Die Staatsanwaltschaft Hannover führte den Vorgang betreffend Herrn Edathy zunächst als Vorermittlungsverfahren. In diesem Verfahrensstadium wird erst geprüft, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegt. Das Bundeskriminalamt hatte ja das von Herrn Edathy in Kanada bestellte Material für
Selbsternannte Chefermittler haben kritisiert, dass die Staatsanwaltschaft Hannover das Verfahren nicht schneller eingeleitet hat, sondern sich die erforderliche Zeit genommen hat, zu prüfen, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegt. Diese Vorgehensweise ist angemessen!
Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt, und ich betone es noch einmal: Die Schwelle des Anfangsverdachts ist Bedingung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Diese Schwelle schützt die Bürgerinnen und Bürger vor Strafverfolgungsmaßnahmen, die nur auf Vermutungen beruhen. Sie ist für unseren Rechtsstaat ein wichtiges Gut, und jede Staatsanwältin und jeder Staatsanwalt ist gut beraten, diese Schwelle nicht leichtfertig zu umgehen.
Der zuständige Oberstaatsanwalt nahm eine eigenständige rechtliche Bewertung des Vorgangs betreffend Herrn Edathy vor. Dazu ist er verpflichtet; das ist seine Aufgabe - nicht die Aufgabe des BKA und auch nicht die Aufgabe der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Er stellte außerdem im Benehmen mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt und der Generalstaatsanwaltschaft weitere Ermittlungen im Interesse einer einheitlichen Behandlung aller Parallelverfahren gegen in Niedersachsen wohnhafte Personen zurück.
Nach mehreren Ersuchen und dringenden Nachfragen bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main - Außenstelle Gießen - gingen diese weiteren Vorgänge erst am 20. Dezember 2013 in Hannover ein, und zwar acht Kategorie-I-Verfahren und sieben Kategorie-II-Verfahren. Erst danach konnten die Verfahren im Kontext beurteilt werden.
Innerhalb weniger Wochen hat sich die Staatsanwaltschaft ein einheitliches Bild gemacht. Ende Januar 2014 fand eine abschließende Besprechung bei der Generalstaatsanwaltschaft in Celle statt. Die Staatsanwaltschaft entschied, einen Anfangsverdacht für Straftaten auch in Bezug auf die in Kategorie II eingestuften Fälle zu bejahen. Sie berücksichtigte dabei auch die Vorgehensweise der Mehrzahl der im Bundesgebiet mit vergleichbaren Fällen befassten Staatsanwaltschaften.
Es gibt übrigens auch eine sehr große Staatsanwaltschaft in Berlin, die sich entschieden hat, diese Fälle grundsätzlich nicht strafrechtlich zu verfolgen.
In einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom Montag dieser Woche befasste sich die Zeitung mit dieser bundesweiten Handhabung der Parallelverfahren und titelte: „Es gab keine Lex Edathy“.
Die Zeitung berichtete im Übrigen auch, dass die Zentralstelle für die Bekämpfung von Internetkriminalität beim Bundeskriminalamt die Liste der über 800 Namen aus Kanada noch nicht vollständig aufgearbeitet habe und nach wie vor einzelne Vorgänge an Staatsanwaltschaften abgebe. Von einem langsamen, ja sogar ermittlungsgefährdenden Vorgehen der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Niedersachsen kann also beim besten Willen nicht die Rede sein.
Herr Edathy hat zwischenzeitlich Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt, und das Bundesverfassungsgericht wird sich auch mit der Frage zu beschäftigen haben, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen ein Anfangsverdacht wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften bejaht werden kann. Diese Entscheidung wird die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Hannover, die ihr in solchen konkreten Fällen obliegen, in Zukunft einfacher machen. Ich bin sehr gespannt.
Sehr geehrte Damen und Herren, über die Entscheidung, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, hat der zuständige Generalstaatsanwalt, Herr Dr. Lüttig, am 29. Januar 2014 mündlich das Niedersächsische Justizministerium unterrichtet. Einzelheiten des Verfahrens wurden nicht berichtet. An diesem Tag erfuhr ich selbst auch von diesem Vorgang.
