Protocol of the Session on April 17, 2013

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Das war es schon?)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die einmalige Gelegenheit, länger zu antworten, als die Kurzintervention gedauert hat. Machen Sie davon Gebrauch? - Sie machen davon nicht Gebrauch.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Nein, der muss noch seine Zettel sortieren!)

Dann erteile ich jetzt für die Landesregierung Herrn Finanzminister Schneider das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht zwar den Mitgliedern der Landesregierung nicht an, das Präsidium zu kritisieren. Aber ich möchte doch richtigstellen: Hattrick ist dann, wenn man Tore schießt!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Hilbers, Sie sind der Nächste, zu dem ich spreche. Es sind gar nicht so viele Zahlen. Ich habe sie nun schon mehrfach vorgetragen. Woher kommen die 1,2 Milliarden? - 620 Millionen Nettokreditaufnahme neu; 280 Millionen sogenannte Rücklagenentnahme, d. h. Kreditaufnahme aufgrund alter Kreditermächtigung, 300 Millionen - knapp 300 Millionen; alle Zahlen sind abgerundet - Kreditaufnahme bei der HanBG zwecks Erwerb der Anteile an der Norddeutschen Landesbank plus Transfer der Mittel in den Landeshaushalt.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Herr Minis- ter, etwas langsamer! Dann kann die grüne Kollegin mitschreiben!)

Es sind, leicht nachprüfbar und ganz überschaubar veranschlagt aus Kreditfinanzierung, 1,2 Milliarden für den Haushalt 2013. Da beißt keine Maus den Faden ab. Da gibt es eigentlich auch nichts zu diskutieren. Da muss man nur lesen. Ganz einfach!

Aber nun zu dem Antrag: Generell kann man dazu sagen, nach der Wahl ist vor der Wahl. Der Antrag ist sehr umfänglich, hat Flugblattcharakter.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

In alten Zeiten hätte ich gesagt: Da haben Sie sich die Setzkosten gespart. Da konnten Sie gleich kopieren. Aber heutzutage ist so etwas mit den PCs ja gar nicht mehr so ein Problem. Es ist eine Vielzahl von Dingen sehr plakativ angesprochen worden. Manches ließe sich und sollte man hier auch länger und kontrovers diskutieren. Das ist im Rahmen der sehr begrenzten Redezeit kaum möglich. Herr Hilbers, ich habe nur vier Minuten, die ich wegen der Möglichkeit von Zwischenfragen sicherlich überziehen muss.

Was ich hier z. B. gerne anmerken möchte, ist, dass die Reduzierung der Probleme in Frankreich und Großbritannien auf Steuererhöhungen der Sache überhaupt nicht gerecht wird. Zwar ist das heute unpassend, weil gerade heute Frau Thatcher - wenn ich das richtig weiß - zu Grabe getragen wird. Aber das eigentliche Problem Großbri

tanniens ist nicht die Steuererhöhung im Jahr 2010, sondern das Plattmachen der industriellen Strukturen zu Zeiten des Thatcherismus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Großbritannien hat nur noch die Hälfte des industriellen Anteils der Bundesrepublik Deutschland. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Frankreich.

(Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

Da liegen die Probleme. Wenn man sich die einzelnen Punkte in Ihrem Antrag ansieht, möchte man mit dem Appell „Mehr Nüchternheit, weniger Ideologie“ antreten. Sie haben natürlich einen ganz anderen Anspruch. Aber im Grunde ist das, was Sie hier vorgetragen haben, ein Flugblatt für den Wahlkampf.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

Wir haben in der Vergangenheit gemeinsam den Märkten an manchen Stellen zu viel Raum gegeben. Wir haben geglaubt, der Markt werde es richten. Der Neoliberalismus hat die Grundlagen für den weltweiten Crash 2008/2009 geschaffen. Das haben mittlerweile die meisten erkannt. Inzwischen wird überall reguliert. Die Banken werden reguliert. An vielen Stellen wird gedreht. Heute Morgen haben wir schon darüber diskutiert: internationaler Datenaustausch im Steuerrecht, Trockenlegung von Offshore-Leaks.

