Aber es scheint doch einige Leute sehr zu stören, dass man sich in dieser Regierung nicht ständig an die Brust klopft und „Herr, Herr!“ ruft, sondern dass diese Regierung im Sinne einer „Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ - so der von Ihnen zitierte Titel des Sozialwortes der Kirchen - handelt.
Insofern könnte man ganz entspannt zustimmend auf diesen Antrag schauen, wenn er nicht in seinen Forderungen oft mit einer völlig unberechtigten indirekten Vorwurfshaltung verknüpft wäre. Die sieben Forderungen an die Landesregierung gehe ich deswegen einmal im Einzelnen durch, um zu skizzieren, worum es in den Ausschussberatungen gehen kann und muss.
Die Landesregierung soll sich, so heißt es in Forderung 1, „zur christlichen Prägung des Landes Niedersachsen in gleichem Maße … bekennen wie auch zum Respekt vor jeder anderen Glaubensüberzeugung“. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur unstrittig, in ihrem Respekt gegenüber dem Christentum wie gegenüber allen unterschiedlichen Glaubensrichtungen und -überzeugungen lässt sich die Landesregierung und lässt sich auch die SPD-Landtagsfraktion von niemandem so leicht übertreffen.
Für die Forderungen 2 und 3, „die Kirchen bei der Ausübung ihrer Aufgaben auch zukünftig zu unterstützen“ und „den Loccumer Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen und das Konkordat zwischen dem Land Niedersachsen und dem Heiligen Stuhl fortzuschreiben“, gilt das Gleiche. Die
Verträge werden nicht nur erfüllt, sie enthalten darüber hinaus eine von niemandem in diesem Hause infrage gestellte Freundschaftsklausel, die besagt, dass etwaige Differenzen im Geiste guter Zusammenarbeit geklärt werden.
In Punkt 4 wird die Landesregierung aufgefordert, „weiterhin am christlichen Religionsunterricht in den Schulen festzuhalten und ihn zu einem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht weiterzuentwickeln“. Dazu kann ich nur das wiederholen, was ich schon in diversen Podiumsdiskussionen zum Ausdruck gebracht habe: Die Formulierung in der Koalitionsvereinbarung, der Religionsunterricht solle weiterentwickelt werden, bezieht sich genau auf solche Elemente. Sie umfasst allerdings mehr und bezieht auch die Entwicklung des muslimischen Religionsunterrichts aus dem Versuchsstadium in die Normalität ein.
Ich gestehe, dass ich den Punkt 5 mit seiner Forderung, „den Religionsunterricht auf die Schuljahrgänge 1 bis 12 bzw. 13 und auf alle Schulformen auszuweiten“, nicht verstehe. Nach meiner Kenntnis gibt es keine Lücke in den Stundentafeln zwischen den Klassenstufen 1 und 13. Vielleicht wäre einfach etwas mehr Sorgfalt bei der Recherche angebracht gewesen. Eine Lücke gibt es allerdings - Herr Grascha hat das erwähnt - beim Fach „Werte und Normen“. Hier wäre es angebracht, zukünftig die Grundschulen einzubeziehen. Das ist ein weiterer Punkt, auf den sich die Formulierung von der Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in der Koalitionsvereinbarung bezog.
Was den Bedarf an Religionslehrern - Punkt 6 - angeht, so werden regelmäßig - und regelmäßig steigend - genügend Lehrkräfte ausgebildet. In Jahrzehnten aber ist es nie - auch der Vorgängerregierung nicht - gelungen, sie alle im Unterricht einzusetzen, weil keine Lehrkraft gezwungen werden kann - das ist eine Besonderheit des Faches -, Religionsunterricht zu erteilen. Das macht die Planung so schwierig, sollte aber in Ruhe diskutiert werden.
Dann folgt noch Forderung 7, „den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag in Niedersachsen anzuerkennen“. Dies ist im Grunde der einzige konkrete und neue Vorschlag im Antrag. Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass der Antrag ein bisschen als Mäntelchen dient, um das Thema Reformationstag anzufüttern und einzukleiden. Die
Idee ist auch nicht abwegig. Es gibt aber eine Reihe von Gesichtspunkten zu bedenken und im Ausschuss zu besprechen. Drei davon will ich nennen.
Erstens gab und gibt es in den Schulen eine langjährige Verknüpfung der Regelungen zum Reformationstag mit den Regelungen zum katholischen Feiertag Allerheiligen. In diese Parallelität einzugreifen, könnte zu Schwierigkeiten führen.
Wir werden zweitens im Zuge des aktuell verhandelten Staatsvertrages mit den muslimischen Verbänden auch Feiertagsregelungen zu besprechen haben, die sehr sensibel zu behandeln sind.
