Protocol of the Session on September 20, 2017

(Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD: Ja!)

Ich habe einen Kompass, und ich bin der festen Überzeugung, dass ich diesen Kompass hier immer wieder auf den Tisch gelegt habe. Ich habe ihn immer wieder hochgehalten und immer wieder

deutlich gemacht, wo mein Leitbild von guter Bildung ist. Ja, wir sind auf dem richtigen Weg:

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Lernen mehr Zeit geben! Wir hatten den Mut, zu dem Abitur nach neun Jahren zurückzukehren.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Genau!)

Besserer Ganztag! Stress aus der Schule nehmen! Hören Sie sich einmal bei Familien um - egal in welcher Schulform -, was es bedeutet, wenn Kinder gestresst aus der Schule kommen! Neulich war ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem beschrieben wurde, wie es im 4. Schuljahrgang in Bayern aussieht. Das ist eine gute Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Psychologen.

Abschaffung von Schullaufbahnempfehlungen! Das geht genau in diese Richtung: Stress aus Familien nehmen, Kindern Stress nehmen. Die Möglichkeit, auf Zensuren in den Klassenstufen 3 und 4 zu verzichten. Antworten auf veränderte Rahmenbedingungen finden. Schulsozialarbeit zur Landesaufgabe erklären. Inklusion weiterentwickeln. Vielfalt als Voraussetzung für gelingendes Lernen.

Dazu, Herr Birkner, ein klitzekleines Beispiel: Ich war bei einer Podiumsdiskussion - die Landesebene war durch Herrn Prange und mich vertreten - in einer Schule in Oldenburg. Da hat ein junger Mensch aus dem 9. Jahrgang mit Förderbedarf berichtet, was es für ihn bedeutet, mit Schülerinnen und Schülern in der Vielfalt zu lernen. Das war unglaublich beeindruckend. Es gibt gute Beispiele, es gibt sie!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bin ich zufrieden? - Viele Baustellen bleiben. Das wird in jedem Gespräch mit Schülern, mit Eltern, mit Lehrerinnen und Lehrern deutlich. Klar, wir haben die Probleme der Unterrichtungsversorgung. Ich weiß, dass Inklusion eine gigantische Aufgabe ist. Ich kenne alle Chancen, und Sie können gewiss sein: Ich kenne auch alle Risiken.

Wenn ich bei einer Podiumsdiskussion darauf hinweise, dass wir an fast 1 000 Schulen schulische Sozialarbeit eingerichtet haben, können Sie sicher sein, dass einer dabei ist, der sagt: An meiner Schule ist das nicht angekommen. - So geht Bildungspolitik.

Ich weiß, dass ich eine gute Nachfolge finden werde. Aber das ist manchmal auch ein harter Job.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das kann ich mir nicht vorstellen!)

Niemand hier in diesem Hause bestreitet die immens hohe Bedeutung von Bildung. Niemand. Wir wissen doch alle, und wir sind viel zu selten mutig, es deutlich zu sagen: Bildungspolitik ist in diesem Land chronisch unterfinanziert.

Noch immer hindert uns das Zusammenarbeitsverbot, viele große, wichtige Schritte zu machen. Das fängt an mit der räumlichen Ausstattung der Schule. Die Schule von morgen braucht eine ganz andere Architektur.

Stichwort „Digitalisierung“: Auch das ist eine Herausforderung, die eine enge Verzahnung zwischen Land, Kommune und Bund braucht. Ankündigungen reichen da gewiss nicht aus.

Von der Förderschule in den Landtag - so ganz konnte ich meine inklusive Grundhaltung nicht ablegen. Ich glaube, dass ich meinen schulpolitischen Kollegen Herrn Seefried richtig zitiere, wenn ich hier sage: Dann kommt der Herr Scholing mit seinen „inklusiven Umarmungen“.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

- Ja, das war so.

Meine beruflichen Vorerfahrungen hatten aber auch einen persönlichen Vorteil für mich. Der Umgang mit Menschen, denen gutes Verhalten nicht in jeder Situation gelingt, ist mir vertraut:

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

nicht zuhören, dazwischenrufen, störende Bemerkungen usw. Es hat mich am Anfang allerdings doch überrascht, dass das auch hier im Hause weit verbreitete Verhaltensweisen sind. In meiner Schulleiterzeit hätte das zu manchem Gespräch geführt - natürlich in einem vertrauten Rahmen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Er guckt Herrn Nacke an, ich sehe es! - Heiter- keit bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, seien Sie sich gewiss, dass ich Ihre Arbeit weiter verfolgen werde. Und seien Sie sich auch gewiss, dass ich es im Zweifel besser weiß.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Dann nehme ich mir ein Glas Rotwein - natürlich Vino della casa - und freue mich des Lebens.

Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Scholing. Auch Ihnen alles, alles Gute!

