Protocol of the Session on September 21, 2017

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben pflichtbewusst ihre Arbeit gemacht und das getan, was möglich und angezeigt war, gerade auch in Abstimmung mit anderen Sicherheitsbehörden. Man muss sich geradezu wünschen - ich tue es sowieso -, dass die Verantwortung für die Innenpolitik in diesem Lande in bewährten Händen bleibt und nicht an Leute übertragen wird, die an anderen Landeskriminalämtern vorbei ermitteln wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich stelle fest, zur Dringlichen Anfrage unter b gibt es keine Wortmeldungen mehr für Zusatzfragen. Deswegen ist dieser Fragenkomplex abgeschlossen.

Wir kommen jetzt zu der Dringlichen Anfrage unter

c) Wie ist der aktuelle Stand der genehmigungs- und strafrechtlichen Aufarbeitung des Explosionsunglücks auf dem Gelände der Firma Organo Fluid in Ritterhude vom 9. September 2014? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/8733

Sie wird gestellt vom Kollegen Martin Bäumer. Herr Kollege, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter der Überschrift „Ritterhude - drei Jahre nach der Explosion“ berichtete der NDR auf seiner Internetseite in der letzten Woche über den Stand der Aufarbeitung des Explosionsunglücks in Ritterhude vom 9. September 2014. In dem Bericht wird u. a. ausgeführt:

„Auch nach drei Jahren ist kein Verantwortlicher gefunden. Obwohl ein Untersuchungsbericht des Umweltministeriums belegt, dass die Industrieanlage nicht alle erforderlichen Genehmigungen hatte. Das wurde jahrelang ignoriert. Bundes- und Landesumweltministerium, Bundesumweltamt, Landkreis Osterholz, Gemeinde Ritterhude, Bezirksregierung Lüneburg, Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven: Sie fühlten sich entweder nicht zuständig oder bescheinigten den Anwohnern, dass alle Genehmigungen vorlägen. …

Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und des unerlaubten Betreibens von Anlagen gegen den Chef der Chemiefabrik, zwei seiner Angestellten und gegen eine Mitarbeiterin des Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven. Seit drei Jahren. Und der Auslöser der verheerenden Explosion ist noch immer nicht gefunden.“

Wir fragen die Landesregierung:

1. Gibt es Erkenntnisse aus den bei der Staatsanwaltschaft Verden in Bezug auf das Explosionsunglück in Ritterhude vom 9. September 2014 geführten Ermittlungsverfahren, die eine Korrektur oder Neubewertung der Inhalte des von Umweltminister Wenzel am 11. Mai 2015 in öffentlicher Ausschusssitzung vorgestellten Berichts der Koordinierungsgruppe für die Aufarbeitung des Explosionsereignisses am 9. September 2014 bei der Organo Fluid GmbH in Ritterhude notwendig erscheinen lassen?

2. Aus welchen Gründen wird aktuell gegen frühere Geschäftsführer von Organo Fluid und Behördenmitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven ermittelt, nicht aber gegen aktuelle und frühere Amtsträger des Landkreises Osterholz, beispielsweise wegen der Erteilung fehlerhafter Genehmigungen, der Nichtrücknahme erteilter Genehmigungen oder Nichtanordnung rechtlich gebotener Untersagungen bzw. Auflagen?

3. Wie viele Berichte des Justizministeriums bzw. nachgeordneter Behörden aus dem Geschäftsbereich sind dem Chef der Staatskanzlei, Dr. Jörg Mielke, seit dem 9. September 2014 zur Kenntnis gegeben worden? Bitte einzeln mit Datum aufführen!

Vielen Dank für die Einbringung der Dringlichen Anfrage. - Ich schaue in Richtung der Landesregierung: Wer antwortet? - Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz übernimmt das. Bitte, Frau Ministerin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Abend des 9. September 2014 kam es auf dem Grundstück der Organo Fluid GmbH Dr. Wolfgang Koczott in Ritterhude zu einer Explosion mit anschließendem Feuer. Im Verlauf dieses Ereignisses erlag tragischerweise ein Mitarbeiter der Gesellschaft seinen bei der Explosion erlittenen schweren Verletzungen.

Das Betriebsgebäude sowie weitere Bereiche auf dem Firmengelände wurden zerstört und zahlreiche anliegenden Gebäude, darunter acht Wohnhäuser, unbewohnbar. Es entstand Sachschaden im zweistelligen Millionenbereich.

Die Staatsanwaltschaft Verden führt zuständigkeitshalber die Ermittlungen, die sich aufwendig und umfangreich gestalten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass einerseits viele Unterlagen des Unternehmens durch das Explosionsunglück selbst zerstört wurden und andererseits in erheblichem Umfang technisches Fachwissen erforderlich ist. Die Staatsanwaltschaft holte deshalb zu den Ursachen der Explosion ein Gutachten des Landeskriminalamtes Niedersachsen und das eines externen Instituts ein.

