Protocol of the Session on May 15, 2014

Meine Damen und Herren, vergessen wir nicht, was uns die europäische Integration bereits gebracht hat. Nachdem die politische Spaltung Europas in Nationalstaaten und Blöcke überwunden worden ist, müssen wir jetzt alles dafür tun, dass es keine soziale Spaltung gibt. Es darf nicht sein, dass unsere Kinder in Unis in Barcelona und Rom studieren und gleichzeitig in Griechenland oder Spanien eine Jugendarbeitslosigkeit - auch wenn der Ministerpräsident die Zahl schon angespro

chen hat, will ich sie noch einmal wiederholen, weil sie so bedrückend ist und es daher wichtig ist, sie auszusprechen - von mehr als 60 % zu verzeichnen ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine ganze Generation junger Europäer weiterhin in solchen dramatischen Verhältnissen lebt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für mehr Gerechtigkeit brauchen wir dringend und unbedingt ein europäisches Investitionsprogramm.

Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Landtag bereits gezeigt, dass es uns gelingt, über Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam Beschlüsse für Europa und gegen Grenzen zu fassen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Herr Bode, gerade lobe ich auch Sie. Dann können Sie gerne zuhören!

Gemeinsam haben wir einen Beschluss zur Verbesserung der Situation syrischer Flüchtlinge gefasst. Das haben wir gemeinsam geleistet. Gemeinsam werden wir heute zur Europawahl aufrufen. Ich wünsche mir noch mehr solcher gemeinsamen Initiativen und dass es uns gelingt, noch mehr Grenzen einzureißen, sodass eine bärtige Gewinnerin des Eurovision Song Contests nicht der einzige wahrnehmbare Höhepunkt europäischer Einigkeit bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich bin auch dafür dankbar, dass der Ministerpräsident, die Kollegin Modder und auch der Kollege Thümler darauf hingewiesen haben, dass wir bei den anstehenden Wahlen Europa nicht denen überlassen dürfen, die den hohen Wert von Frieden, Freiheit und Demokratie nicht begreifen. Es ist richtig, was meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben. Wir brauchen eine hohe Wahlbeteiligung. Sie ist die sichere Voraussetzung dafür, dass wir in einem handlungsfähigen Europaparlament keinen Raum und keinen Meter für Nationalisten und Rechtspopulisten lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich freue mich darüber, dass wir diesen Beschluss nachher gemeinsam fassen.

Ich glaube, wir alle haben noch Tage und Wochen vor uns, in denen wir Menschen dafür begeistern müssen, dass sie diesen Wahltermin wahrnehmen. Niedersachsen braucht ein starkes Europa. Lassen

Sie uns hier in Niedersachsen gemeinsam für ein weltoffenes, ein friedliches und ein solidarisches Europa eintreten und kämpfen!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch Ihnen, Frau Kollegin Piel, ein herzliches Dankeschön für Ihre Rede. - Jetzt hat im Rahmen der Aussprache der Abgeordnete Christian Dürr als Vorsitzender der FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, vieles, was ich in Ihrer Rede gehört habe, trifft auf meine ausdrückliche Zustimmung. Europa ist ein Friedensprojekt. Ich glaube, da sind wir alle uns einig. Europa ist ausdrücklich auch ein Wohlstandsprojekt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber ich will, zu Anfang jedenfalls, auch ein bisschen Wasser in den Wein schütten. Weit weniger beeindruckend finde ich, dass Sie die niedersächsische Europapolitik vor allem auf das Thema Förderpolitik mit Geld aus Europa reduzieren. Herr Weil, Sie klammern sich ja geradezu an die europäischen Struktur- und Sozialfonds. Ich habe ein bisschen den Eindruck - deswegen ist das ein Déjà-vu-Erlebnis -: Wir erleben jetzt das gleiche Spiel wie vor der Bundestagswahl. Ihre Landesregierung hat sich damals an den Strohhalm der Steuermillionen aus Berlin geklammert; wir alle erinnern uns.

