Protocol of the Session on March 14, 2013

die Ausrichtung der Preisbildung in der stationären Pflege an der tatsächlichen landesweiten Auslastung und - das ist ganz wichtig - die Entlastung der pflegenden Angehörigen durch die Sicherstellung der Kurzzeit- und Verhinderungspflege in den Pflegeeinrichtungen insbesondere im ländlichen Bereich, zudem die flächendeckende Stärkung der ambulanten Pflege und ein Bürokratieabbau durch Überprüfung der Dokumentationspflichten und Bündelung bisher unabgestimmter und zersplitterter Aufsichtsaktivitäten, darüber hinaus die Einführung einer solidarischen Umlagefinanzierung der Ausbildungsvergütung in der Altenpflege,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sehr gut!)

die schnellstmögliche Anpassung des Niedersächsischen Heimgesetzes, um die Bildung innovativer selbstbestimmter Wohnformen wie z. B. von Demenzwohngemeinschaften zu sichern, und die Novellierung des Niedersächsischen Pflegegesetzes, vor allem mit dem Ziel der Stärkung der kommunalen Mitverantwortung für eine leistungsfähige Pflegeinfrastruktur.

Aus der Sicht der Landesregierung ist die strukturelle Unterfinanzierung der Pflege ganz dringend aufzubrechen. Die Pflegesätze in Niedersachsen müssen auf den Durchschnitt der westdeutschen Länder angehoben werden, um diese strukturellen Defizite und die sich verschärfende Problematik des Fachkräftemangels überwinden und lösen zu können. Die Dumping-Lohnspirale in der Pflege muss beendet werden.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ohne diese Voraussetzungen werden wir dem Fachkräftemangel in Niedersachsen nicht begegnen können.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Gemäß § 290 SGB XI wird ein Landespflegeausschuss zur Beratung über Fragen der Pflegeversicherung gebildet. Damit hat er keine Kompetenz zur Beratung von Fragen des SGB V. Das betrifft z. B. die häusliche Krankenpflege. Wie in der Vorbemerkung dargestellt, ist der Themenbereich Pflege jedoch sektorübergreifend zu betrachten. Daher besteht die Notwendigkeit der Errichtung einer Fachkommission, in der neben den Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich der Altenpflege und dem SGB XI auch jene der krankenpflegerischen Versorgung nach SGB V vertreten sind.

Zu Frage 2: Das niedersächsische Sozialministerium führt nach § 46 Abs. 6 SGB XI die Rechtsaufsicht über die landesunmittelbaren gesetzlichen Pflegekassen und deren Arbeitsgemeinschaften; dies nach § 94 SGB XI. In Niedersachsen sind dies die AOK Niedersachsen, die BKK der EWE, die BKK Publik, Partner der BKK Salzgitter. Nach § 87 Abs. 1 SGB IV erstreckt sich der Umfang der Aufsicht auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist. Nach § 88 Abs. 1 SGB IV kann die Aufsichtsbehörde zudem jederzeit die Geschäfts- und Rechnungsführung der Pflegekassen überprüfen. Die Aufsicht ist auf die Rechtskontrolle beschränkt, Zweckmäßigkeitsfragen sind davon nicht erfasst. Ein Eingriffsrecht hat die Aufsichtsbehörde dann, wenn die Pflegekassen gesetzeswidrig handeln oder eine gesetzeswidrige Handlung zu befürchten ist.

In der Praxis wird das Sozialministerium zumeist von Dritten, in der Regel von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Trägern von Pflegeeinrichtungen auf ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten der Pflegekassen aufmerksam gemacht und tritt dann in die Prüfung ein.

