Bei diesem Thema sollte man noch einen Blick zurückwerfen, weil diese Steuer ja auf die Finanzkrise 2008/2009 zurückgeht. Mittlerweile sind wir schon im Jahr 2014. Was hatte sich 2008/2009 in der Finanzkrise getan?
Banken wie Lehman Brothers in den USA sind in Insolvenz gegangen. In der Bundesrepublik Deutschland war es die Hypo Real Estate, die insgesamt Bürgschaften von etwa 120 Milliarden Euro und ca. 8 Milliarden Euro Direkthilfen bekommen hat. Es gab aber noch weitere Versicherungen, Privatbanken und - das muss man der Wahrheit halber auch sagen - Banken mit staatlicher Beteiligung, die an dieser Finanzkrise nicht ganz unschuldig waren. Ich erinnere explizit an die Industriekreditbank oder an Landesbanken. Das gilt im Übrigen für Amerika genauso, wo Institutionen wie Fannie Mae und Freddie Mac - also Banken, die im staatlichen Besitz waren - ganz erheblich zur Verschärfung der Finanzkrise beigetragen haben.
Die Bücher zu den Ursachen der Finanzkrise füllen mittlerweile ganze Bibliotheken. Wenn man im Internet das Stichwort „Finanzkrise 2008“ eingibt, erhält man ungefähr 2,5 Millionen Treffer.
Ich möchte trotzdem versuchen, die Ursachen zusammenzufassen, weil sie auch Hinweise im Hinblick auf die Gestaltung der Finanztransaktionssteuer geben. Eine Ursache ist sicherlich die verfehlte US-amerikanische Wohnungspolitik gewesen. Ich nenne die Politik des billigen Geldes, gerade in sehr liquiditätshungrigen Ländern. Das sollte uns auch im Hinblick auf das aktuelle Zinsniveau zu denken geben. Niedrige Zinsen haben nicht unbedingt nur Vorteile - z. B. für den niedersächsischen Haushalt -, sondern sie verführen offensichtlich auch dazu, das Geld verfehlt in der Volkswirtschaft zu investieren. Es gab eine sehr lockere Kreditvergabepraxis - nicht nur in den USA - und sicherlich auch ein riskantes, fragwürdiges, fast amoralisches Handeln von einigen Akteuren in der Finanzwirtschaft; da stimme ich dem Kollegen Heymann ausdrücklich zu. Man muss auch bemerken, dass gerade die Finanzbranche sehr innovativ ist, Ausweichprodukte bzw. Ausweichplätze für ihre Produkte zu finden. Das muss
man bei der Gestaltung der Finanztransaktionssteuer auch berücksichtigen. Ferner gab es sicherlich auch große Fehler und Lücken bei der Regulierung und der Aufsicht.
Egal, welches Buch wir lesen oder welches Stichwort wir im Internet anklicken, eines muss man deutlich sagen: Der Verbraucher, insbesondere der deutsche Verbraucher, auch der deutsche Mittelstand und auch unsere Volksbanken, Sparkassen und kleinen Privatbanken vor Ort waren nicht Verursacher der Finanzkrise und sollten durch die Finanztransaktionssteuer nicht belastet werden.
Genau diese Punkte werden in dem geänderten Antrag auch auf unsere Anregung hin - deshalb können wir diesem Antrag auch zustimmen - berücksichtigt. Wir wollen keine negativen Folgen für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Wir wollen keine negativen Folgen für die Altersversorgung, für Kleinanleger und die Realwirtschaft. Wir wollen auch keine Wettbewerbsverzerrungen für deutsche Finanzplätze. Der Börsenplatz Frankfurt spielt hier eine ganz hervorragende Rolle. Und wir wollen eine schrittweise, breite und möglichst weite Einführung, um bei dieser Steuer gerade Umgehungstatbestände zu vermeiden.
Eine Ergänzung noch: Manchmal wird ja der Eindruck erweckt, dass die Finanzmärkte nur mit der Transaktionssteuer etwas diszipliniert werden könnten. Es ist aber bereits seit 2008 auch auf EUEbene sehr viel passiert. Es gibt umfangreichere und intensivere Kontrollen. Der Single Supervisory Mechanism sei hier genannt. Es gibt Abwicklungsregeln für gefährdete Banken. Es gibt die sogenannten Banktestamente im Single Resolution Mechanism. Es soll einen europaweiten Einlagensicherungsfonds geben. Es soll einen Bankenabwicklungsfonds geben. Es soll eine zusätzliche Haftung bei Interbankengeschäften geben, das sogenannte Bail-in. Stresstests gibt es schon länger. Einige laufen zurzeit und sind in ihrem Ausgang auch für Niedersachsen nicht ganz unbedeutend. Und die Finanzakteure zahlen schon jetzt eine Bankenabgabe.