Drittens. Wenn dieser Vorschlag mehr sein soll als ein populistisches Angebot, nämlich ein echter Beitrag zur Stärkung des christlichen Profils, dann muss auch gefragt werden, wie ein solcher Feiertag in einer zunehmend säkularen Gesellschaft mit Inhalt gefüllt werden soll.
Das Ringen um die Feiertage hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Feiertagsregelungen sind viel vielschichtiger, als ein wohlfeiler und scheinbar öffentlichkeitswirksamer Vorschlag wie dieser es erkennen lässt.
Längst bekannt ist, dass es zwischen den Ländern erhebliche Unwuchten gibt, übrigens zuungunsten Niedersachsens. Hier für eine Angleichung zu sorgen, ist durchaus ein ehrenwertes Ziel, aber keines, das der Verkündigung der christlichen Botschaft dient, höchstens dem Klingeln in den Kassen. Dabei denke ich z. B. an den „Westfalentag“ in Osnabrück und ähnliche Tage in den Randgebieten des Landes, wenn Feiertage in anderen Bundesländern sind. Ein neuer Feiertag sollte jedenfalls nicht dazu da sein, den nächsten Beitrag zum Feiertagsshopping zu liefern. Das würde jedenfalls nicht zu der religiösen Tiefe passen, die Sie fordern.
Gestatten Sie mir zum Schluss und über die Feiertagsdebatte hinaus eine zusammenfassende Bemerkung: Das Verhältnis zwischen den Kirchen und der Sozialdemokratie in Niedersachsen ist von einer beeindruckenden Normalität und Unaufgeregtheit geprägt. Viele von Ihnen werden das bei den verschiedensten Anlässen erlebt haben. Der Versuch, mit einem solchen Antrag oder mit ähnlichen Formulierungen diesen freundschaftlichen Umgang infrage zu stellen, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Danke, Herr Poppe. - Der nächste Redner ist nun Herr Thümler für die CDU-Fraktion. Sie haben eine Restredezeit von 2:45 Minuten. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle zunächst einmal fest, dass wir durchaus in einigen Teilen Einigkeit haben. Das habe ich den Wortbeiträgen von Herrn Scholing und auch von Herrn Grascha entnommen.
Ich muss allerdings sagen: Herr Poppe, ich bin schon ein bisschen - - - Ich will nicht „entsetzt“ sagen; das wäre wahrscheinlich etwas zu stark. Aber ich wundere mich schon. Lesen Sie Ihre Ausführungen einmal nach, und reflektieren Sie noch einmal darüber, was Sie gerade gesagt haben!
Es stellt sich doch die Frage, wo eigentlich das Problem ist. Warum soll sich dieser Landtag nicht ganz klar zu den christlichen Wurzeln des Landes bekennen? - Dabei kann es nach dem, was Sie hier gerade ausgeführt haben, eigentlich gar keinen Dissens geben, ganz im Gegenteil.
Was ist Kirche? - Kirche sind wir alle, die wir uns bekennen. Weil Sie sich durchaus mit vielen kirchlichen Fragen beschäftigt haben, wissen Sie selber, dass eine der Grundforderungen Luthers war: Bekennt euch!
Ein Bekenntnis eines Landtages zu der Stellung der christlichen Kirchen ist sehr wichtig, aus dem einfachen Grund heraus, dass es in den unterschiedlichsten Parteien - das wissen Sie - vielfältige Bestrebungen gibt, die eine ganz andere, laizistisch orientierte Staatsausrichtung wollen. Ich kann Ihnen viele Papiere zeigen, die es dazu gibt, aus Ihrer Partei und auch aus anderen Parteien. Die machen mir am Ende des Tages Sorge, weil man damit ein gemeinsames Wertefundament verlässt.
Ich sage - das habe ich auch gerade in der Rede deutlich gemacht -: Dieses Staatswesen funktioniert am Ende des Tages nur bei einem Bekenntnis zu einem gleichen Wertefundament. Sonst
Zweite Bemerkung. Sie haben es hier so dargestellt, als ob wir in einem Wettbewerb stünden, als ob es darum ginge, welche Partei mit den Kirchen am besten umgehe. Darum geht es überhaupt nicht, das ist überhaupt nicht die Frage, sondern wir müssen uns intensiv mit der Frage beschäftigen, die Herr Scholing gerade am Ende noch einmal aufgeworfen hat. Diese Frage bezieht sich gerade auch auf den Reformationstag, der eben nicht nur ein kirchlicher Feiertag sein soll - das ist ja auch das, was Landesbischof Meister in seinen Reden immer wieder betont -, sondern der ausdrücklich dazu einladen soll, über die Grundidee von Reformation bis hin zur Aufklärung und über das, was daraus geworden ist, zu reflektieren. Darum muss es gehen. Deswegen bin ich, Herr Scholing, sehr einverstanden mit dem, was Sie gesagt haben, nämlich dass es darum geht, zu schauen, wie sich die Luther-Dekade, die bis 2017 dauert, entwickelt, und zu schauen, wie es weitergeht. Das ist ausdrücklich richtig, und das kann man so machen.