Wir fahren nun fort. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Seefried.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Scholing, möchte ich kurz auf Ihre Worte eingehen. Ich glaube, ich darf das an dieser Stelle im Namen aller Mitglieder des Kultusausschusses, die dort mitgearbeitet und zusammengearbeitet haben, unterstreichen: Wir sind Ihnen dankbar für Ihre Arbeit als Ausschussvorsitzender. Sie waren - ich habe es ja gesagt - häufig ein richtiger „Umarmungspolitiker“, aber Sie haben auch wirklich dafür gesorgt, dass wir im Ausschuss gute Abläufe hatten, dass wir gut zusammengearbeitet haben. Für Ihre Arbeit als Ausschussvorsitzender noch einmal herzlichen Dank! Alles Gute für Ihre Zukunft!

(Beifall)

Dann bin ich bei der Aktuellen Stunde. Herr Kollege, Stichwort „besser machen“: Sie haben in Richtung Rot-Grün gerufen: Haben wir es besser gemacht? - Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Von diesem „Besser-Machen“, wie Sie es beschrieben haben, habe ich in den vergangenen Jahren in der Bildungspolitik nicht viel gespürt, und ich glaube, unsere Schülerinnen und Schüler auch nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Viereinhalb Jahre Rot-Grün in Niedersachsen, viereinhalb Jahre Kultusministerin Heiligenstadt, viereinhalb Jahre rot-grüne Bildungspolitik in diesem Land - falsche Entscheidungen von Anfang an. Und es wurde jeden Tag schlimmer in diesem Land.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, deshalb ist es gut, wenn jetzt, nach viereinhalb Jahren, in 25 Tagen, diese Bildungspolitik in Niedersachsen frühzeitig beendet wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Beispiele erwähnen, um deutlich zu zeigen, in welcher Situation sich die Bildungspolitik bei uns im Land derzeit befindet.

Herr Scholing, Sie haben gerade gesagt, man sollte mal zuhören, man sollte auch mal den Familien zuhören. Dann sollte man aber auch mal den Eltern und Großeltern in unserem Land zuhören, die berichten, was in den Schulen ihrer Kinder bzw. Enkelkinder los ist. Ich zitiere aus vielen Bereichen, in denen sich Eltern und Großeltern einlassen und sagen: Die Kinder grübeln, ob sie zum Abitur zugelassen werden, weil zu viele Pflichtstunden ausfallen. Die Schüler haben Bedenken, dass sie ihren Abschluss nicht machen können, weil sie nicht ausreichend gut vorbereitet sind. Wir haben Kinder in der dritten Klasse der Grundschule, die nach wie vor nicht lesen können, weil die entsprechende Vorbereitung fehlt.

Eltern sagen zur Politik: Dann sagen Sie uns doch endlich ehrlich, dass wir Privatunterricht für unsere Kinder buchen sollen, weil das Land das nicht mehr leisten kann! - Eltern fragen: Welchen Wert hat der Realschulabschluss noch, wenn mein Sohn zwei Jahre lang keinen Musikunterricht mehr gehabt hat?

Das sind die Beispiele aus der Praxis. Diese Beispiele müssten den Kollegen hier im Parlament, Herrn Tonne und Herrn Limburg, auch bekannt sein; denn alle Zitate, die ich gerade genannt habe, stammen von einer Podiumsdiskussion am Maria-Dönhoff-Gymnasium in Nienburg.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Marion Dönhoff!)

- Genau, Marion-Dönhoff-Gymnasium.

Da haben die Eltern genau diese Aussagen gemacht und Sie auch mit der Lage im Land konfrontiert. Herr Limburg hat dann entgegnet - so stand es dort in der Zeitung -: Wenn jetzt irgendjemand nicht zur Abiprüfung zugelassen wird, weil er nicht genügend Pflichtstunden gehabt hat, dann machen wir hier aber Rabatz.

Ich möchte deutlich in Richtung Rot-Grün sagen: Den Rabatz hätten Sie vorher, in den vergangenen viereinhalb Jahren, machen sollen, damit wir endlich eine gesicherte Unterrichtungsversorgung im

Land für unsere Schülerinnen und Schüler gehabt hätten!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will ein zweites Beispiel nennen. Herr Scholing hat auch gesagt: Ja, es gibt Beispiele von Schülerinnen und Schülern, die in der inklusiven Schule gut aufgehoben sind, die ihren Weg dort gut gehen. - Wir wissen aber auf der anderen Seite, dass die inklusive Schule eben nicht für alle der richtige Weg ist.

Ich möchte hier einmal über eine Geschichte von der Grundschule Deckbergen berichten, über die die Deister- und Weserzeitung in der vergangenen Woche geschrieben hat. Da wurde deutlich gesagt: Normale Tage gibt es an dieser Schule schon länger nicht mehr. Seit den Sommerferien haben wir täglich einen Vorfall in der Schule. Am Freitag der Vorwoche musste die Polizei zu Hilfe gerufen werden: Drei Drittklässler waren ausgerastet; sie hatten einen Klassenkameraden verprügelt und waren dann weggelaufen. - Das, was sich wie eine Ausnahmesituation anhört - das wird auch in der Berichterstattung deutlich beschrieben -, ist mittlerweile Alltag an den Schulen.