Die Ermittlungen werden wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung geführt. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen den Inhaber der Organo Fluid GmbH Dr. Wolfgang Koczott und zwei weitere Mitarbeiter der Gesellschaft sowie die seinerzeitige Sachbearbeiterin des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven. Gegen die drei Erstgenannten wird auch wegen des Vorwurfs des unerlaubten Betreibens einer Anlage strafrechtlich ermittelt.

Aus diesem Grund hat die Staatsanwaltschaft auch ein Gutachten zur Beurteilung des praktizierten Anlagebetriebs und der relevanten genehmigungs

rechtlichen Fragestellungen eingeholt. Sie erteilte den entsprechenden Gutachtenauftrag im Februar 2016 einer externen Gesellschaft für Explosionsschutz und Anlagensicherheit als Sachverständige. Die Endfassung des Gutachtens wurde von den Sachverständigen am 23. August 2017 vorgelegt.

Derzeit wertet die Staatsanwaltschaft Verden das umfangreiche Gutachten aus, hat die Sachverständigen jedoch bereits nach der ersten Sichtung um die Erstattung eines Ergänzungsgutachtens bitten müssen. Dieses liegt noch nicht vor.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es besteht gegenwärtig kein Anlass für eine Korrektur der Neubewertung des durch Herrn Umweltminister Wenzel am 11. Mai 2015 vorgestellten Berichts der Koordinierungsgruppe für die Aufarbeitung des Explosionsunglücks in Ritterhude.

Die Auswertung des Gutachtens vom 23. August 2017 sowie des Ergänzungsgutachtens obliegt allein der Auftraggeberin, der Staatsanwaltschaft Verden. Wie bereits ausgeführt, ist dies noch nicht abgeschlossen, kann auch noch nicht abgeschlossen sein, weil das Ergänzungsgutachten ja noch gar nicht vorliegt.

Die Staatsanwaltschaft muss außerdem das Gutachten vom 23. August 2017 und das noch eingehende Ergänzungsgutachten mit den restlichen Aktenbestandteilen - insbesondere mit den beiden bereits vorliegenden Gutachten - abgleichen, auf Schlüssigkeit prüfen und zu einer abschließenden Bewertung in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht gelangen. Die Landesregierung kann und darf dieser Auswertung nicht vorgreifen.

Zu Frage 2: Zum Explosionszeitpunkt befanden sich auf dem Gelände der Organo Fluid GmbH Dr. Wolfgang Koczott eine Lösungsmittelregenerationsanlage sowie eine Feuerungsanlage. Bei beiden Anlagen handelt es sich nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes um genehmigungspflichtige Anlagen. Die Zuständigkeit für die Erteilung entsprechender Genehmigungen richtet sich nach der Niedersächsischen Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Sprengstoff-, Gentechnik- und Strahlenschutzrechts sowie auf anderen Rechtsgebieten. Danach ist das Gewerbeaufsichtsamt zuständig, wenn es insbesondere um die Genehmigung der Errichtung

des Betriebes und der wesentlichen Änderung einer Anlage geht, die im Anhang der Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genannt ist. Bei der von der Organo Fluid GmbH Dr. Wolfgang Koczott betriebenen Anlage handelt es sich um eine solche.

Der Landkreis ist in solchen Fällen aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz für Entscheidungen nicht zuständig. Aus diesem Grund richtet sich das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Verden auch nicht gegen aktuelle oder frühere Amtsträger des Landkreises Osterholz.

Zur Frage 3: Das Niedersächsische Justizministerium hat dem Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei keine Berichte zur Kenntnis gegeben. Unmittelbare Berichte der ermittlungsführenden Staatsanwaltschaft in Verden und der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft Celle an den Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei hat es im Zusammenhang mit dem Explosionsgeschehen in Ritterhude ebenfalls nicht gegeben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Beantwortung der Dringlichen Anfrage. - Eine erste Zusatzfrage ist vom Kollegen Martin Bäumer angemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wann wird den Mitgliedern des Umweltausschusses das Gutachten der Staatsanwaltschaft Verden zur Verfügung gestellt, wie im Umweltausschuss zugesagt worden ist?

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. So steht es in der Geschäftsordnung: Kurze und prägnante Fragen. Sehr gut!

(Volker Bajus [GRÜNE]: Mit Stern- chen!)

Frau Ministerin, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Landeskabinett hat in der letzten Sitzung beschlossen, dem Ausschuss dieses Gutachten vor

zulegen - allerdings unter der Bedingung, dass der Ausschuss die Vertraulichkeit der Sitzung beschließt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Eine zweite Zusatzfrage stellt Herr Kollege Bäumer. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, kurze präzise Fragen lassen auch präzise Antworten erwarten. Ich hatte gefragt, wann es vorgelegt wird. Dass Sie noch damit zu tun haben, ist mir klar. Ich hatte aber präzise gefragt, wann es vorgelegt wird.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das hat sie gesagt!)

- Das hat sie nicht gesagt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Doch! Sie hat eine präzise Zusage gegeben!)

- Das hat sie nicht gesagt, Herr Kollege.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Doch, habe ich doch gehört! Das hat sie gesagt!)

- Ja, wann denn? Morgen?

(Volker Bajus [GRÜNE]: Gerade eben, an diesem Punkt!)