Protocol of the Session on July 23, 2014

„Erfolg ist die Fähigkeit, von einer Niederlage zur nächsten zu schreiten, ohne dabei die Begeisterung zu verlieren.“

Insoweit wünsche ich Ihnen, Herr Hilbers: Behalten Sie Ihre Begeisterung. Wir behalten unsere Mehrheit und setzen die gute Arbeit für das Land Niedersachsen fort.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es geht weiter mit dem Kollegen Grascha, FDP-Fraktion. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Brinkmann, dass 69 mehr als 68 sind, war der sachlichste und vernünftigste Beitrag, den ich von Ihnen bisher zur Haushaltspolitik gehört habe.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Fraktion schließt sich der Forderung, die Neuverschuldung im Haushaltsjahr 2014 entsprechend zu reduzieren, selbstverständlich an. Aber wenn wir hier schon über einen möglichen Nachtrag 2014 diskutieren, lohnt es sich, einmal ins Jahr 2013 zu schauen. Was ist dort genau passiert?

Es sind zusätzliche Ausgaben im Haushalt 2014 finanziert worden, die ohne Weiteres aus dem laufenden Haushalt gespeist werden könnten, Stichwort: Tarifsteigerungen, Hochwasseropferhilfe. Ein schuldenfinanziertes Sondervermögen ist gebildet worden, und es sind geringere Zinsausgaben veranschlagt worden.

Auf der Einnahmeseite sieht es im Prinzip ähnlich aus. Wir haben höhere Steuereinnahmen. Vermögensaktivierungen sind verschoben worden. Die Rücklage ist nicht zurückgeführt worden, sondern sogar erhöht worden. Rechtswidrige Kreditermächtigungen sind in den Einnahmerest gebucht worden, und Einnahmen aus der Versorgungsrücklage wurden nicht in Anspruch genommen.

Unter dem Strich kann man also sagen, dass trotz idealer Rahmenbedingungen jede Kreditermächtigung voll ausgeschöpft wurde, die im Haushalt 2013 vorgesehen wurde. Das zeigt doch eines: Rot-Grün ist im Prinzip wie ein Junkie ohne Dro

gen. Ohne Schulden kommen Sie nicht aus, und das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der FDP - Zuruf von der SPD: Das ist eine Diffamierung!)

2014 droht das gleiche Spiel. Das ist doch absehbar. Wir haben beim Halbjahresbericht im Haushaltsausschuss gesehen - da waren ja alle anwesend -, dass wir schon heute 70 Millionen Euro weniger Zinsausgaben haben, als wir ursprünglich eingeplant haben. Nach dem Kassenbericht haben wir - Stand 30. Juni 2014 - 1,7 Milliarden Euro getilgt. Wir haben also im Moment keine Kreditermächtigungen in Anspruch genommen, sondern 1,7 Milliarden Euro getilgt.

Damit komme ich zu dem Märchen, das der Finanzminister hier schon des Öfteren verbreitet hat und das er auch vor der Presse schon erzählt hat, nämlich dem von den Mindereinnahmen bei den Steuern. Von 413 Millionen Euro war da die Rede, Herr Schneider. Wie gesagt, das ist doch schlicht ein Märchen. Wenn man sich die Zahlen im Kassenbericht genau anguckt, dann wird man feststellen, dass diese Mindereinnahmen nur damit zusammenhängen, dass sich Niedersachsen in den letzten Jahren und insbesondere im Jahre 2013 im Durchschnitt besser entwickelt hat als andere Bundesländer. Das führt eben dazu, dass es Verschiebungen beim Länderfinanzausgleich, bei den Bundesergänzungszuweisungen und bei der Umsatzsteuerumlage gibt, und das lässt diesen Betrag von 413 Millionen Euro sehr schnell zusammenschmelzen. Wir haben das - hierauf ist Kollege Hilbers deutlich eingegangen - 2012 ganz anders gemacht: Alle Kreditermächtigungen, die wir nicht brauchten, weil entsprechende Steuermehreinnahmen im Haushalt realisiert wurden, haben wir im Dezember 2012 herausgestrichen und haben damit 855 Millionen Euro Kreditermächtigungen eingespart.

(Zustimmung von Gabriela König [FDP])

Ich habe mittlerweile eine Horrorvorstellung: Wenn wir diese Maßnahme nicht ergriffen hätten, dann würden Ihnen diese 855 Millionen Euro heute auch noch zur Verfügung stehen. Das ist dem Land Gott sei Dank erspart geblieben.

(Beifall bei der FDP - Renate Geuter [SPD]: Spekulation! - Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Nein, das ist ge- nau das, was Sie jetzt gerade ma- chen!)

Der Unterschied zwischen Rot-Grün auf dieser Seite des Hauses und Schwarz-Gelb auf jener Seite ist eben immer noch der vernünftige Umgang mit Geld. Sie werden bis 2020 jede erdenkliche Möglichkeit nutzen, um mehr Schulden zu machen und um den Schuldenrahmen voll auszuschöpfen, um also großzügig Schulden aufzunehmen. Wir wollen das Gegenteil. Wir wollen Schluss mit den Schulden machen. Wir wollen die Gesetze möglichst restriktiv auslegen, damit wir endlich zu ausgeglichenen Haushalten und zum Schuldenabbau kommen. Wir müssen die historische Chance nutzen, bei Rekordsteuereinnahmen und bei historisch niedrigen Zinsen, unter denen die Sparerinnen und Sparer in Deutschland zu leiden haben, aber von denen der Staat profitiert, endlich ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Maximilian Schmidt [SPD]: Sie haben die Ver- schuldung in Niedersachsen in zehn Jahren vereineinhalbfacht!)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Heere, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hilbers, Ihr Antrag und Ihre soeben gehaltene Rede - das gilt auch für die Rede von Herrn Grascha - haben wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, dass Sie in den vergangenen anderthalb Jahren offensichtlich nie wirklich zugehört haben, wenn der Finanzminister oder wir zu unserer rot-grünen Finanzpolitik gesprochen haben. Bevor man etwas kritisiert, sollte man sich doch eigentlich damit auseinandergesetzt haben und es verstanden haben. Nach Ihren Reden muss ich leider konstatieren: Das ist nicht der Fall. Stattdessen hantieren Sie wieder einmal mit Argumenten, die platt, unrealistisch und auch ein wenig aus der Zeit gefallen sind.