Wir dürfen dabei bloß nicht vergessen, dass es auch unsere Aufgabe ist, einen Beitrag dazu zu leisten - darum der Antrag und darum auch das klare Bekenntnis zum Religionsunterricht in der Schule, meine Damen und Herren. Ohne das wird es nicht funktionieren; denn wie soll die Vermittlung sonst vonstattengehen? - Von daher ist das eine Aufgabe, der sich der Landtag stellen muss. Und daran sollten wir gemeinsam arbeiten.
Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Heiligenstadt das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn mit dem vorliegenden Entschließungsantrag in der Tat viele Selbstverständlichkeiten eingefordert werden, bin ich froh, dass wir als Landesregierung mit dessen Behandlung auch hier die Bedeutung der Kirchen in der Gesellschaft noch einmal betonen und auch wertschätzen können.
Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat wird heute einerseits durch die Unabhängigkeit der Kirchen vom Staat, anderseits aber auch durch deren partnerschaftliche Beziehung geprägt, die sich auch daraus ergibt, meine Damen und Herren, dass Land und Kirchen für dieselben Menschen zuständig sind.
Diese besondere Qualität der Beziehung bildet für unsere politische und soziale Ordnung einen wichtigen Baustein. In vielen Lebensbereichen ergänzen sich staatliches und kirchliches Engagement, z. B. in der Bildungs- und Jugendarbeit, der Kranken- und Altenpflege, der Sozialarbeit, im Friedhofswesen oder auch in der Kunst- und Musikpflege.
Dieses partnerschaftliche Miteinander will die Landesregierung im Interesse der Menschen in unserem Lande bewahren und auch weiterentwickeln. Daher steht auch diese Landesregierung in der Kontinuität aller vorigen Landesregierungen. Wie es guter Tradition und den Vorgaben der Staatskirchenverträge entspricht, hat sich diese Landesregierung im September letzten Jahres z. B. mit den Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Kirche zu einem regen Gedankenaustausch getroffen, bei dem gesellschaftlich relevante Themen wie „ethische Aspekte der Suche nach einem atomaren Endlager“, „Pflegenotstand“ und „Dritter Weg“ behandelt wurden. Das turnusmäßige Treffen mit den evangelischen Landeskirchen steht im Mai dieses Jahres an und wird das Reformationsjubiläum und dessen Synergieeffekte für Land und Kirche behandeln.
Aber nicht nur die Beziehungen zwischen dem Kabinett und den Landesbischöfen sind eng und vertrauensvoll. Auch der Austausch auf der Arbeitsebene wird sehr intensiv gepflegt. Auftauchende Probleme im Zusammenhang mit den vorgenannten gemeinsamen Angelegenheiten von Land und Kirchen sind frühzeitig aufgegriffen und immer wieder auch zu einvernehmlichen Lösungen geführt worden. Das kann man allein schon an den konkordatären Änderungen - seit 2004 immerhin sieben - und auch an der Fortschreibung des Loccumer Vertrages in Form einer Vereinbarung über die evangelischen Schulen sehen. Auch die regelmäßigen Gespräche mit den Kirchen über die Sicherstellung des Religionsunterrichts sind dafür ein gutes Beispiel.
Der Religionsunterricht als eine Grundsäule der gemeinsamen Angelegenheiten ist für die Landesregierung nicht verhandelbar - und dies nicht nur wegen der verfassungsrechtlichen Garantie in Artikel 7 Abs. 3 unseres Grundgesetzes, sondern gerade wegen seines wesentlichen Beitrages zum Bildungsauftrag der Schule. Das haben wir bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage zum Religionsunterricht an niedersächsischen Grundschulen aus dem November 2013 deutlich gemacht.
Auch die Weiterentwicklung des konfessionellkooperativen Religionsunterrichts steht auf unserer Agenda. Das kann aber natürlich nur in Zusammenarbeit und mit Zustimmung der beiden Kirchen erfolgen.
Meine Damen und Herren, eine Belehrung über die Notwendigkeit der Einführung islamischen Religionsunterrichts braucht diese Landesregierung nicht. Schließlich war es die ehemalige Kultusministerin Jürgens-Pieper, die die Einführung dieses Schulversuches initiiert und auch gegen Widerstände aus dem politischen Raum durchgesetzt hat.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Die Dame hat eine gute Erinnerung!)
Seit Schuljahresbeginn 2013/2014 ist islamische Religion ordentliches Unterrichtsfach an niedersächsischen Grundschulen, und es wird zum Schuljahr 2014/2015 auch im Sekundarbereich I ordentliches Unterrichtsfach werden.