Protocol of the Session on June 13, 2017

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Richterin oder ein Richter auf Lebenszeit kann gegen ihren oder seinen Willen nur in sehr engen Grenzen von diesem verliehenen Amt entbunden werden.

Die Tragweite der Vergabe eines richterlichen Amtes rechtfertigt es, nicht die Justizministerin oder den Justizminister allein, auch nicht nach Billigung durch das Kabinett, entscheiden zu lassen, welcher Persönlichkeit die rechtsprechende Gewalt auf Dauer anvertraut sein soll.

Nichts anderes gilt für die Übertragung richterlicher Beförderungsämter, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben einer Gerichtsleitung verbunden sind. Gerichtsleitungen haben Personalverantwortung. Damit prägen sie entscheidend das Bild der niedersächsischen Justiz.

Ich gehe den Schritt hin zu einer echten Mitentscheidung des Wahlausschusses auch deshalb gern, weil ich davon überzeugt bin, dass dessen Einbindung in wichtige Auswahlverfahren der Justiz zu einer deutlichen Steigerung der Transparenz beiträgt. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wissen dann aus erster Hand, wie es um die Bewerberlage in der niedersächsischen Justiz bestellt ist. Das betrifft sowohl diejenigen Stellen, bei denen eine Auswahlentscheidung unter mehreren hervorragend geeigneten Persönlichkeiten zu treffen ist, als aber auch diejenigen Verfahren, in denen es uns nur mit enormer Anstrengung gelingt, offene Stellen - vornehmlich an kleinen Gerichten im ländlichen

Raum - mit geeigneten Bewerberinnen oder Bewerbern zu besetzen.

Nur wer die spezifischen Verhältnisse der niedersächsischen Justiz aus eigener Anschauung kennt, wird auch aus Überzeugung in diesem Hause dafür eintreten, personelle und sachliche Rahmenbedingungen zu erhalten und zu schaffen, die wir für eine starke und unabhängige Justiz brauchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, mir ist bewusst, dass gegenwärtig nicht alle unter Ihnen einen Mehrwert in einer künftigen Einbindung des Wahlausschusses in wichtige Personalentscheidungen der Justiz erkennen. Gegen die Einrichtung eines Wahlausschusses wird im Wesentlichen angeführt, es bestehe die Gefahr einer stärkeren politischen Einflussnahme auf die Stellenbesetzungsverfahren.

Dieses Argument ist nicht neu. Es wurde bereits im Rahmen der Sachverständigenanhörung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ im Jahr 1991 im Rahmen der Beratungen des heutigen Artikels 51 Abs. 3 vorgebracht.

Die Mehrzahl der seinerzeit im Sonderausschuss angehörten Sachverständigen hat diese Skepsis allerdings nicht geteilt und sprach sich schon damals für die Einrichtung eines Richterwahlausschusses in Niedersachsen aus. Eine der Begründungen lautete, es gebe schlechterdings keine andere Institution, die die parteipolitische Einflussnahme auf die Berufung von Richterinnen und Richtern besser unterbinden könne als ein Richterwahlausschuss.

Ich teile ausdrücklich diese positive Sicht der Dinge. Das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen ist deshalb gerechtfertigt, weil wir den Wahlausschuss so konzipiert haben, dass eine parteipolitische Einflussnahme insbesondere im Rahmen von Kompensationsgeschäften ausgeschlossen erscheint. Hierfür sorgt zum einen die erforderliche qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen für eine erfolgreiche Wahl. Zum anderen wird die Besetzung des Wahlausschusses mit vier Mitgliedern der Justiz die Gewähr dafür bieten, dass eine erfolgreiche Wahl nur zustande kommt, wenn auch die richterlichen oder die staatsanwaltschaftlichen Mitglieder des Wahlausschusses davon überzeugt sind, dass der oder die Beste hier zu wählen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich bin schon jetzt davon überzeugt, dass sich das Ergebnis Ihrer Beratungen des vorgelegten Gesetzentwurfs wird sehen lassen können. Niedersachsen wird eines der modernsten Richtergesetze im bundespolitischen Vergleich bekommen.

Lassen Sie uns daher gemeinsam wichtige Voraussetzungen für eine Gerechtigkeit in unserem Lande schaffen, indem wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für eine gestärkte, weil eigenverantwortliche Justiz in Niedersachsen eintreten. Gerechtigkeit braucht eine eigenverantwortliche Justiz.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Niewisch-Lennartz. - Wir treten dann im Rahmen der ersten Beratung in die Aussprache ein. Hierzu hat sich zunächst für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Andrea SchröderEhlers gemeldet, der ich das Wort erteile.