Jetzt soll mit den Fördermillionen aus Brüssel alles anders werden. Das Prinzip, meine Damen und Herren, ist das gleiche: Weil Sie es hier vor Ort nicht richtig hinkriegen, vernünftige Arbeit zu leisten, soll Brüssel oder Berlin viel Geld schicken.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie loben hier die europäische Strukturförderung. Das trifft in Teilen durchaus auch auf meine Zustimmung. Aber, nebenbei angemerkt, es ist das Land Niedersachsen, das es von 16 deutschen Bundesländern nicht auf die Kette bekommt, meine sehr verehrten Damen und Herren - das muss auch ausgesprochen werden -, all das bei der Europäi

schen Kommission zu notifizieren. Es liegt an dieser Landesregierung, dass es mit der Strukturförderung in der kommenden Periode nicht klappen wird. Das muss man an diesem Punkt ganz klar aussprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage das, weil das eigentlich das Brot- und Buttergeschäft der Europapolitik in Niedersachsen sein muss. Am Ende werden die Leidtragenden die niedersächsischen Kommunen sein. Diese wissen - das will ich unterstreichen - doch am allerbesten, wie man es machen muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in allen Landkreisen und kreisfreien Städten hervorragende Wirtschaftsförderer. In den Landkreisen, in den Gemeinden und Kommunen sind sie ganz, ganz nah dran an dem, was richtige Förderpolitik sein muss. Deswegen fordere ich Sie, Herr Ministerpräsident, und ausdrücklich auch den Wirtschaftsminister - er ist jetzt nicht da - und alle diejenigen, die in der Landesregierung dafür zuständig sind, erneut auf: Wir brauchen wieder die guten, bewährten regionalen Teilbudgets, mit denen vor Ort entschieden wird, wie Strukturpolitik gemacht wird, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sehr verehrter Herr Weil, dafür braucht es keine Landesbeauftragten. Fragen Sie mal die Kommunen, meine Damen und Herren! Stattdessen kriegen diese Kommunen jetzt leere Töpfe zu Beginn der kommenden Förderperiode - und als Geschenk obendrauf noch Herrn Wunderling-Weilbier. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist bei der europäischen Strukturförderung vonseiten des Landes zu wenig!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, mir ist noch etwas an Ihrer Rede aufgefallen. Das merkt man schon an der Überschrift. Da kommt eine tiefe Skepsis gegenüber dem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt durch, schon im Titel: „Mehr als nur Binnenmarkt“.

Ich sage Ihnen: Sie machen da einen großen Fehler. Denn der Binnenmarkt ist nicht irgendein Absatzmarkt für große Konzerne. Der europäische Binnenmarkt ist das Herz des europäischen Projekts. Dieser europäische Binnenmarkt ist vermutlich der größte Chancenmacher, den wir je in Europa hatten. Deshalb sage ich ganz deutlich: Da

von brauchen wir nicht weniger, davon brauchen wir mehr in Europa.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Allein im vorhin bereits angesprochenen Energiebereich, der im Moment nicht Teil des Gemeinsamen Marktes ist, würde ein europäischer Binnenmarkt jedem einzelnen Haushalt in Niedersachsen unglaubliche Vorteile bringen. Der Strom in Polen oder in Finnland kostet nur halb so viel wie in Deutschland. Jeder niedersächsische Haushalt könnte seine Stromrechnung über einen gemeinsamen europäischen Strommarkt schon heute halbieren.

Herr Weil, die Menschen hier in Niedersachsen brauchen keine rot-grüne Förderbürokratie. Die Menschen in Niedersachsen brauchen dringend mehr Binnenmarkt, viel mehr Binnenmarkt. Deswegen will ich an dieser Stelle deutlich über Europa hinaussehen: Neben dem Binnenmarkt in Europa brauchen wir auch ein gut ausgehandeltes Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vorhin ist, ich glaube, von der Kollegin Modder und von der Kollegin Piel schon etwas zu dem Thema Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union gesagt worden. Wir alle wissen, dass in Südeuropa mehr als die Hälfte aller jungen Menschen arbeitslos ist. Gleichzeitig sind die guten Lebensmittel aus Südeuropa in den USA zu teuer, weil sie derzeit mit hohen Zöllen belegt werden. Wie kann man eigentlich auf der einen Seite die Jugendarbeitslosigkeit in Europa beklagen und im gleichen Atemzug gegen das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten sein?

