische Unternehmen ab und lassen das Thema „Industrie 4.0“ auf sich zukommen. Deshalb brauchen die kleinen und mittelständischen Unternehmen Unterstützung. Gute Ansatzpunkte dafür bieten z. B. auch die neue EU-Förderperiode mit ihren Schwerpunkten in der Innovationsförderung, aber auch die Hightech-Strategie und die Digitale Agenda der Bundesregierung. Natürlich ist auch das Land gefordert. Vorschläge dazu haben wir im Antrag genannt.

An Bedeutung dramatisch zunehmen wird das Thema „Fachkräftesicherung“, schon jetzt ein Problem für viele kleine und mittelständische Unternehmen. Es geht dabei nicht nur um den zu deckenden Bedarf an Ingenieuren, Mechatronikern

und Informatikern. Im Zuge von Industrie 4.0 werden ganz neue Qualifikationsanforderungen und neue Berufsbilder entstehen. Der Zerspanungstechniker muss in Zukunft auch wissen, wie der Kunde tickt. Der Maschinenbauer/die Maschinenbauerin muss Prozesssteuerung und Vernetzung beherrschen. Da, wo heute Beschäftigte Marketingkonzepte entwickeln, werden in Zukunft Algorithmen entscheiden. Schon heute müssen wir die Ausbildung dafür fit machen; auch müssen ganz neue Studiengänge entwickelt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist noch Zukunftsmusik. Doch der Weg in eine neue Arbeits- und Lebenswelt hat begonnen. Unsere Aufgabe wird es sein, diesen zu gestalten; für gute Arbeit und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft.

Am Schluss möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen von der CDU bedanken. Auf der Grundlage Ihres Antrages haben wir im Ausschuss eine spannende Anhörung durchführen können. Ich jedenfalls habe dabei eine Menge lernen können.

Danken möchte ich auch Frau König, die wirklich über ihren Schatten gesprungen ist und im Interesse einer gemeinsamen Entschließung diesen Antrag mitgetragen hat. Von dieser Stelle auch meine Genesungswünsche an Frau König.

Mein Dank gilt aber ebenso Wirtschaftsminister Lies, der Industrie 4.0 konsequent in den Mittelpunkt der industriepolitischen Strategie der Landesregierung stellt.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat große Potenziale. Nutzen wir sie zum Wohle des Landes und seiner Menschen!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Andretta. - Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten Axel Miesner für die CDU-Fraktion. Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Industrie 4.0 - ein für Niedersachsen sehr wichtiges Thema? - Mit Industrie 4.0 schaffen und sichern wir qualifizierte Arbeitsplätze. Wir sichern damit die Zukunft unserer Unternehmen und auch den Industriestandort Niedersachsen. Wer nicht

über die Zukunft nachdenkt, wer nicht überlegt, wie sich Technologien weiterentwickeln, und wer nicht den Weg nach vorne geht, um Chancen und Potenziale zu nutzen, der muss sich auch nicht wundern, wenn andere diese Chancen ergreifen.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Industrie 4.0 ist die logische Konsequenz und Fortentwicklung der Industrie 1.0 mit der Dampfmaschine, der Industrie 2.0 mit der Fließbandarbeit - Stichwort „Massenproduktion“ - und der Industrie 3.0 mit der computergesteuerten Produktion - Stichwort „Automatisierung“.

Industrie 4.0 ist gerade auch für kleinere und mittlere Unternehmen eine Chance, sich an der Produktion von individuellen Einzelstücken zu Preisen herkömmlicher Massenware zu beteiligen.

Dass sich Firmen in Niedersachsen bereits mit dem Thema beschäftigen, zeigt ein Bericht im Magazin Wirtschaft Elbe Weser der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum, Ausgabe 1-2/2015, unter der Überschrift „Eine Scherenmanufaktur im Zeitalter von Industrie 4.0?“ Es heißt weiter:

„Seit mehr als 125 Jahren produziert die Scherenmanufaktor Paul in Harsefeld“

- im Landkreis Stade -

„hochwertige Scheren nach den Methoden überlieferter Handwerkskunst. Mittlerweile finden die Produkte aus dem beschaulichen Ort ihren Weg in über 70 Länder der Welt. Entsprechend wächst der Kosten- und Geschwindigkeitsdruck: Wo lassen sich Prozesse automatisieren, ohne dass die Scheren an Qualität verlieren?“