Für die Ausübung des Aufsichtsrechts in der Sozialversicherung gilt das Opportunitätsprinzip mit der Folge, dass es in das pflichtgemäße Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt ist, ob das öffentliche Interesse im Einzelfall ein Einschreiten gegen rechtswidriges Verhalten erfordert. Dabei sind insbesondere die Schwere des objektiven Verstoßes gegen die Rechtsordnung, die Bedeutung der verletzten Norm, der Umfang des finanziellen Schadens sowie die Auswirkungen dieser Maßnahmen zu berücksichtigen. Wenn ein Rechtsverstoß festgestellt wird, kann die Aufsichtsbehörde

gemäß § 89 SGB IV verschiedene gestufte Aufsichtsmittel anwenden. Zunächst besteht eine Beratungspflicht mit anschließender angemessener Fristsetzung zur Behebung der Rechtsverletzung. Danach kann eine Verpflichtungsanordnung erfolgen, die mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden kann.

Mit Blick auf die Rechtsaufsicht bei Pflegesatz- und Vergütungsvereinbarungen mit Pflegeeinrichtungen weist die Landesregierung auf folgende Gesichtspunkte hin: Die Regularien zur Vereinbarung von stationären Pflegesätzen und ambulanten Pflegevergütungen richten sich nach den bundesrechtlichen Vorschriften des SGB XI. Als Aufsichtsbehörde kann das Sozialministerium dann in die Verhandlungen und den Abschluss von Vereinbarungen eingreifen, wenn diese gesetzeswidrig sind oder wenn Gesetzesverstöße zu befürchten sind. Die Festlegung von Konditionen für die Leistungserbringung der Pflegeeinrichtungen, z. B. personelle Ausstattung und Vergütung, hat der Gesetzgeber im SGB XI in die Hände der Vertragspartner, also der Einrichtungsträger, Pflegekassen und Sozialhilfeträger, gelegt.

Bei der Vereinbarung von stationären Pflegesätzen und ambulanten Pflegevergütungen handelt es sich somit um eine Ermessensentscheidung der Pflegekassen. In diesem Fall darf die Aufsichtsbehörde zwar ihr Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Pflegekassen setzen, kann jedoch prüfen, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden. In den Fällen, in denen eine Einigung zustande kommt und eine Vereinbarung von allen Vertragspartnern unterzeichnet wird, ist kein Ansatz für ein zulässiges rechtaufsichtliches Einschreiten ersichtlich, solange der geschlossene Vertrag nicht gegen gesetzliche Regelungen verstößt.

Da die gesetzliche Regelung keine bezifferte Untergrenze für Pflegesätze bzw. Vergütungen festlegt, bietet die bloße Höhe vereinbarter Pflegesätze und Vergütungen keinen Ansatz für ein zulässiges aufsichtsrechtliches Einschreiten.

Zu Frage 3: Wie in der Antwort zu Frage 2 bereits dargestellt, werden Pflegesatzvereinbarungen zwischen den jeweiligen Trägern der Pflegeeinrichtungen, den Pflegekassen und den örtlichen Trägern der Sozialhilfe im Vertragswege getroffen. Die Umsetzung einer Konvergenzphase setzt somit den Abschluss einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung voraus. Erhöhungen von Pflegesätzen sind von den Pflegebedürftigen aus ihrem

Einkommen oder Vermögen oder, falls das eigene Einkommen oder Vermögen nicht ausreicht, von den örtlichen Trägern der Sozialhilfe in Niedersachsen zu finanzieren.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Frau Kollegin Pieper.

Frau Präsidentin! Frau Ministerin Rundt, wir haben in Ihrem Vortrag einiges aus dem Koalitionsvertrag gehört. Dennoch frage ich die Landesregierung: Wie hoch war denn die Verhandlungsquote der Träger zu den Pflegesätzen nach dem Pflegepakt im Vergleich zu den Vorjahren?

Frau Ministerin!

(Petra Tiemann [SPD]: Dann doch lie- ber vorlesen! - Ulrich Watermann [SPD]: Wir sind für Vorlesen!)