(Unruhe)

Frau Kollegin, warten Sie aber bitte noch einen Moment! - Ich wollte die Frau Ministerin nicht unterbrechen. Aber ich habe eine Bitte: Die Gesprächsgruppe hinten rechts sollte aufgelöst werden. Das ist doch sehr störend. Es kommt alles hier vorne an. - Gut.

Frau Kollegin Schröder-Ehlers, bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz sehr herzlich für die Einbringung des Gesetzentwurfes. Hiermit werden neue und gute Maßnahmen zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Justiz in Niedersachsen vorgeschlagen.

Die Debatten über die Stärke der einzelnen Säulen in unserem Rechtsstaat und über die Schlüsse in Bezug auf gesetzgeberische Maßnahmen, die aus den Vorgaben unseres Grundgesetzes zu ziehen sind, sind so alt wie unser Grundgesetz selbst.

Wir in Niedersachsen sind uns aber schon lange darüber einig, dass die Eigenverantwortlichkeit der Justiz gestärkt werden muss. Die Budgetierung der einzelnen Bereiche - gerade wurde sie auch ange

sprochen - zeigt gute Erfolge und genießt eine hohe Akzeptanz in der Justiz.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit dem vorliegenden Entwurf werden nun im Wesentlichen zwei weitere Maßnahmen zur Stärkung vorgelegt. Dabei handelt es sich - es ist schon gesagt worden - zum einen um die Einführung eines Wahlausschusses. Zum anderen sollen die Beteiligungsrechte jetzt weiter gestärkt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Wahlausschuss: Dieser Punkt ist lange diskutiert worden, in der Politik wie in der Justiz. Frau Ministerin Niewisch-Lennartz hat das Für und Wider bereits sehr ausführlich dargestellt und auch auf die Diskussion im Sonderausschuss vor 26 Jahren hingewiesen, die zur Formulierung des Artikels 51 Abs. 3 in unserer Niedersächsischen Verfassung geführt hat. Ich will diesen Artikel hier gerne noch einmal zitieren. Er lautet:

„Durch Gesetz kann bestimmt werden, dass bei der Anstellung von Berufsrichterinnen und Berufsrichtern ein Richterwahlausschuss mitwirkt.“

Der jetzt vorliegende Entwurf setzt genau dies um.

Ich teile die Einschätzung unserer Ministerin, dass das vorgeschlagene Detailverfahren einer verbesserten demokratischen Legitimation dient, ohne dass das Prinzip der Bestenauslese verletzt wird.

Meine Damen und Herren, zum anderen großen Punkt, zu den Beteiligungsrechten: Hier wurden die Regelungen auch schon genannt, so dass ich auf die Details verzichten will. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass wir auf einem guten und einem richtigen Weg sind. Das zeigen auch die Reaktionen aus der Justiz selber.

Ich weiß aber auch, dass es noch Fragestellungen gibt, die wir weiter beraten müssen. Da geht es um die Mitbestimmung bei der Anerkennung von Erfahrungsstufen, und da geht es um gleichwertige Regelungen für alle in der Justiz - vom Richter bis zum Wachtmeister.

Ich will deutlich sagen, dass bei der Umsetzung dieser Vorschläge sehr genau geschaut werden muss, ob die für die Richterinnen und Richter vorgeschlagenen guten Regelungen auch für andere Berufsgruppen getroffen werden können, damit wir eine einheitliche Anwendung in der Justiz haben.

Die Stellungnahmen zeigen, dass dies bereits sehr intensiv diskutiert und gefordert wird. Ich bin mir sicher, dass wir das in der mündlichen Anhörung weiter besprechen werden. Sie alle kennen das Struck‘sche Gesetz. Auch hier spricht vieles dafür, dass sich im Laufe des vor uns liegenden Beratungsverfahrens noch das eine oder andere an Anpassungen ergeben wird. Ich freue mich auf die Beratungen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Ehlers. - Ich baue Ihnen jetzt eine Brücke: Wer hierzu noch reden möchte, muss sich jetzt sputen, bevor ich den nächsten Satz ausgesprochen habe. - Ich sehe, es tut sich was. Sie wissen, was sonst jetzt passiert wäre. Herr Dr. Genthe hat für die FDPFraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein funktionierender Rechtsstaat ist für eine freiheitliche bürgerliche Gesellschaft von existenzieller Bedeutung. Das gilt insbesondere in Zeiten von gewissen gesellschaftlichen Spannungen. Die Aufgabe der Justiz ist es, den Rechtsstaat umzusetzen. Dafür muss sie ausreichend ausgestattet werden. Hier hat Niedersachsen durchaus Nachholbedarf. Es ist sicherlich sinnvoll, die Eigenverantwortung der Justiz zu stärken. Zudem sind wir uns auch in dem Ziel einig, dass Entscheidungen der Justiz nicht parteipolitisch beeinflusst werden dürfen.

