Es ist scheinbar ein Problem der selektiven Wahrnehmung, das bei Ihnen gerade vorherrscht. Ich habe leider auch nicht gesehen, dass Sie im Sozialausschuss dabei gewesen wären, als die Beratungen dazu anstanden.
Der Sozialausschuss diskutiert seit Anfang des Jahres die Novelle der NBauO, und es war klar, dass wir dieses Thema mit der Novelle der NBauO diskutieren und regeln werden. Von daher ist es genau der Zeitpunkt gewesen, diese Diskussion zu führen.
Dafür, dass Sie an dieser Stelle umgekippt und umgefallen sind, kann ich nichts. Es ist blöd für Sie, dass Sie an dieser Stelle von den eigenen Leuten kassiert wurden. Es ist blöd für Ihre Politik. Aber dafür kann ich nichts. Das müssen Sie in Ihrer eigenen Fraktion klären, Herr Oesterhelweg.
- Sie haben zehn Jahre regiert. Da haben Sie das auch nicht gelöst. Offenbar ist das für Sie kein dringendes Thema. Dafür, dass das geregelt wird, brauchte es Rot-Grün und den Landwirtschaftsminister Meyer.
Das Thema „mobile Hühnerställe“ ist nur das erste Thema. Beim zweiten Thema wird es richtig peinlich.
Am 30. März fand eine Anhörung zur NBauO im Sozialausschuss statt. Auf ein Schreiben der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen vom 28. April hin ging die Vorlage 27 vom 22. Juni ein, die die Anregungen der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen zum Thema Inklusion aufnahm.
Das Ganze mündete im August wieder in der Vorlage 32, dem gemeinsamen Änderungsvorschlag aller vier Fraktionen mit der Aussage: Wir wollen Inklusion mit dieser Bauordnung umsetzen. Das soll einer der Schwerpunkte dieser Novelle werden, einer Novelle, die ganz deutlich macht: Wir setzen die UN-Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen um.
„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und
Das wurde 2006 eindeutig beschlossen und ratifiziert. Und was passiert? - Wir schlagen vor, das Thema Barrierefreiheit in dem gesamten Bereich „Gebäude für Wohnen, Arbeit und Freizeit“ vernünftig zu regeln. Wir haben uns hier nichts ausgedacht, was nicht auch andere machen. Wir bewegen uns vielmehr im Rahmen der Regelungen der Musterbauordnung, die von allen Ländern mit herangezogen wird, wenn Baurecht gemacht wird.
Die Musterbauordnung wird in dieser Form u. a. in Bayern umgesetzt, einem Land, das durchaus sowohl städtisch als auch ländlich geprägte Bereiche aufweist. Was in Niedersachsen - nach Ihrer Diskussion - nicht gehen soll, funktioniert dort erstaunlicherweise: eine Umsetzung für Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude, für Verkaufs-, Gast- und Beherbergungsstätten - eine Umsetzung, die mit der Vorlage 32 Realität werden sollte.
Und was passiert dann? - Der zweite Eiertanz von CDU und FDP, ein Umkippen im Sozialausschuss. Wer davon lesen will, dem empfehle ich das Protokoll dieser Ausschussberatungen. Der sozialpolitische Offenbarungseid, der dort geleistet wurde, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten, meine Damen und Herren.
Er wird begründet mit einer „komplizierten Materie“ und damit, dass zunächst noch weitere gründliche Beratungen notwendig seien. Man brauche Zeit.
Ja, was denn nun? Der Sozialausschuss hat diese Bauordnung mindestens ein halbes Jahr lang beraten, und Sie haben nicht die Zeit gehabt, sich mit dem Thema Inklusion auseinanderzusetzen? - Dafür fehlt mir wirklich das Verständnis.
Wir haben heute Abend den Parlamentarischen Abend der Architektenkammer. Wer dort vor einem Jahr anwesend war, der wird sehr deutliche Worte des Ministerpräsidenten Stephan Weil zu dieser Novelle gehört haben. Er hat deutlich gemacht, dass eines aus seiner Sicht nicht verhandelbar ist, und das ist das Thema „Inklusion in der Niedersächsischen Bauordnung“. Hier halten wir Wort. Wir stehen zu dem, was wir versprochen haben.
die CDU meint, wenn sie von einer „Pause bei der Inklusion“ spricht. Die Kolleginnen und Kollegen im Sozialausschuss haben sich dahin gerettet, dass sie gesagt haben, sie könnten das im Rahmen ihres 100-Tage-Programms umsetzen. - Ich wusste bisher nicht, dass die Opposition ein 100-TageProgramm macht. Aber gut! Das kann ja neu in dieses Haus einziehen.