Meine Damen und Herren, diese billige Polemik richtet sich in Wahrheit gegen die jungen Menschen. Es geht um Absatzchancen für genau die europäischen Unternehmen, die Jobs für Berufseinsteiger in Südeuropa schaffen könnten. Freihandel und Binnenmarkt, meine Damen und Herren, sind die besten Chancen auf einen Job und eine Existenzgrundlage, die viele junge Menschen in Portugal oder Griechenland bekommen können. Und die Grünen leisten sich eine Luxusdebatte über Biocroissants und glückliche Hähnchen. Das ist das genaue Gegenteil, meine Damen und Herren, von europäischem Denken.

Herr Weil, Sie haben gesagt, dass wir den Europaskeptikern nicht auf den Leim gehen dürfen. Das teile ich. Aber diese billige Polemik im Vorfeld der

Europawahlen gegenüber dem Freihandelsabkommen ist genau das, was die populistischen Parteien in Europa leider propagieren. Das muss man ganz deutlich aussprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen noch einmal: Europa braucht mehr Binnenmarkt! Die Menschen brauchen mehr Binnenmarkt! Aber natürlich gibt es auch Dinge, von denen wir in Europa weniger brauchen. Dafür braucht man kein Europaskeptiker zu sein, aber auch darüber sollten wir streiten.

Eines gehört dazu - ich glaube, der Kollege Björn Thümler hat das vorhin schon gesagt -: Als sich Herr Gabriel in Deutschland, in Berlin, mit dem Glühbirnenverbot nicht durchsetzen konnte, ist er den Weg über den Ministerrat gegangen. Das Ergebnis war die sogenannte Ökodesignrichtlinie. Auf diesem Feld toben sich nämlich die nationalen Verbotspolitiker am Ende des Tages aus. Die Ökodesignrichtlinie muss abgeschafft werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Ökodesignrichtlinie gibt der EU-Bürokratie - übrigens nicht dem Europäischen Parlament, sondern der Bürokratie! - die Kompetenz, Produkte im Hinblick auf ihre vermeintliche Umwelt- und Klimafreundlichkeit zu normieren. Da dürfen nämlich Expertenkommissionen im Hinterzimmer über das Recht bestimmen. Sie legen dann fest, welche Produkte zulässig sein sollen und welche eben nicht.

Damit man eine Vorstellung bekommt, womit sich diese EU-Experten beschäftigen, habe ich mir mal die Produktklassen angeschaut. Für jede dieser Produktklassen gibt es sogar eine eigene Expertenkommission. Ich lese Ihnen mal ein paar vor: Drucker, Kopierer und Multifunktionsgeräte, Standby-Verluste von Fernsehern, Batterieladegeräte, einfache Set-Top-Boxen, Set-Top-Boxen mit komplexer Funktion, gewerbliche Kühl- und Gefrieranlagen, private Kühl- und Gefrierschränke, private Geschirrspülmaschinen und Waschmaschinen, gewerbliche Geschirrspüler, Waschmaschinen und Trockner, Haushalts- und Gewerbeherde und Grills, nichtgewerbliche Kaffeemaschinen, Staubsauger, Bürobeleuchtung, Straßenbeleuchtung, Haushaltsbeleuchtung und Haushaltsnotstromversorgung.

Meine Damen und Herren, diese Ökodesignrichtlinie ist der Gesetz gewordene Schildbürgerstreich! Es lohnt sich, bei dieser Wahl dafür zu kämpfen, dass diese Richtlinie abgeschafft wird. Die Akzep

tanz der europäischen Idee darf nicht dafür aufs Spiel gesetzt werden, dass Bürokraten jeden Staubsauger und jeden Wasserhahn normieren.

Meine Damen und Herren, dafür ist Europa zu wichtig. Wir brauchen keine europäische Regelung darüber, wie Ihr Schlafzimmer beleuchtet sein darf. Wir dürfen Europa nicht den Glühbirnenverbietern und Vereinheitlichungsfetischisten überlassen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)