Protocol of the Session on February 26, 2014

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Nun für die SPD-Fraktion Herr Kollege Schminke, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Landesregierung ist für faire Arbeitsbedingungen in der Arbeitswelt angetreten. Darum werden wir auch nicht müde, Missstände zu bekämpfen, wo es nötig ist.

Bei der Werkvertragsarbeit gibt es unbestritten viele positive Beispiele. Darum wollen wir die Werkvertragsarbeit auch nicht abschaffen. Es gibt aber auch die andere Seite. Da sind unbestritten auch sehr viele skandalöse Zustände in der Werkvertragsarbeit festgestellt worden. So wurden die Menschen z. B. in der Fleischbranche zu Sklavenlöhnen beschäftigt und in menschenunwürdigen Behausungen und Räumen untergebracht, meine Damen und Herren. Deshalb wollen wir mit diesem Antrag auch die Bedingungen der Werkvertragsarbeit insgesamt positiv verändern. Das ist das Bestreben.

Allein die Zeitschiene dieses Antrags belegt eine saubere Beratungsarbeit. Der Antrag wurde am 21. August 2013 in erster Lesung eingebracht. Wir haben nach internen Beratungen und Recherchen auch den Sachverstand von Verbänden, Gewerkschaften, Arbeitsrechtlern sowie Unternehmerverbänden und der Kirchen bei einer Anhörung am 1. Oktober 2013 eingeholt.

Mit beraten hat auch der Sozialausschuss die Unterbringung und die Ausstattung von Unterkünften. Auch diese Beratung war für uns hilfreich. Vielen Dank an dieser Stelle an die Sozialos!

(Norbert Böhlke [CDU]: Immer gerne!)

Heute präsentieren wir Ihnen einen ausgereiften Antrag, der die wichtigsten Anforderungen und Empfehlungen beinhaltet, die für Werkverträge einfach unverzichtbar sind, meine Damen und Herren.

Vorweg aber noch ein Dankeschön an die Landesregierung! Denn bereits am 17. Dezember 2013 wurde mit einem Erlass die Belegung und Ausstattung von Unterkünften festgezurrt. Einbezogen wurde auch die Anwendung der ArbeitsstättenRichtlinie. Angesichts der dramatischen Geschehnisse in Papenburg im Zusammenhang mit der

Meyer-Werft, die wir heute schon mehrfach angesprochen haben, war das die einzig richtige und konsequente Antwort, meine Damen und Herren. Menschenunwürdige Missstände erforderten sofortige Maßnahmen. Die Landesregierung hat sofort gehandelt, weil es dringlich war.

Meine Damen und Herren, nachdem wir im Bereich der Leiharbeit etwas mehr Ordnung geschaffen haben, wird Werkvertragsarbeit immer häufiger strategisch eingesetzt, um z. B. Mitbestimmungsrechte und tarifliche Regelungen zu umgehen. Immer öfter werden Arbeitnehmer in eigens dafür gegründete Firmen outgesourct. Sie erhalten anschließend für die gleiche Tätigkeit, die sie auch vorher ausgeübt haben, deutlich weniger Geld. Darüber hinaus werden immer öfter Fremdfirmen über Werkverträge zu noch schlechteren Konditionen und Bedingungen eingesetzt.

Meine Damen und Herren, wir haben inzwischen eine Dreiklassenbelegschaft in den Unternehmen. Die Stammbelegschaften geraten immer mehr unter Druck. Darum ist die Zeit reif, diesen Auswüchsen schnellstens ein Ende zu bereiten. Exakt das wollen wir mit unserem Antrag erreichen.

(Zustimmung von Marco Brunotte [SPD])

Wir brauchen klare Abgrenzungen zur Leiharbeit. Die Werkvertragsarbeit muss reguliert werden. Darum brauchen wir Abgrenzungen zwischen abhängiger und selbstständiger Erwerbsarbeit. Aber auch die Grenze zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertragsarbeit muss eindeutig gezogen werden, damit die Hauptzollämter bei den Kontrollen überhaupt noch durchblicken und die tatsächlichen Betrüger erkennen können.

Wir haben das in unseren Antrag aufgenommen; denn ohne klare Abgrenzungen werden die Kontrolleure keine Chance haben, zwischen rechtmäßiger Werkvertragsarbeit und Scheinwerkverträgen zu unterscheiden. Aber genau darauf kommt es an, meine Damen und Herren.

Wir brauchen Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Dies wollen wir über eine Bundesratsinitiative erreichen.