Die Menschen brauchen die Umsetzung der Inklusion jetzt. Sie brauchen jetzt Anspruch auf Teilhabe und auf ihre Menschenrechte. Und das Parlament hätte jetzt die Chance, diese Inklusion mitumzusetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Faktencheck möchte ich auf das Wahlprogramm 2013 der CDU hinweisen:
Wir können die Realität im Jahre 2017 festhalten: liegen lassen, später machen, wegducken, nichts mehr davon wissen wollen.
Die Wählerinnen und Wähler können sich am 15. Oktober eindeutig entscheiden zwischen denen, die Inklusion wollen, und denen, die sie nicht wollen. SPD und Grüne wollen sie mehr als eindeutig.
Wie bereits angekündigt, gibt es eine zweite Wortmeldung für die SPD-Fraktion. Die Rednerin hat eine Restredezeit von rund 2:20 Minuten, aber auch noch eine zusätzliche Motivation, das Wort zu ergreifen. Das wird dann draufgerechnet, wie es im Ältestenrat vereinbart wurde. - Frau Kollegin Wahlmann, Sie haben das Wort.
Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Brunotte hat mir dankenswerterweise noch ein wenig Zeit übrig gelassen, damit ich über das wichtige Thema der Barrierefreiheit an niedersächsischen Gerichten sprechen kann.
Nach Artikel 19 Abs. 4 unseres Grundgesetzes hat jeder das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz. Das bedeutet, dass jeder das Recht auf Zugang zu unseren Gerichten hat. Wir als Politik haben nun
und stets die Pflicht, derartige Grundsätze mit Leben zu füllen, und in diesem Fall haben wir konkret dafür zu sorgen, dass tatsächlich jede und jeder die Chance hat, in den Gerichtssaal zu gelangen und ihre oder sein gutes Recht zu bekommen.
Als Rot-Grün noch die Mehrheit hatte, haben wir dafür gesorgt, dass Niedersachsen in diesem Bereich schon ein ganzes Stück vorangegangen ist. Wir haben dafür gesorgt, dass kleine Amtsgerichte auch in der Fläche erhalten werden, damit jeder Niedersachse die Chance hat, ortsnah Rechtsschutz zu erlangen.
Wir haben viele Rechtsbroschüren in Leichter Sprache verfasst, damit es für jeden einfach ist, komplizierte Materien wie z. B. das Erbrecht zu verstehen.
Und nun wollen wir auch in baulicher Hinsicht dafür sorgen, dass jede und jeder unsere niedersächsischen Gerichte erreichen kann. Wir nehmen die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr ernst. Inklusion gibt es nur dann, wenn jede und jeder den Gerichtssaal auch erreichen kann, sei es nun im Rollstuhl, mit Rollator oder auch mit einer Sehbehinderung. Wir wollen niemanden davon ausschließen, ihr oder sein gutes Recht vor niedersächsischen Gerichten zu bekommen. Wir wollen hier mehr Gerechtigkeit herstellen.
Insofern auch unsere Bitte an CDU und FDP. Vielleicht geben Sie sich ja heute doch noch einen Ruck. Wir brauchen den gleichen Rechtszugang
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für mich - Sie hatten es schon gesagt - ist das die letzte Rede vor dem Niedersächsischen Landtag. Passenderweise durfte ich zu einem Justizthema reden; denn damit schließt sich der Kreis. In nicht allzu ferner Zukunft wird mein momentan ruhendes Richteramt wieder aufleben und ich werde wieder als Richterin am Landgericht tätig sein. Manchmal in den letzten fast fünf Jahren habe ich die Justiz ein klitzekleines Bisschen vermisst. Insofern freue ich mich sehr darauf, wieder Recht sprechen zu dürfen.
Gleichzeitig verlasse ich den Niedersächsischen Landtag aber auch mit einem guten Stück Wehmut. Ich fand den Umgangston hier im Parlament am Anfang ein bisschen gewöhnungsbedürftig, und auch heute würde ich sagen: Die politische Botschaft kommt auch dann rüber, wenn man vielleicht ein bisschen an Schärfe und persönlichen Vorwürfen herausnimmt. Aber der Mensch gewöhnt sich an alles, und wenn ich das Struck‘sche Gesetz mal analog anwende, würde ich sagen: Kein Abgeordneter verlässt den Landtag so, wie er reingekommen ist.