Protocol of the Session on January 20, 2015

„Wenn wir Polizei, Verfassungsschutz und Nachrichtendienste zu den letzten Trotteln machen, vor denen wir immer nur Angst haben müssen, dass sie unsere Rechte untergraben, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sie uns im Zweifel nicht so schützen können, wie sie uns schützen müssen, damit unsere Freiheit wirklich gewährleistet ist.“

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Deshalb, Herr Weil, wäre Ihr Lob für die Sicherheitsbehörden glaubwürdiger, wenn Sie verhindert hätten, dass sich Ihr Innenminister kurz nach Regierungsantritt auf Kosten des Verfassungsschutzes versucht hätte zu profilieren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: So ist es!)

Meine Damen und Herren, es ist in den vergangenen Tagen vielfach die Sorge geäußert worden, dass als Folge der Anschläge von Paris auch in Deutschland eine neue tiefe gesellschaftliche Spaltung, ja ein neuer Kulturkampf drohen könnten. Ich rate in diesem Punkt zu mehr Gelassenheit. Nie gab es in Deutschland und Niedersachsen ein solches Maß an Freiheit, Toleranz, Gleichberechtigung, Weltoffenheit und Neugier auf die Welt wie heute, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niedersachsen war auch in der Vergangenheit ein weltoffenes und tolerantes Land und darf sich durch die Anschläge von Paris nicht verändern. Wer Angst vor Fremden hat, grenzt unwillkürlich aus. Dazu besteht aus meiner Sicht kein Anlass.

Aber wer in unser Land kommt, muss unsere Gesetze und unsere Kultur akzeptieren und respektieren, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir müssen uns bestimmter Gefahren bewusst sein. Und wir wissen ebenso, dass es 100prozentige Sicherheit niemals geben kann. Das heißt aber nicht, dass wir im Bund wie auch in Niedersachsen nicht kritisch hinterfragen, ob und wie unsere Sicherheitsbehörden für Anschläge vergleichbarer Art gerüstet sind.

Vor diesem Hintergrund muss auch die Frage erlaubt sein, ob es klug sein kann, dass die vom niedersächsischen Verfassungsschutz gespeicherten 1 400 Datensätze von Personen mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund einfach gelöscht werden können, meine Damen und Herren. Ich glaube, nein.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die jüngsten Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Mitglieder mutmaßlicher Terrorzellen in Wolfsburg stellt sich uns weiter die Frage, sehr geehrter Herr

Innenminister: Was hat Sie eigentlich motiviert, am vergangenen Donnerstag eine Pressekonferenz zu geben mit der Ansage, es gebe keine Verhaftungen an diesem Tag, wenn nur 120 Minuten später der besagte Syrien-Rückkehrer festgenommen worden ist?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD])

- Was war denn die Motivation, das 120 Minuten vorher zu tun? - Man hätte die Pressekonferenz auch ausfallen und danach stattfinden lassen können, Herr Bachmann. Das ist doch die Antwort auf die Frage. Das hat aber nicht stattgefunden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Stattgefunden hat stattdessen ein unsägliches Wirrwarr, welches dazu beigetragen hat, dass sich die Öffentlichkeit in die Irre geführt gefühlt hat.

Herr Weil und Herr Pistorius, mehr Klarheit hätte ich mir von Ihnen auch im Hinblick auf eine neue Gesetzesinitiative zur Vorratsdatenspeicherung gewünscht.

(Beifall bei der CDU)

Gerade jetzt nach den schrecklichen Anschlägen von Paris sollten wir nicht zögern, bewährte Strategien zur Bekämpfung von Terror - wie die französische Vorratsdatenspeicherung - zu übernehmen.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Die hat nichts genützt!)

Ich sage Ihnen: Vorratsdatenspeicherung ist ein Modell der Strafverfolgung. Warum haben denn die Franzosen so schnell die Hintergründe der Terroristen aufklären können? - Weil sie eben eine Umfeldbeleuchtung gemacht haben. Das ist doch die Wahrheit! Wir sind auf diesem Auge blind. Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir eine Vorratsdatenspeicherung, die den europäischen Vorgaben entspricht.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP Letztlich, meine Damen und Herren, werden Sie, Herr Weil, und Ihre Landesregierung um die Be- antwortung einer grundsätzlichen Frage nicht her- umkommen, nämlich was am Ende die Freiheit stärker einschränkt - die Arbeit handlungsfähiger Ermittlungsbehörden oder wachsender Extremis- mus und Gewalt. Wir Christdemokraten haben dazu eine klare und unmissverständliche Position. Für uns ist Freiheit ohne Sicherheit nicht vorstell- bar und schlichtweg nicht denkbar, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Der Ministerpräsident hat in seiner Rede zu Recht mehrfach das Leitbild einer toleranten Gesellschaft beschworen. Die Frage aber ist: Wie weit darf Toleranz in einer offenen Gesellschaft gehen? Meiner Ansicht nach endet Toleranz gegenüber anderen weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen dort, wo die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Staates infrage gestellt wird,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