(Christian Grascha [FDP]: Es geht nicht um Bankenregulierung! Das ist alles nicht Thema des Antrags!)

- Nun hören Sie doch einmal zu! Ich habe doch auch ganz brav Ihren deutlich zu langen Ausführungen zugehört. Sie sollen ja nur meinen deutlich kürzeren zuhören.

Richtig ist - das brauche ich nicht zu wiederholen -, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter geöffnet hat. Das zeigen zweifelsfrei die Statistiken. Wie Sie nicht nur im letzten, sondern auch im vorletzten Armuts- und Reichtumsbericht - also in den historischen Zeitreihen des Statistischen Bundesamtes - sehen, wird deutlich, dass wir eine Konzentration bekommen - eine Konzentration von Vermögen auf der einen und eine Konzentration von Nichtvermögen, von Armut auf der anderen Seite. Das ist ungut, weil das unserer Sozialstaatstradition widerspricht. Deutschland ist als Land des sozialen Ausgleichs erfolgreich gewesen. Einiges läuft aus dem Ruder. Die Frage, wie wir die Zukunftsaufgaben, wie de

mografischer Wandel, Bildung und Energiewende, finanzieren, ist zugleich auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Beides tut weh. Sparen - das müssen wir tun - tut weh, und höhere Steuern zahlen tut selbstverständlich auch weh.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ach, das haben Sie erkannt?)

Wer tut das schon gern? Das ist doch gar keine Frage. Die Fragen, die wir gemeinsam beantworten müssen, sind: Was erfordert unsere Gesellschaft? Welche öffentlichen Aufgaben müssen wir wahrnehmen? Ist der Staat auf der Einnahmeseite dafür hinreichend ausgestattet? Der Ausweis des Jahres 2013 - Ihr Haushalt - zeigt trotz Steuerrekordeinnahmen - das ist ja richtig - 1,2 Milliarden neue Kreditaufnahmen auf. Das ist doch eine Unwucht. Sie haben es auch in zehn Jahren nicht hingekriegt, diese Unwucht zu beseitigen. Das ist doch der Punkt, um den es hier gehen sollte.

Wir werden im Zuge der Debatte um die Schuldenbremse der Bundesländer - in dieser Debatte sehe ich nicht Niedersachsen ganz vorne, sondern andere - in den nächsten Jahren erleben, dass wir noch einmal bundesweit - - -

(Jens Nacke [CDU]: Nordrhein- Westfalen! Das ist richtig!)

- Ja, sicher, Herr Nacke, wir haben es schwer, weil wir Ihr Erbe zu tragen haben. Wir haben doch Ihr Erbe zu tragen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist doch die Schwierigkeit. Wir werden dabei an Einnahmeerhöhungen nicht vorbeikommen. Das ist das, was Herr Grascha vorhin als Folterkeller bezeichnet hat. Folterkeller? Wir wollen einmal zurück in das Jahr 1995 gehen. Das Jahr 1995: Folterkeller, Folterknechte Kohl und Genscher, 53 % Spitzensteuersatz, Vermögenssteuer.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ach!)

Eine Abgeltungssteuer gab es nicht, sondern Kapitaleinkünfte und individuelle Steuersätze. Wer ein hohes Einkommen hatte, hat Kapitaleinkünfte nicht mit 25 %, sondern mit bis zu 53 % versteuert. Lassen Sie uns noch einmal zurückgucken. Wie war die wirtschaftliche Situation? Ist die Wirtschaft unter der Vermögenssteuer zusammengebrochen? Ist die Wirtschaft unter den 53 % zusammengebrochen? Ich erinnere mich nicht daran.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ist denn heute noch alles so wie 1995?)