Unter dem 6. Februar wandte sich die Staatsanwaltschaft Hannover sodann an den Präsidenten des Deutschen Bundestages, um die beabsichtigte Verfahrenseinleitung anzuzeigen. Sie alle wissen, dass nach Anlage 6 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ein Ermittlungsverfahren frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mitteilung beim Präsidenten des Bundestages eingeleitet werden darf. Das am 7. Februar abgesandte Schreiben der Staatsanwaltschaft ging am 12. Februar 2014 beim Präsidenten des Deutschen Bundestages ein. Es befand sich in einem unverschlossenen Umschlag der CITIPOST, auf dem sich Briefmarken der CITIPOST und eines anderen
Postdienstleiters befanden. Sie wissen, dass die Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren keine Vorgaben dazu enthalten, auf welche Weise die Staatsanwaltschaft die ihr obliegenden Benachrichtigungen an den Parlamentspräsidenten zu übermitteln hat.
Sie können sicher sein: Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gehen sehr sorgsam und sensibel mit Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete um. Ihnen ist bewusst, dass die Bearbeitung von Immunitätsangelegenheiten eine besonders sorgfältige Ermittlungsführung erfordert.
Ich habe gleichwohl das Verfahren Edathy zum Anlass genommen, das Benachrichtigungsverfahren sicherer zu machen. Die niedersächsischen Staatsanwaltschaften wurden gebeten, die unmittelbaren Mitteilungen und Unterrichtungen, die die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens betreffen, an den jeweiligen Parlamentspräsidenten durch einen Boten überbringen zu lassen.
Die Thematik „Verfahren gegen Abgeordnete“ wird auch auf der Tagesordnung der nächsten gemeinsamen Dienstbesprechung von Justizministerium und den Leiterinnen und Leitern der Staatsanwaltschaften und Generalstaatsanwaltschaften im kommenden Monat stehen.
Ich werde mich auch dafür einsetzen, hier eine Änderung der RiStBV zu erreichen. Eine solche Änderung ist allerdings nur im Zusammenwirken mit den anderen Bundesländern möglich.
Sehr geehrte Damen und Herren, am Montag, dem 10. Februar 2014, teilte der Verteidiger des Beschuldigten Edathy der Staatsanwaltschaft Hannover mit, dass dieser am vorangegangenen Freitag, dem 7. Februar, sein Bundestagsmandat niedergelegt habe und dass Immunität nicht mehr bestehe. Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete daraufhin unverzüglich Ermittlungsmaßnahmen ein. Sie beauftragte das Landeskriminalamt Niedersachsen mit der Vorbereitung von Durchsuchungsmaßnahmen. Das Landeskriminalamt bediente sich wiederum der Unterstützung durch die Polizeiinspektion Nienburg. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergingen außerdem mehrere Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hannover, die noch am selben Tag vollstreckt wurden. Dabei wurden verschiedene Beweismittel sichergestellt.
Nun haben wir erfahren, dass sich die Bundestagsverwaltung neuerdings auf den Standpunkt stellt, Herrn Edathys Bundestagsmandat sei erst am 10. Februar 2014 erloschen. Erst an jenem Montag sei die Niederlegung des Mandats tatsächlich wirksam geworden. Diese Frage war Gegenstand einer Dringlichen Anfrage in der letzten Plenarsitzung dieses Hohen Hauses.
Ich habe mich zu der von der Bundestagsverwaltung in jüngerer Zeit geäußerten Rechtsauffassung bereits verhalten: Die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hannover wurden aufgrund der von Herrn Edathy eingelegten Beschwerde vom Landgericht Hannover geprüft und für rechtmäßig befunden. Amtsgericht wie Landgericht gingen davon aus, dass Herr Edathy am 10. Februar 2014 kein Mitglied des Deutschen Bundestages mehr war. Das Landgericht nimmt in seiner Entscheidung Bezug auf ein Schreiben des Bundestagspräsidenten, nach dem das Mandat am 7. Februar erloschen sei. Dies entspricht der Veröffentlichung des Bundeswahlleiters im Bundesanzeiger. Diese Bekanntmachung ist meines Wissens bisher nicht korrigiert worden. Sie entspricht außerdem der amtlichen Mitteilung des Bundestagspräsidenten im Deutschen Bundestag. Schließlich ist nach meiner Rechtsauffassung, die der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt, die Verwertbarkeit der Ergebnisse der Durchsuchung am 10. Februar 2014 ohnehin nicht in Rede gestellt.