Der nun vorgelegte Gesetzentwurf beinhaltet als Kernstück die Einführung von Richterwahlausschüssen in Niedersachsen. Diese Ausschüsse sollen einer Entpolitisierung bei der Ernennung von Richtern dienen. Offenbar ist die Landesregierung der Meinung, dass es bis heute politisch motivierte Entscheidungen in diesem Bereich gegeben habe und man nun irgendwie gegensteuern müsse. Nicht nur der Richterbund wundert sich, dass die Landesregierung ein solches Problem in den letzten vier Jahren jedenfalls nicht angesprochen hat.

Meine Damen und Herren, überraschend ist auch, wie eine Entpolitisierung der Justiz funktionieren soll, indem zukünftig die politischen Parteien direkten Einfluss auf die Ernennung von Richtern nehmen sollen. Es erschließt sich nicht, inwieweit die

Verfahren transparenter werden, wenn ein Ausschuss mit politischen Vertretern eine Akte auf Vorschlag des Justizministeriums bekommt und diese dann absegnen soll. Da wird nach drei Jahren Probezeit eines Richters so getan, als könne man über etwas entscheiden, was eigentlich schon entschieden ist.

Meine Damen und Herren, die Justizministerin hat ursprünglich sogar vorgehabt, dass Vertreter von Gewerkschaften und religiösen Gemeinschaften in den Richterwahlausschüssen vertreten sein sollen. Dieser Vorschlag war schlicht naiv. Es hagelte Kritik von allen Seiten. Der Justizministerin blieb nichts anderes übrig, als dieses Vorhaben klammheimlich aufzugeben.

Meine Damen und Herren, für uns Freie Demokraten ist es von entscheidender Bedeutung, dass es bei den geplanten Wahlausschüssen keine politischen Einflussnahmen gibt. Die Stellen dürfen nicht an die fleißigsten Parteigänger gehen, sondern müssen ausschließlich nach Qualifikation vergeben werden. In keinem Fall darf ein solcher Ausschuss zum Spielfeld für politische Deals werden.

Meine Damen und Herren, dass dieses Gesetz mit der Idee eines Wahlausschusses ausgerechnet jetzt vorgelegt wird, ist ein reines Ablenkungsmanöver der Justizministerin. Wir haben in der niedersächsischen Justiz weit drängendere Probleme, z. B. dass endlich alle Richterstellen überhaupt besetzt werden. Seit dreieinhalb Jahren kann ein Prozess in Verden wegen einer Massenschlägerei nicht eröffnet werden. Der vorsitzende Richter hat bereits zwei Überlastungsanzeigen geschrieben. Die Ministerin Niewisch-Lennartz bekommt diese praktischen Herausforderungen in der niedersächsischen Justiz nicht in den Griff und versucht nun, auf diesem Nebenschauplatz Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Das, meine Damen und Herren, ist schwach.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Mir liegt jetzt eine Wortmeldung der CDU-Fraktion vor. Ich erteile dem Kollegen Lutz Winkelmann das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Die weitgehend leeren Reihen hier im Plenarsaal und auch das Getuschel, das nicht nur bei der Einbringung durch die Ministerin, sondern

auch bei den bisherigen Wortbeiträgen zu diesem Thema zu vernehmen war, zeigen nach meinem Dafürhalten, dass es um die Rechtspolitik in Niedersachsen - jedenfalls gegenwärtig - nicht gut bestellt ist.

Frau Ministerin, ich unterstreiche eindeutig, was Sie gesagt haben: Gerechtigkeit braucht eine starke Justiz; denn ansonsten kann der Rechtsgewährungsanspruch des Bürgers nicht Wirklichkeit werden. Allerdings muss ich Ihnen darin widersprechen, dass dieser Gesetzentwurf ein großer Schritt in die richtige Richtung sei.

Worum geht es? Wir haben es bereits in den Reden der Vorredner gehört: Es geht um die Einrichtung von Richterwahlausschüssen. Es hat mich allerdings gewundert, dass hier gesagt wurde, die Justiz befürworte das. Ich darf dazu mit der Genehmigung des Präsidenten aus der HAZ vom 26. Mai zitieren. In einem Artikel mit der Überschrift „Justizministerin entmachtet sich und ihre Nachfolger“ heißt es:

„Der niedersächsische Richterbund beurteilt die Neuerung skeptisch. ‚In den vergangenen 70 Jahren hat in Niedersachsen niemand einen Richterwahlausschuss vermisst‘, sagt der Vorsitzende Frank Bornemann. Es werde wieder eine neue Verwaltungseinheit geschaffen - und für die Richter, die dem Gremium angehören werden, bedeute das mehr Arbeit.“