Während die CDU in ihrem ursprünglichen Antrag lediglich die Informations- und Unterrichtungsrechte der Betriebsräte sicherstellen wollte - Sie haben das eben korrigiert und gesagt, dass Sie sich der weitergehenden Mitbestimmungsforderung für Betriebsräte anschließen -, haben wir Wert darauf gelegt, dass die Mitbestimmungsrechte ausgewei

tet werden. Ich sage das ausdrücklich, Frau König. Sie müssen ausgeweitet werden, damit die Betriebsräte andere Möglichkeiten haben, z. B. Klagemöglichkeiten, um anständige Tarifverträge einzufordern und den Arbeitgebern auch auf dem Klagewege entgegenzutreten, meine Damen und Herren. Dahin müssen wir kommen. Das ist das Ziel.

Wir wollen die Generalunternehmerhaftung ausweiten, damit für Arbeitnehmer das Betrugsrisiko gemindert wird und Ansprüche auch gegen Generalunternehmer durchsetzbar sind. Herr Toepffer, das wäre in der Tat ein großer Fortschritt.

Neben einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wollen wir die Möglichkeit weiterer tariflicher Mindestlöhne über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch für weitere Branchen ermöglichen.

Meine Damen und Herren, wer sich mit der Werkvertragsarbeit beschäftigt, wird sehr schnell feststellen, dass Zahlen und Statistiken in diesem Bereich Mangelware sind, weil es keine Meldepflicht für Werkvertragsarbeitnehmer gibt. Ebenso fehlen Nachweise der Sozial- und Krankenversicherung. Irgendwie beschleicht einen auch immer das Gefühl, dass sich in der Werkvertragsarbeit niemand überhaupt bemüht, Daten und Zahlenwerk zu bekommen.

So kann das nicht bleiben. Hier müssen endlich belastbare Werte durch Meldedaten geschaffen werden. Exakt das fordern wir auch mit unserem Antrag.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD] und Helge Limburg [GRÜNE])

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, viele Werkvertragsarbeitnehmer kommen aus Osteuropa. Sprachliche Barrieren sind an der Tagesordnung. Ihre direkten Ansprechpartner sind häufig nicht so zimperlich - auch nicht und insbesondere nicht, wenn es um das Quittieren von Löhnen geht. Nicht selten müssen Löhne mit Unterschrift auf Blankolisten quittiert werden. Ich habe solche Listen in meinem Berufsleben früher sehr häufig gesehen. Leider konnte man den Arbeitnehmern nur selten noch zu ihrem Recht verhelfen. Die nachträglich vom Arbeitgeber eingetragenen Lohnsummen wurden oft nicht annähernd ausgezahlt. Das ist nicht nur am Bau sehr oft gängige Praxis. Darum können die Zollbeamten später den Lohnbetrug auch nicht mehr richtig nachweisen.

Eine bargeldlose Zahlung durch Überweisung wäre da sicher hilfreich. Das ist aber leider nicht mit dem geltenden EU-Recht kompatibel. Wir haben trotzdem den Wunsch, dass irgendwann auch noch eine Möglichkeit der bargeldlosen Lohnzahlung geschaffen wird. Deshalb haben wir das mit aufgenommen, Herr Toepffer, ob es Ihnen passt oder nicht; denn dies wäre ein wichtiger Schutz für Arbeitnehmer. Das darf man nicht aus dem Auge verlieren.

(Zustimmung von Renate Geuter [SPD])

Nach dem Verständnis der EU-Spezialisten darf man einen Arbeitnehmer nicht zur Eröffnung eines Girokontos zwingen, weil er dann auch verpflichtet wäre, die Kontoführungsgebühren zu tragen. Wo sind denn eigentlich die EU-Rechtsexperten, wenn der Arbeitnehmer bei der Barauszahlung nur ein Drittel der Lohnansprüche erhält und mit Blankounterschrift viel mehr quittiert, als er tatsächlich bekommt? - Da hört man von den Rechtsexperten nichts!

Meine Damen und Herren, wir müssen das Personal der FKS, also der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei den Hauptzollämtern, und das Personal bei den Staatsanwaltschaften verstärken. Wer Wirtschaftskriminalität wirklich bekämpfen will, der braucht Personal für das operative Geschäft, aber auch Personal für die Prüfung und für die Ermittlungstätigkeiten. Die Vorgänge müssen gerichtsfest werden. Das ist oft nur mit langwieriger Aufarbeitung möglich. Hier werden Kräfte gebunden, die dann draußen für Kontrollen fehlen.

Mehr Personal brauchen auch die Gewerbeaufsichtsämter; denn sie sollen die Einhaltung der Arbeitsschutz- und Arbeitszeitbestimmungen kontrollieren. Auch da sind Unternehmen mit Werkvertragsarbeitnehmern eine gute Adresse. Das zeigen die Berichte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sehr deutlich. Darum haben wir das ebenfalls mit aufgenommen.