Vier Punkte:

Erstens. Sie haben immer noch nicht verstanden, dass es nicht nur um das Thema Kreditaufnahme geht, sondern um den Abbau des strukturellen Defizits des Landes. Davon reden wir nämlich; denn das ist nachhaltige Haushaltspolitik. Sie haben hingegen in Ihren zehn Regierungsjahren Schattenhaushalte gebildet, PPP-Projekte forciert

und einen Berg von über 1 Milliarde Euro Rücklagen innerhalb von drei Jahren fast vollständig abgebaut. Das alles haben Sie nur gemacht, um am Ende bei der Kreditaufnahme niedrigere Werte vorzutäuschen. Kreditaufnahme - das ist es, worauf Sie fokussiert sind, und nichts weiter. Genau das ist das Problem an Ihrer Haushaltspolitik.

(Zustimmung von Maximilian Schmidt [SPD])

Der Rechnungshof übrigens begrüßt es ausdrücklich, dass wir - Grüne und SPD - uns das strukturelle Defizit vornehmen. Nehmen Sie das zur Kenntnis, und hören Sie auf, mit Ihren Nebelkerzen die Öffentlichkeit zu verwirren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Er kri- tisiert aber auch, dass Sie das struktu- relle Defizit erhöht haben!)

Zweitens. Sie behaupten weiterhin, dass wir eine komfortable Haushaltslage übernommen haben. Das hören wir immer und immer wieder.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ja!)

Wenn die Lage so komfortabel war, Herr Hilbers, warum haben wir dann die Verbindlichkeiten samt Zins- und Tilgungsplänen von über 15 Milliarden neuen Schulden aus Ihren zehn Regierungsjahren übernehmen müssen? Warum haben Sie mit den Schattenhaushalten operiert und die Rücklage so stark geschröpft? Und warum haben Sie z. B. Studiengebühren eingeführt und gleichzeitig den Unis über das Hochschuloptimierungskonzept die Gelder der Studis wieder abgepresst?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Eine bildungspolitisch widersinnige Maßnahme, die wir mit teurem Geld wieder ausgleichen mussten! Das zeigt doch, dass Ihre ach so tolle Haushaltslage nur ein Potemkinsches Dorf war.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Drittens. Sie und Herr Grascha führen in Ihren Reden außerplanmäßige Ausgaben an, die wir uns letztes Jahr leisten konnten: die 70 Millionen für die Übernahme der vollen Besoldungserhöhung zum 1. Januar - das wollten Sie beide auch -, die 30 Millionen zur Flutopferhilfe - das war notwendig, und auch dieses wollten Sie -

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

und die 120 Millionen für die Einrichtung des Sondervermögens zur Sanierung, hochgradig sinnvoll und nachhaltig zum Erhalt des Landesvermögens.

(Christian Grascha [FDP]: Schuldenfi- nanziert!)

Über die Tatsache, dass wir uns all dies aufgrund einer günstigen Steuer- und Zinsentwicklung leisten konnten, sind wir alle froh. Daraus kann man aber doch wirklich nicht ableiten, dass man zudem - darüber hinaus - noch die Kreditaufnahme reduzieren kann. Dieses Geld wurde überwiegend mit Ihrer Zustimmung ausgegeben. Geld, das weg ist, kann man nicht mehr einsparen. Hören Sie auf mit diesem Unsinn!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Wo denn die Kreditaufnahme reduzieren? We- niger Schulden machen! - Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

Viertens. Sie argumentieren vollständig kurzfristig und rein betriebswirtschaftlich. Wir argumentieren hingegen langfristig und volkswirtschaftlich.

(Christian Dürr [FDP] lacht)

Wir stehen zu Sparanstrengungen und gehen strukturelle Reformen an. Dennoch haben wir den Abbaupfad der Schuldenbremse aus gutem Grund auf das Jahr 2020 gelegt, so wie es das Grundgesetz fordert, nämlich um Spielräume für Bildung zu schaffen, Spielräume - gewiss -, die bei Steuern und Zinsen sowie durch die Übernahme der BAföG-Mittel durch den Bund noch gewachsen sind. Aber mit all diesen Mitteln investieren wir in die Zukunft. Wir schaffen damit die dritte Kraft in Krippen, wir investieren in Ganztagsbetreuung und Inklusion, und wir statten die Hochschulen entgegen allem anders lautenden Populismus wirklich zukunftsfähig aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Diese finanziellen Anstrengungen machen wir, weil sie eine echte Rendite bringen, nicht heute, aber morgen, z. B. im Hinblick auf weniger Soziallasten und mehr Steuereinnahmen. Das ist der richtige Weg!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Maximilian Schmidt [SPD]: Vorsorge! - Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Vorsorge mit Schulden!)

Nehmen Sie endlich unseren Ansatz und unsere Argumente zur Kenntnis! Denn solange Sie hier öffentlich suggerieren, das alles spiele keine Rolle und es gehe einzig und allein um Kreditaufnahme, schaden Sie willentlich der Zukunft dieses Landes. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen und lehnen Ihren Antrag selbstverständlich ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Hilbers gemeldet. Bitte!

(Unruhe)