wo Familienclans Gerichte umstellen und Polizeistationen oder Krankenhäuser stürmen. Im Übrigen, meine Damen und Herren, gilt hier das Grundgesetz und nicht die Scharia. Das muss deutlich werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die ganz überwiegende Zahl der Muslime in Deutschland sind rechtschaffende und verfassungstreue Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Daran darf es keinen Zweifel geben, und daran besteht auch kein Zweifel. Darum sage ich noch einmal: Die Muslime gehören zu Deutschland! Das muss immer deutlich die Ansage an diejenigen sein, die das auch nur ansatzweise versuchen infrage zu stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Angela Merkel hat in der vergangenen Woche zugleich die Islamgelehrten zu einer klaren Abgrenzung zwischen Islam und islamistischem Terror aufgefordert. Die Frage, warum sich Mörder bei ihren Taten auf den Islam berufen, ist berechtigt. Man kann dieser Debatte nicht einfach ausweichen und entsprechende Wortmeldungen als islamfeindlich oder rechtsradikal abtun.

In diesem Zusammenhang zitiere ich Ernst Hillebrand, den Leiter des Referats Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung:

„Denn die bittere Wahrheit ist, dass die europäische Linke viel zu lange die islamistische Gewalt banalisiert hat. Gefangen in eine werterelativierenden Multikulturalismus hat sie passiv zugesehen, wie an den Rändern der Zuwanderungsgesellschaften

Westeuropas ein Klima des antiwestlichen Hasses heranwuchs.“

Herr Hillebrand hat recht, und Sie und wir gemeinsam müssen darauf eine Antwort geben. Die Antwort kann nicht im Wegducken und Nichthinsehen bestehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Weil, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung das Engagement der Bürgerinnen und Bürger gewürdigt, die am vorletzten Montag in Hannover unter dem Motto „Bunt statt Braun“ gegen Hagida auf die Straßen gegangen sind, genauso wie die Demonstranten, die in den letzten Tagen, am Montag sowie an weiteren Tagen in Osnabrück, in Braunschweig, in Lingen und in anderen Orten Niedersachsens, aber auch bundesweit ein klares Signal gegen Ausgrenzung gesetzt haben.

Ich finde - da bin ich auch mit der Bundeskanzlerin und vielen anderen Politikerinnen und Politikern dieser Republik einig -, dass man an diesen Pegida-Demonstrationen - oder wie auch immer sie heißen - nicht teilnehmen sollte. Ich teile aber ebenso die Einschätzung der Bundeskanzlerin und unseres ehemaligen Landtagspräsidenten Jürgen Gansäuer, die beide der Auffassung sind, dass man die Probleme und Sorgen einiger, vielleicht auch vieler Leute, die bei Pegida und Co. mitmarschieren, nicht einfach ignorieren oder sie pauschal als islamfeindlich oder rechtsradikal stigmatisieren sollte.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das sind gar nicht viele!)

Es gab dazu in der HAZ vor einigen Tagen einen bemerkenswerten Leserbrief des hannoverschen Erziehungswissenschaftlers Professor Manfred

Bönsch, der sich konkret auf die hannoversche Montagsdemonstration bezog. Ich möchte daraus zitieren:

„Freiheit ist zuallererst die Freiheit des Andersdenkenden. Doch schöne Sonntagsreden erreichen den Andersdenkenden nicht. Politische Kultur lebt von der argumentativen Auseinandersetzung und nicht von der schnellen Ausgrenzung.“

Professor Bönsch hat recht!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir müssen in der Debatte um Zuwanderung und zum Islam in Deutschland wieder differenzierter

und offener miteinander reden und nicht alles der politischen Korrektheit unterwerfen und damit zukleistern. Denn das vernebelt dauerhaft den Blick auf die Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir brauchen dazu eine ehrliche, offene und breite Auseinandersetzung in den Parteien, in den Gewerkschaften, in den Verbänden und auch in den Kirchen ohne Schaum vor dem Mund oder gegenseitige Vorhaltungen, wer der bessere Mensch sei.

Herr Weil, ich glaube im Übrigen auch, dass wir in grundlegenden Fragen der Flüchtlings- und Asylpolitik gar nicht weit auseinanderliegen. Deswegen erlaube ich mir, aus dem Manuskript Ihrer Rede, die Sie bei dem Epiphanias-Empfang der Landeskirche in Loccum gehalten haben, zu zitieren:

„Unabhängig davon sehe ich uns in der Pflicht, beides gleichermaßen konsequent zu leisten: Menschen in Not Zuflucht und Sicherheit zu geben, andere aber auch respektvoll und konsequent auch wieder zu veranlassen, Deutschland zu verlassen. … Den einen schneller gesicherte Perspektiven in Deutschland zu geben und den anderen konsequent zu veranlassen, wieder zurückzugehen, halte ich nicht nur für legitim, sondern auch für notwendig.“

(Zustimmung bei der CDU)