Am 11. Februar 2014 bat die Staatsanwaltschaft in Hannover die Bundestagsverwaltung um Sicherung der Büroräume von Herrn Edathy im Bundestag. Die in den Büroräumen befindlichen Gegenstände sowie der Inhalt des Servers wurden gesichert. Das Büro selbst wurde für die Nachrückerin im Bundestag freigemacht und später aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses gesondert durchsucht. Die gesicherten Gegenstände und Serverinhalte konnten von der Staatsanwaltschaft in Hannover ausgewertet werden.
Ebenfalls am 11. Februar 2014 erhielt das Landeskriminalamt Niedersachsen aus der Nachbarschaft von Herrn Edathy Hinweise auf ein weiteres Büro des Beschuldigten nahe seiner Wohnanschrift in Nienburg. Dieses wurde am folgenden Tag durchsucht.
Die Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahmen sind in einem Abschlussbericht des Landeskriminalamtes zusammengefasst. Der Bericht war ebenfalls bereits Gegenstand der parlamentarischen Debatte.
Das Ermittlungsverfahren dauert an. Insbesondere hat Herr Edathy derzeit Gelegenheit zur Stellungnahme.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme nun zu dem Vorfall eines nach einer mutmaßlichen Straftat vorübergehend nicht aus dem Langzeitausgang zurückgekehrten Sicherungsverwahrten. Ihm wird vorgeworfen, ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt zu haben.
In der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni erstattete das mutmaßliche Opfer, ein zum Tatzeitpunkt 13jähriges Mädchen, bei der Polizei in Lingen eine Anzeige. Sie gab an, sie sei von einem Mann vergewaltigt worden, und nannte dabei nur den Vornamen des mutmaßlichen Täters. Die Tat soll sich bereits am Tag zuvor, also am 30. Mai, in der Wohnung eines Bekannten ereignet haben.
Nach den dem Justizministerium vorliegenden Informationen nahm die Polizei unmittelbar die Ermittlungen auf. Der Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft Osnabrück wurde von der Polizei unmittelbar nach der Anzeige unterrichtet. Nach Rücksprache mit dem Bereitschaftsstaatsanwalt wurden die nächtliche Hausdurchsuchung der mutmaßlichen Taträume und die vorläufige Festnahme des Tatverdächtigen angeordnet. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft hatten dabei vereinbart, miteinander wieder Rücksprache zu nehmen, wenn der mutmaßliche Täter dort in der Wohnung angetroffen werden sollte. Dazu ist es nicht gekommen, weil er sich dort nicht aufhielt.
Die Polizei ermittelte im Weiteren, dass es sich bei dem Täter um einen Sicherungsverwahrten handeln könnte. Das war Anlass für die Polizei, auch die JVA Lingen über den Verdacht zu unterrichten. Das war in der Nacht zum Sonntag.
Wie der Landespolizeidirektor bereits im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen dargelegt hat, hat die Polizei aufgrund kriminalistischer Erfahrungen auf die Beziehung zwischen den mit der Betreuung und Behandlung befassten Bediensteten der Sozialtherapie in Lingen und dem Flüchtigen gesetzt. Die Polizei hat deshalb die
Mitarbeiter der JVA in den frühen Morgenstunden des Sonntags gebeten, mit dem Sicherungsverwahrten telefonisch in Kontakt zu treten. Ein erster Anrufversuch der behandelnden Therapeutin erfolgte bereits um 5.30 Uhr, ein weiterer gegen 8 Uhr von einem Bediensteten der Sozialtherapie.
