Protocol of the Session on May 17, 2017

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Ge- nau daran arbeiten wir!)

Das wäre für die Polizei und für den Einsatz in Niedersachsen für Sicherheit besser.

(Beifall bei der FDP)

Aber wir wollen mit diesem Anstoß für moderne Technik, die mehr Datenschutz bringt, bessere Strafverfolgungen ermöglicht und für hohe datenschutzrechtliche Standards steht, für eine klar eingegrenzte Anwendung von Videoüberwachung in Niedersachsen sorgen. Wir sind aber gegen eine flächendeckende Videoüberwachung, die keinen Sicherheitsgewinn, sondern nur Scheinsicherheit bedeutet.

Ausgewogenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, Maß und Mitte bei der Videoüberwachung sind der richtige Weg, sie nicht flächendeckend einzusetzen und sie auch nicht generell abzuschaffen. Dort, wo wirklich Kriminalitätsschwerpunkte sind, brauchen wir sie, aber eben mit moderner Technik. Hier muss die Landesregierung endlich nachlegen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Oetjen. - Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Herr Kollege Becker.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger können natürlich

vom Gesetzgeber völlig zu Recht erwarten, dass in einer Debatte über neue gesetzliche Eingriffsmöglichkeiten explizit geprüft wird, ob mit dieser Norm der angestrebte Zweck auch tatsächlich erreicht werden kann. Das gilt allemal, wenn mit der Einführung eines Eingriffsrechts empfindliche Einschränkungen von Grundrechtspositionen verbunden sind.

Meine Damen und Herren, gerade in einer Zeit, in der die Kriminalitätsängste aufgrund terroristischer Bedrohungsszenarien zunehmen und in Teilen der CDU die Eingriffsbefugnisse in verfassungsrechtlich bedenkliche Bereiche getrieben werden, bedarf es umso mehr einer konstruktiven Debatte zu der Frage, welche gesetzlichen Anpassungen überhaupt geeignet sind, um Sicherheitsaspekte tatsächlich zu verbessern, und welche Vorschläge bloße Placebo-Maßnahmen sind, die sich mit dem Anschein begnügen, kriminalitätsrelevant wirksam zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nur dann, wenn wir diese Debatte wirklich sorgfältig führen, können wir am Ende den erwünschten Sicherheitsgewinn gegen Eingriffe in die individuellen Grundrechtspositionen vernünftig abwägen. Und nur dann können wir erwarten, einen breit getragenen gesellschaftlichen Konsens zu dieser Frage herstellen zu können.

Meine Damen und Herren, die Frage lautet also: Welche Wirkungen dürfen wir von der Videoüberwachung im öffentlichen Raum überhaupt erwarten? - Wir können das dank Untersuchungen aus den USA und aus Großbritannien recht präzise beschreiben. Erfreulicherweise, meine Damen und Herren von der FDP, haben Sie in Ihrem Antrag darauf verzichtet, die Erwartungen an Videoüberwachungsmaßnahmen mit Wirkungen wie der Verhinderung von Straftaten oder einer Verbesserung des subjektiven Sicherheitsempfindens zu überfrachten. Das kann Videoüberwachung nämlich in der Tat kaum leisten.

Videoüberwachung kann allerdings zu einer schnelleren Täterermittlung und unter Umständen auch zu einer besseren Beweislage führen. Allerdings, meine Damen und Herren von der FDP, werfen Sie sich mit der Forderung nach qualitativer Verbesserung der Videoaufzeichnungen dann doch, lieber Herr Oetjen, hinter den Zug.

Die Aktualisierung der technischen Ausstattung unserer Sicherheitsdienste ist natürlich eine stän

dige Aufgabe. Das Landespräsidium hat die Erarbeitung eines Konzepts für die zukünftige Videoüberwachung insbesondere mit der technischen Modernisierung der Anlagen bereits in Auftrag gegeben. Insofern ist der Eindruck, den Sie hier suggerieren, die Landesregierung kümmere sich nicht darum, nicht richtig.

Denn natürlich - da ist Ihnen zuzustimmen - muss das erzeugte Bildmaterial, wenn die Überwachung tatsächlich zur Aufklärung von Straftaten beitragen soll, diese Absichten auch in technischer Hinsicht unterstützen - wohlgemerkt an Örtlichkeiten, die konkret kriminalitätsbelastet sind bzw. erwarten lassen, dass es an ihnen zu Straftaten kommt.

Meine Damen und Herren von der FDP, mir ist allerdings nicht ganz klar, wie Sie sich die Echtzeitbeobachtung der Videoaufnahmen, die Sie hier mit dem Begriff „Monitoring-Verfahren“ beschreiben, ganz konkret vorstellen. Es spricht nichts gegen die bereits aktuell praktizierte Lösung, Videoaufnahmen bei entsprechenden Lagen in die Führungs- und Lagezentren einzuspielen, um dort aktuell den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die den Einsatz führen, eine Übersicht über die Lage zu ermöglichen.

Die Schaffung einer eigenen Organisationseinheit, die sich dann aber wohl ausschließlich mit der Betrachtung von Videoaufnahmen befassen soll, ist allerdings weit weg von der Praxis des polizeilichen Alltags und vor allen Dingen, meine Damen und Herren, von der Sicherheitslage im Lande. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir haben im täglichen Lebensalltag keine derartigen Lagen oder Beobachtungsbrennpunkte, an denen sich eine permanente Beobachtung sinnvoll anbieten würde.