Diese Maßnahmen leisten schon jetzt einen Beitrag zur Stabilisierung des Finanzsystems, und maßgebliche Finanzakteure beteiligen sich bereits
Es gibt einige Untersuchungen, die besagen, dass die vollständige Umsetzung der Bankenunion auf europäischer Ebene die deutschen Finanzinstitutionen mit ungefähr 10 Milliarden Euro belasten wird, und das ohne Finanztransaktionssteuer. Diese Summe liegt in der Größenordnung der gesamten Gewinne der deutschen Banken. Ich sage dies deshalb, um vor zu hohen Einnahmeerwartungen bei der Finanztransaktionssteuer zu warnen.
Wir müssen auch berücksichtigen, dass wir gerade von den Finanzakteuren mehr Sicherheit fordern, dass sie zusätzliches Eigenkapital bilden. Wenn sie nun mehr und zusätzliche Belastungen tragen sollen, dann ist das ja wohl die Quadratur des Kreises.
Jetzt noch ein ganz wichtiger Punkt, der auch in den Beratungen des Ausschusses und in den laufenden Gesprächen vermittelt wurde: Wir haben einen grauen Kapitalmarkt, der sich der Aufsicht und der Kontrolle und somit auch einer Finanztransaktionssteuer entzieht. Gerade gestern erst fand die große Gläubigerversammlung bei Prokon statt, wo Transaktionen im Milliardenumfang gelaufen sind, die nicht durch eine Finanztransaktionssteuer belastet werden. In Niedersachsen gibt es noch das markante Beispiel der Göttinger Gruppe, die ebenfalls einen Milliardenbetrag außerhalb des seriösen und regulierten Finanzmarktes, auf dem sogenannten grauen Markt, bewegt hat. Insofern müssen wir bei der Gestaltung der Finanztransaktionssteuer aufpassen, dass wir die regulierten transparenten Märkte nicht unattraktiver machen und uns dann wundern, wenn ein noch größerer grauer Kapitalmarkt entsteht.
Ich empfehle also allen Parlamenten, die sich mit diesem Thema befassen - auf Bundesebene, auf Europaebene, in anderen Bundesländern und auch in anderen Ländern; insgesamt wollen sich ja elf Länder an dieser Finanztransaktionssteuer beteiligen -, mit den Experten, den Börsen und den Akteuren an den Börsen ausführliche Anhörungen durchzuführen, damit diese Finanztransaktionssteuer sachgerecht gestaltet wird und keine unbeabsichtigten negativen Nebenwirkungen hat, die zu einer nächsten Krise führen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein schon die Überschrift dieses Antrags zeugt von einer gewissen politischen Naivität. Dort heißt es, dass die globale und weltweite Einführung der Finanztransaktionssteuer mit konkreten Schritten begleitet wird. Erstens reden wir in Europa immer noch von nur 11 Staaten von insgesamt 28 EU-Staaten, die diese Steuer einführen wollen. Wie das konkret erfolgen soll, wissen wir bis heute nicht. Bislang gab es nur einen jahrelangen Hickhack, der bisher zu nichts Konkretem geführt hat. Das heißt, davon zu sprechen, dass es hier konkrete Schritte hin zu einer globalen Einführung gibt, ist schon ein Stück weit abenteuerlich.
Meine Damen und Herren, jetzt könnte ich wie schon im Ausschuss wieder sagen: Eigentlich ist dieser Antrag auch für uns, die wir diese Steuer ablehnen, hervorragend geeignet, diesem Antrag zuzustimmen; denn am Ende wird dieser Antrag, wenn man alle sechs Punkte durchdekliniert, dazu führen, dass die Finanztransaktionssteuer nicht kommt. Sie widersprechen sich ja in den einzelnen Punkten. Ich nehme nur einmal den Punkt 2. Sie wollen eine möglichst breite Bemessungsgrundlage für diese Steuer haben. Gleichzeitig sprechen Sie davon, dass nichtspekulative Finanzgeschäfte auszunehmen sind. Die Frage, die sich hier stellt, ist: Was sind eigentlich nichtspekulative Finanzgeschäfte? - Gleichzeitig sollen die Auswirkungen für die Altersvorsorge, für die Kleinanleger und für die Realwirtschaft möglichst flach gehalten bzw. vermieden werden. Das ist die Quadratur des Kreises, die Sie hier versuchen, meine Damen und Herren.
Zum Thema Wettbewerbsverzerrung: Ich erinnere nur noch einmal daran, 11 von 28 EU-Mitgliedsländern wollen die Steuer einführen. Das wird zwangsläufig zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wie wir es ja in Frankreich erleben. Das ist im Ausschuss auch vorgetragen worden. Seit der Einführung der Finanztransaktionssteuer in Frankreich
sind dort die Börsenumsätze um 18 % zurückgegangen. Die Deutsche Börse in Frankfurt, die als Unternehmen vorausschauend handeln muss, diskutiert jetzt schon darüber, wie man amerikanischen oder asiatischen Investoren gegebenenfalls Alternativfinanzplätze beispielsweise in Singapur anbieten kann. Daran sieht man, dass es, wenn diese Steuer eingeführt wird, definitiv zu Wettbewerbsverzerrungen kommen wird, meine Damen und Herren.