Meine Damen und Herren, Sie merken: Wir verfolgen konsequent das Leitbild guter Arbeit. Dazu gehört auch Equal Pay. Europa wächst weiter. Wir begrüßen mit offenem Herzen Arbeitnehmer aus der ganzen Welt - natürlich auch, indem wir uns für ihre Rechte einsetzen. Das ist eine Verpflichtung. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn skandalöse Niedriglöhne gezahlt werden. Deshalb begrüßen wir auch die Einrichtung einer mobilen Beratungsmöglichkeit, die durch die Landesregierung geschaffen wurde. Vielen Dank, Herr Wirtschaftsmi

nister Lies! Das hilft osteuropäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wer uns hilft, der hat anständigen Lohn, gute Arbeitsbedingungen und anständige Unterkünfte verdient.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Frau König oder der FDP sage ich: Sie lehnen weiterhin den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ab. Sie setzen weiter uneingeschränkt auf das freie Handeln der Wirtschaft - und das alles ohne Regeln.

(Christian Grascha [FDP]: Schwach- sinn!)

Daher lehnen wir den in höchstem Maße provozierenden Antrag aus tiefster Überzeugung ab. Das geht gar nicht!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die CDU ist uns schon deutlich näher gekommen, höre ich von meinem Kollegen, und auch Herr Toepffer hat das eben deutlich kundgetan. Herr Toepffer, das finde ich gut, das finde ich sogar sehr gut, weil wir in den Jahren Ihrer Regierungsverantwortung ebenso weit voneinander entfernt waren, wie SPD und FDP es heute sind, nämlich Lichtjahre. Wenn Sie schon betonen, dass Sie uns heute so nahe sind, dann wollen wir jetzt nicht auch noch um die letzte Silbe feilschen, Herr Bley. Darum machen Sie nicht viel Federlesen! Erfüllen Sie sich den Traum, und stimmen Sie einfach unserem Antrag zu!

(Heiterkeit bei den GRÜNEN - Lachen bei der FDP)

Dann können Sie wieder viel ruhiger schlafen! Denn unser Antrag ist in der Tat einer, der mit viel Fleiß unterlegt ist. Es ist ein guter Antrag, und wir stimmen ihm aus innerster Überzeugung zu.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schminke. - Zu einer Kurzintervention hat sich nun Herr Dr. Matthiesen gemeldet. Bitte!

Herr Kollege Schminke, bei den verschiedenen Vorschlägen, die Sie machen, bis hin zur Generalunternehmerhaftung, ist es jetzt noch das große

Kunststück, alles in trockene Tücher zu bringen. Da frage ich Sie, was Sie von der Möglichkeit halten, Rechtsklarheit zugunsten des Arbeitnehmers auch dadurch zu schaffen, dass dann, wenn Missbrauch vorliegt, als Sanktion ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher bzw. Werkvertragsgeber und dem Arbeitnehmer begründet wird, der an der falschen Stelle beschäftigt worden ist, insbesondere dann, wenn es sich um eine längere als vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung handelt - diesbezüglich soll ja eine Höchstgrenze eingeführt werden -, oder bei Scheinwerkverträgen, die in Wirklichkeit Arbeitnehmerüberlassungen sind. Das ist doch wohl die noch ganz offene Flanke einer wirksamen Sanktion. Da gehört auch die Frage der Beweislasterleichterung, die Möglichkeit, sich einklagen zu können, mit hinein. Was haben Sie da im Köcher?

Vielen Dank, Herr Dr. Matthiesen. - Herr Kollege Schminke antwortet. Bitte!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Jetzt bin ich gespannt!)

Die Spannung kann ich nehmen: Wenn das rechtlich umsetzbar wäre, dann würden wir das sofort und gerne mitmachen.

Ich will einmal einen praktischen Fall schildern: Wenn beispielsweise in der Gebäudereinigung - auch damit hatte ich in meiner Laufbahn sehr häufig zu tun; denn das ist im Handwerksbereich auch Betreuungsgebiet der IG BAU gewesen - eine Firma die Leute nicht korrekt bezahlt hat, obwohl das vertraglich fixiert war, dann hat die Firma den Auftrag verloren. Dann haben wir immer den Versuch unternommen, dass auch das Personal, das sich schon bestens auskannte und die Reinigungsreviere - so heißt das - schon bestens kannte, von der Nachfolgefirma, die den Auftrag übernommen hat, übernommen wurde. Ich hatte natürlich überhaupt kein Interesse daran, dass dabei ausgerechnet die Kolleginnen und Kollegen die Leidtragenden waren, die zuvor schon um viel Lohn betrogen worden sind.

Deshalb kann ich der Intention sehr gut folgen, und ich weiß, dass das ein gutes und ehrenwertes Ziel ist. Allerdings waren die Firmen niemals verpflichtet, sich auch daran zu halten und das Personal tatsächlich zu übernehmen. So ist die Rechtslage. Deshalb ist das ein Wunschdenken. Ich würde es

begrüßen, ich fände es gut, aber wir können es leider nicht durchsetzen.