Frau Pieper, wir haben dort eine Verhandlungsquote von 47 %. Und jetzt kommt das Aber: ausschließlich im stationären Bereich. Davon nicht berührt ist der Teil der nicht stationären Einrichtungen. Und was für Niedersachsen gerade im ländlichen Bereich deutlich wichtiger ist: Es gibt keine entsprechenden Quoten im ambulanten Bereich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Matthiesen.

Frau Ministerin, es geht erneut um den Pflegepakt im letzten Jahr. Wie haben sich seitdem die Pflegesätze entwickelt, und zwar im Durchschnitt und in der Spitze?

Ich schiebe die zweite Frage gleich hinterher. Wie ist das Verhältnis zu den Einkommenserhöhungen der Pflegekräfte, also wie viele dieser Pflegesatz

erhöhungen, die verhandelt worden sind, haben zu Erhöhungen der Einkommen der Pflegekräfte geführt?

Frau Ministerin!

Wir haben eine Erhöhung von durchschnittlich 2,53 % und in der Spitze von 9,8 %. Ein Vergleich mit den Einkommen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege kann nicht gezogen werden, weil es keine einheitliche Vergütung gibt. Das ist Sache entweder der Tarifparteien oder der einzelnen Arbeitgeber in diesem Bereich,

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Aha! Das ist ja interessant!)

sodass es dazu keine grundsätzlichen Vorstellungen gibt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die nächste Zusatzfrage für die SPD stellt Frau Wernstedt.

Frau Präsidentin! Frau Ministerin Rundt, ich würde gerne wissen, welche Auswirkungen die Streichungen haben, die die schwarz-gelbe Landesregierung im Bereich der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege vorgenommen hat. Welche Auswirkungen hat das für die Betroffenen und für die Angehörigen?

Frau Ministerin!

(Norbert Böhlke [CDU]: Jetzt hat sie keinen Sprechzettel!)

Wir haben im Bereich der Kurzzeitpflege erhebliche Kürzungen durch die frühere Landesregierung erlebt. Wir haben z. B. erlebt, dass der gesamte Bereich der Investitionskosten für den Bereich der sogenannten eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze gestrichen wurde, was im Ergebnis heißt, dass in Niedersachsen nur noch Solitäreinrichtungen gefördert wurden. Das heißt, dass die jeweiligen An

gehörigen oder die Pflegebedürftigen selber für den Bereich der eingestreuten Kurzzeitpflege nicht mehr entlastet wurden.

Wir haben damit insbesondere im ländlichen Bereich Probleme. Sie können sich gut vorstellen, dass Solitäreinrichtungen auch eine gewisse Mindestgröße haben müssen, um wirtschaftlich zu sein. Diese Mindestgröße ist im ländlichen Bereich nicht erreichbar. Das heißt, es gibt so gut wie keine Solitäreinrichtungen im ländlichen Bereich. Somit haben Pflegebedürftige in diesem Bereich keine Möglichkeit, die entsprechenden Investitionskosten ersetzt zu bekommen. Damit sind sie deutlich höher finanziell belastet. Das sind im Durchschnitt ungefähr 450 Euro pro Aufenthalt in der Kurzzeitpflege.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Volker Meyer von der CDU.

Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung: Ist bei den Verhandlungen über den Pflegepakt über eine Konvergenzphase bei den Pflegesätzen gesprochen worden und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Frau Ministerin!

Nach meinem Kenntnisstand ist in der Zeit der Verhandlungen über den Pflegepakt darüber gesprochen worden. Die Landesregierung hat es jedoch nicht erreicht, Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien darüber zu erzielen.

Die nächste Frage stellt Frau Joumaah von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: In welcher Höhe würden sich die Pflegesätze für Selbstzahler, aber auch für Träger z. B. der Sozialhilfe erhöhen, wenn bundesweit die Beträge erhöht würden?

Frau Ministerin!

Sie wollen heute aber viele Zahlen wissen.

(Jens Nacke [CDU] lacht - Thomas Adasch [CDU]: Das ist ja eine tolle Aussage!)