Im Schlussabsatz des Berichts lesen wir:

„Die Scherenmanufaktur Paul hat mit den Ansätzen der Industrie 4.0 die Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil am Standort Deutschland zu sichern.“

Genau darum geht es nämlich. Industrie 4.0 ist gerade für unsere Firmen in Niedersachsen eine große Chance, sich mit „Made in Germany“ im globalen Wettbewerb zu behaupten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hier kann ich nur Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, zitieren, der auf einer Tagung zu Industrie 4.0 sagte: „Wer sich damit nicht beschäftigt, hat schon verloren.“ Dies gilt übrigens auch für alle anderen Verbände und Netzwerke wie die „Plattform Industrie 4.0“ und die darin engagierten Verbände BITKOM, VDMA und ZVEI.

Genau: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Wir müssen die Unternehmen - und hier vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die sogenannten KMU - mitnehmen, diese über deren Chancen informieren und die Netzwerkbildung unterstützen, gerade weil auch unsere KMU einen sehr hohen Anteil am wirtschaftlichen Rückgrat unseres Bundeslandes haben.

Es gilt, die Ausbildungs- und Studiengänge auf Industrie 4.0 auszurichten, um diese zu ergänzen und damit Kompetenzen zu vermitteln. Wir begrüßen daher die Aktivitäten des Produktionstechnischen Zentrums Hannover PZH und der Hochschule Hannover.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mit dem Masterstudiengang „Autonome Unternehmensprozesse“ legt die FH die Grundlage für einen in die Zukunft gerichteten Studiengang. Dieses findet unsere Anerkennung und Zustimmung. Möge die Landesregierung auch hier mit nach vorne gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gut, dass Sie seitens der SPD und der Grünen unsere Initiative unterstützen, um auch in Niedersachsen der Industrie 4.0 eine Chance zu geben und damit einen wichtigen Beitrag für die Sicherung unseres Industrielandes zu leisten. Abwarten und immer nur zu sehen, wo denn wieder einmal mögliche Risiken liegen, kann nicht der richtige Weg sein.

Eines muss uns allen klar sein: Wenn wir nicht die Richtung vorgeben, tun es andere, wenn wir in Deutschland nicht die Standards definieren, tun es auch andere, und wenn wir nicht mit nach vorne gehen, tun es ebenso andere zu eventuell ganz anderen Bedingungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und diese Unternehmen ernten dann auch die Lorbeeren, sprich: die Erlöse.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das muss uns immer wieder bewusst werden bei der ganzen Diskussion: Wenn wir uns nicht darum

kümmern, tun es andere. Auf uns wird in der Welt keiner warten.

Industrie 4.0 und Breitband gehören unmittelbar zusammen. Wer meint, Industrie 4.0 gelingt ohne eine leistungsfähige Datenkommunikation, der wird schon scheitern, bevor er überhaupt beginnt. Eine leistungsstarke Datenkommunikation ist das A und O für das Gelingen der Industrie 4.0 in Niedersachsen. Auch deshalb haben wir im vergangenen Jahr den Antrag auf Förderung des Breitbandausbaus gestellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir bedanken uns insgesamt für die Anregungen und Hinweise in und nach der Anhörung im Wirtschaftsausschuss, die wir von Verbänden, Vereinigungen und Unternehmen erhalten haben. Sie alle haben der Politik konkrete Punkte mit auf den Weg gegeben, die es bei der Umsetzung und Fortentwicklung zu beachten gilt. Dafür unser großer Dank!

Die Hannover Messe wird sich auch in diesem Jahr wieder mit der Industrie 4.0 beschäftigen. Im Achimer Kreisblatt und im Weser-Kurier vom 4. Februar 2015 wird Messechef Joachim Köckler mit den Worten zitiert, die Unternehmen hätten die Forschung in den vorigen Jahren vorangetrieben, nun gehe es um die Umsetzung. Die Welt schreibt am 9. Dezember 2014: „Industrie 4.0 braucht mehr Tempo.“

Genau so ist es. Arbeiten wir mit Nachdruck an der Sicherung unseres Wirtschaftsstandortes und unseres Industrielandes Niedersachsen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Miesner. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Westphely das Wort.