Ich nehme heute zur Kenntnis - das wird ja auch die Abstimmung zeigen -: Hier im Haus werden wir bei diesem Thema die Minderheit sein. Aber draußen, außerhalb dieses Landtages, formiert sich eine sehr breite Mehrheit gegen diese Finanztransaktionssteuer: Sparkassen, Volksbanken, Verbraucherschützer, Anlegervertreter, und, und, und. Alle warnen vor den Folgen dieser Altersvorsorgesteuer.
Am Ende werden nicht nur Fondssparpläne davon betroffen sein, sondern auch 3 Millionen Riesterverträge. Auch Lebens- und Rentenversicherungen werden davon betroffen sein. Die betriebliche Altersvorsorge wird davon betroffen sein. Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersverrsorgung warnt davor, dass die Betriebsrenten um 3 bis 8 % reduziert werden müssen. Auch die Versorgungswerke werden diese Steuer zu zahlen haben. Und das vor dem Hintergrund, dass wir ein niedriges Zinsniveau haben, unter dem insbesondere die Sparerinnen und Sparer in Deutschland zu leiden haben. Die werden doppelt getroffen: einerseits niedrige Zinsen für die Altersvorsorgeprodukte, andererseits kassiert der Staat über die Finanztransaktionssteuer als Altersvorsorgesteuer noch zusätzlich Geld.
Ich kann Sie von dieser Stelle aus nur noch einmal auffordern, diesen Irrweg zu stoppen. Die Argumente sind jetzt ja auch ausgetauscht. Wir hatten dieses Thema schon mehrmals im Plenum und auch im Ausschuss. Leider hat sämtlicher Sachverstand, den wir im Ausschuss herangezogen haben, offensichtlich nicht dazu geführt, dass der Antrag in irgendeiner Form substanziell verändert wurde. Deshalb: Kehren Sie zu einer sachlichen Diskussion über eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte zurück! Die Finanzmärkte wird man nicht mit Populismus regulieren können, sondern nur mit sachgerechten und wirksamen Lösungen. Die helfen definitiv mehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzkrise der vergangenen Jahre ist auch durch massive Spekulationen ausgelöst worden. Eine der bekanntesten Folgen ist: Die Verschuldung bestimmter Länder wie z. B. Zypern oder Irland ist durch die Rettung von Banken, die erfolgt ist, um die Spareinlagen der Sparerinnen und Sparer zu sichern, mit in die Höhe getrieben worden. Die Schuldenkrise ist - anders als ich das in manchen Reden, auch von der FDP, vernommen habe - auch auf diesen Aspekt zurückzuführen.
Spekulationen werden durch die Finanztransaktionssteuer natürlich nicht verhindert - sie sollen auch gar nicht vollständig verhindert werden -, aber zumindest werden Spekulationen ohne Bezug zur Realwirtschaft verteuert und damit eingeschränkt. Damit leistet die Finanztransaktionssteuer einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und Stabilität auf den Finanzmärkten und somit auch in der Realwirtschaft.
Außerdem ist die Finanztransaktionssteuer eine Reaktion darauf, dass sich echte Wertschöpfung - echtes Geldverdienen - von der Realwirtschaft auf die Finanzwirtschaft verschoben hat. Die Unterbesteuerung der Finanzwirtschaft ist doch inzwischen wirklich unbestritten, und die Finanztransaktionssteuer ist ein Beitrag, um diesen Zustand der Unterbesteuerung zu korrigieren.
Es freut mich sehr, dass sich die CDU-Fraktion konstruktiv in die Beratungen eingebracht und drei zusätzliche Punkte formuliert hat: die Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Altersvorsorgeinstrumente, die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die möglichst globale Umsetzung.
Wir als rot-grüne Ursprungsantragssteller haben diese Punkte sehr gerne aufgenommen, weil sie richtig sind. Dennoch sind das wahrlich keine ganz einfach umzusetzenden Ziele. Aber da ja der CDU
Bundesfinanzminister Schäuble das Thema auf europäischer Ebene maßgeblich vorantreibt und die CDU hier doch sicherlich keine Forderungen ohne Abstimmung mit ihm stellt, bin ich sicher, dass wir diesbezüglich schon bald Fortschritte sehen werden.
Die Unterstützung durch die CDU führt jedenfalls dazu, dass wir den Finanzmarktlobbyisten von der FDP
An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, doch noch auf zwei Punkte aus der Rede von Herrn Grascha einzugehen. Erstens. Sie haben gesagt, das sei die „Quadratur des Kreises“. Sie haben den Antragstext offenbar nicht richtig gelesen; denn darin sind Begriffe wie „möglichst“ und „weitgehend“ enthalten. Damit ist doch völlig klar, dass diese Aspekte so ausgestaltet werden sollen, dass sie auch erfüllbar sind. Es ist überhaupt kein Widerspruch, wenn wir schreiben, dass etwas „möglichst“ der Fall sein sollte.