Ich erinnere mich nicht, dass wir damals Hungermärsche in der Republik hatten, als Kohl und Genscher regiert haben. Daran kann ich mich nicht erinnern.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das macht Ihre Aussagen für die Zukunft nicht sehr glaubwürdig. Die Vergangenheit bestätigt diese Annahmen nicht. Das, was hier vorgeschlagen wird, ist schwierig genug. Die steuerfachlichen Themen, die Frage der Abgrenzung von Vermögen, nehme ich sehr ernst. Wir wollen das Betriebsvermögen schonen, sowohl bei der Erbschaftssteuer als auch bei der Vermögenssteuer. Das ist rechtlich ein schwieriges Feld. Das wissen wir. Auch Sie sind auf Bundesebene mit Ihrer Erbschaftssteuer an diesem Thema gescheitert. Es ist anhängig, das neu zu regeln. Das ist schwierig. Das gebe ich gern zu. Gleichwohl ist es unser Auftrag, für einen sozialen Ausgleich und für eine hinreichende Finanzierung der Staatsaufgaben zu sorgen. Da allerdings - das haben Sie abschließend festgestellt - unterscheiden wir uns in der Tat.

Unser Staatsverständnis ist ein anderes. Ihr Antrag zeigt auf: Sie stehen für die Spaltung der Gesellschaft. Wir stehen für ihren sozialen Zusammenhalt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die Landesregierung hat die Redezeit um 4:07 Minuten überschritten. Herr Hilbers hat zusätzliche Redezeit beantragt. Ich erteile ihm zwei Minuten zusätzliche Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, damit sich diese 1,2 Milliarden Euro erst gar nicht im Plenum festsetzen, will ich Ihnen sagen: Sie wissen genauso wie ich, dass die Rücklagenentnahmen, die Sie den Krediten zugerechnet haben, Gelder aus Kreditermächtigungen sind, die bereits in anderen Haushalten abgebildet waren. Deswegen ist es nicht redlich, nicht in Ordnung und nicht vernünftig, sie der diesjährigen Kreditierung zuzurechnen. Das ist eben falsch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist ge- liehenes Geld!)

Wie Sie wissen - die SPD-Fraktion ist dazu in Bückeburg gewesen -, sind Rücklagenentnahmen zukünftig so zu behandeln - so haben wir sie auch in unseren Haushalt eingestellt, den Sie übernehmen und den Sie auch nicht ändern -, dass sie zu Investitionen und nichts anderem herangezogen werden. Sie sind so abzubilden wie Nettokreditaufnahmen. Also können Sie diese Rücklagenentnahme nicht der neuen, zusätzlichen Verschuldung in diesem Haushalt zurechnen.

Ferner können Sie die Übertragung der NORD/LBAnteile an die HanBG, die im Rahmen der Kapitalisierung der NORD/LB stattgefunden hat - da erwirbt die HanBG eine rentierliche Beteiligung -, doch nicht dem Landeshaushalt als Schuldenaufnahme zurechnen. Sie rechnen doch die Aufstockung der VW-Beteiligung auch nicht dem Landeshaushalt zu. Das haben wir in der Vergangenheit nicht getan. Das passt nicht, und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen will ich Ihnen sagen, was ich bei Ihnen absolut vermisse. Während Sie Steuererhöhungen das Wort reden, vermisse ich an jeglicher Stelle - außer dass Sie uns nebulös erklärt haben, ab 2015 irgendwann einmal eine Aufgabenkritik organisieren zu wollen -, dass Einsparungen und Konsolidierungen vorgenommen werden. Ich bin gespannt, was Ihre „Aktion Klingelbeutel“ bringen wird.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben an keiner Stelle einen seriösen Vorschlag gesehen. Nicht einen Augenblick haben Sie überlegt, wie der Staat mit dem Geld, das er den Bürgerinnen und Bürgern abnimmt, auskommen kann. Wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern Geld abnehmen, müssen wir eine gute Begründung haben, warum wir es benötigen.

Wir dürfen keine Politik machen, die zu höheren Steuersätzen und trotzdem zu geringeren Einnahmen führt, weil sie Wachstum und Beschäftigung erdrückt. 1 % Wachstum bringt eine viertel Milliarde Euro an Einnahmen in unseren Haushalt. Das macht deutlich: Wir brauchen eine wachstumsorientierte Politik und keine Steuerpolitik, die Wachstumsimpulse erdrückt, die die Wirtschaft lahmlegt

und Arbeitsplätze gefährdet. Das wäre der falsche Weg. Diese Erkenntnis vermisse ich bei Ihnen.