Tatsächlich wissen wir, dass der Sicherungsverwahrte die JVA am Sonntagvormittag auf diese Versuche hin zurückgerufen hat. Er kündigte an, dass er sich bis 12 Uhr stellen wolle. Dies ist dann jedoch nicht erfolgt, wie wir wissen. Einen weiteren Kontakt um 18 Uhr, von dem die Presse berichtete, gab es nach den im Justizministerium vorliegenden Berichten hingegen nicht. Wenn Sie so wollen: Es war eine Ente.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück wurde, wie gesagt, einmal am Samstag wegen der geplanten Durchsuchung der mutmaßlichen Taträume von der Polizei mit dem Tatvorwurf befasst. Diese Maßnahme richtete sich damals noch nicht gegen den identifizierten mutmaßlichen Täter.
Nachdem die Ermittlungen der Polizei am Sonntag nicht zur Ergreifung des Tatverdächtigen geführt hatten, wandte sich die Polizei dann am Montag, dem 2. Juni, erneut an die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Die Staatsanwaltschaft erwirkte Beschlüsse zur Telekommunikationsüberwachung und -ortung und stellte einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Diese Maßnahmen richteten sich dann gegen den Sicherungsverwahrten.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Justizministerium ist am sehr frühen Sonntagmorgen, dem 1. Juni, von der JVA Lingen fernmündlich in Kenntnis gesetzt worden. Ich und der Justizstaatssekretär wurden telefonisch sozusagen vorgewarnt, dass wir eine schriftliche Mitteilung per Mail bekommen würden. Die ist dann auch um 13.33 Uhr ausführlich bei uns per E-Mail eingegangen. Ich habe in zwei Telefonaten mit der Strafvollzugsabteilung die Situation erörtert und mich vergewissert, dass das Notwendige in dieser Sache veranlasst war.
Hierzu gehörte auch die Unterrichtung des Unterausschusses „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“, die am Montag auf elektronischem Weg kurz nach 7 Uhr am Morgen erfolgte. Sie wissen, dass der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ auf der Grundlage einer langjährigen Vereinbarung mit meinem Haus über sogenannte außerordentliche Vorkommnisse im niedersächsischen Vollzug unterrichtet wird.
Ich habe veranlasst, dass die schriftliche Unterrichtung der Mitglieder des Unterausschusses auch die Mitglieder des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am Montag erreicht. Ich habe außerdem eine mündliche Unterrichtung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen in gemeinsamer Sitzung mit dem Unterausschuss angeboten. Der Ausschuss hat davon abgesehen, noch in derselben Woche eine Sitzung durchzuführen.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir wichtig, sicherzustellen, dass die Opfer von Straftaten - insbesondere das mutmaßliche Opfer in diesem Fall und, weil es sich um ein Kind handelt, auch die Eltern - Informationen über mögliche Hilfsangebote erreichen.
Wir alle wissen, dass es in Niedersachsen sehr gute Angebote für Opfer von Straftaten und insbesondere auch für Opfer von sexueller Gewalt gibt.
Opfer von Straftaten können sich an die Opferhilfebüros wenden, die die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen an vielen Standorten im Land unterhält. Die Stiftung bietet Opfern von Straftaten eine umfangreiche Beratung und Begleitung durch qualifizierte Fachkräfte und kann ihnen auch finanziell unter die Arme greifen, wenn das erforderlich ist. Darüber hinaus stehen niedersachsenweit eine Vielzahl anderer kompetenter Opferunterstützungseinrichtungen zur Verfügung, etwa der Weiße Ring mit seinen sehr erfahrenen Mitarbeitern.
In der Zuständigkeit des Sozialministeriums gibt es zwei weitere Angebote, die ich besonders wichtig bei der Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt finde.
Zum einen gibt es das Netzwerk ProBeweis. Dabei handelt es sich um ein Projekt der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Projekt bietet an einer Vielzahl von Standorten in ganz Niedersachsen eine schnellstmögliche Untersuchung und die Sicherung von Beweisen an; und zwar unabhängig davon, ob sich die betroffene Frau - in der Regel handelt es sich ja um Frauen und Mädchen - schon dafür entschieden hat, bei der Polizei Strafanzeige zu erstatten. Häufig ist es, wenn man sich dazu durchgerungen hat, zu spät, um die Beweise am Körper des Opfers zu sichern.