Meine Damen und Herren, das ist mir jetzt sehr wichtig: Wenn es solche Brennpunkte tatsächlich gäbe, dann würden wir ganz sicher nicht zuerst über die Installation von Videobeobachtung nachdenken, sondern dafür sorgen, dass die Polizeipräsenz an solchen Örtlichkeiten ganz deutlich verstärkt wird. Die reale physische Präsenz gut ausgebildeter, lageangemessen ausgerüsteter und handlungskompetenter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist nämlich allemal besser und den Bürgerinnen und Bürgern im Übrigen auch wesentlich lieber als eine virtuelle Cyber-Polizeistreife vor einem Videobildschirm.

Meine Damen und Herren, darum sollten wir alle gemeinsam hier nicht den Eindruck erwecken, durch Videoüberwachung würden Straftaten oder Gefahren per se rascher erkannt, wenn man sie

nur durch eine zusätzliche Beobachtungsform wie eine virtuelle Polizeistreife ergänzte. Wir sollten uns hüten, hier in eine selbst gestellte Falle zu laufen, indem wir die Videografie des Lebensalltags zu einer Normalität kultivieren und dann feststellen, dass wir die Bilder- und Datenflut gar nicht mehr im Blick behalten, geschweige denn auswerten können.

Was sich dann nämlich sofort anschließt, meine Damen und Herren, ist der Ruf nach einer automatisierten Auswertung. Erst setzen wir Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vor Monitore, anstatt sie auf der Straße mit den Bürgerinnen und Bürgern interagieren zu lassen, und anschließend ersetzen wir die Polizisten durch verdachtsgenerierende Algorithmen, weil wir der Bilderflut nicht mehr Herr werden.

Meine Damen und Herren, ich halte das nicht für eine kluge Strategie. Es ist nämlich auch keine verlockende Vorstellung, dass ein den Überwachungskameras nachgeschalteter Algorithmus einen Menschen, der sich im öffentlichen Raum bewegt, beobachtet, sein Verhalten bewertet und die Situation dann völlig autonom als normal oder als außergewöhnlich bewertet und dementsprechend Alarmierungen oder weitergehende Maßnahmen auslöst.

Meine Damen und Herren, was ist denn mit dem Menschen, dessen Aussehen oder Verhalten die Verdachtserkennung eines solchen Programms zwar unberechtigt, aber mit schöner Regelmäßigkeit auslöst? Was passiert denn mit dieser Person, wenn sie infolge solcher automatischer Selektion mit schöner Regelmäßigkeit den sich anschließenden Kontrollaktionen unterworfen wird? Und wer legt eigentlich fest, welche Verhaltensweisen, welches Aussehen oder welche persönlichen Merkmale verdachtsauslösend sein sollen und welche nicht?

Wie Sie in Ihrem Antrag richtig feststellen, meine Damen und Herren von der FDP, haben wir zu diesen Aspekten in der Tat Diskussionsbedarf. Insofern freue ich mich für meine Fraktion auf die Ausschussberatung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Für die CDUFraktion hat nun das Wort Herr Kollege Adasch.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über 80 % der Bevölkerung in Deutschland wünschen sich laut Umfragen mehr Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, Straßen und vor allem im öffentlichen Personennahverkehr.

Im Niedersächsischen Landtag teilen diese Ansicht bloß wir Abgeordnete der CDU-Fraktion vollständig. Bündnis 90/Die Grünen bildet hier den Gegenpol und lehnt faktisch jede Erweiterung der Videoüberwachung ab. Sie wollen die Videoüberwachung einschränken. Die SPD und der Innenminister sehen eigentlich die Probleme, trauen sich aber nicht, sich wirklich für einen deutlichen Ausbau der Videoüberwachung auszusprechen. Sie sehen dafür aber gerne bei diesem Thema immer eine schöne Gelegenheit, uns ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat vorzuwerfen. Herr Pistorius, das ist unredlich. Sie haben die Probleme mit der Verfassung - nicht wir. Der Staatsgerichtshof hat das oft genug bestätigt.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schwierig ist die Situation für die FDP. Einerseits sieht sie sich als Bürgerrechtspartei und hat hier große Schnittpunkte mit Bündnis 90/Die Grünen, andererseits muss sie als wirtschaftsorientierte Partei natürlich auch am Schutz des Eigentums interessiert sein. Der vorliegende Entschließungsantrag der FDPFraktion versucht nun, beides unter einen Hut zu bringen.

Liebe Freunde der FDP, in Ihrem Entschließungsantrag steht vieles, was richtig ist und was wir ausdrücklich teilen. Entgegen anderslautenden Behauptungen an dieser Stelle sprechen auch wir uns nur dort für Videoüberwachung aus, wo diese verhältnismäßig und ausgewogen ist. Auch wir wollen keinen Überwachungsstaat und haben nicht das Ziel, dass an jeder Ecke, an jeder Straße oder an jedem Platz in Niedersachsen eine Videokamera der Polizei hängt. Andererseits können wir Ihrem Antrag in manchen Punkten nicht zustimmen, wenn etwa die flächendeckende Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr ausdrücklich abgelehnt wird.

Wir stehen ausdrücklich hinter Wirtschaftsminister Lies, bei der Vergabe von Dienstleistungen im öffentlichen Personenverkehr die Videoüberwachung zur Bedingung zu machen.

In anderen Punkten ist der Antrag der FDP schon nahezu widersprüchlich. Ausweislich der Über

schrift fordert die FDP eine moderne Technik für eine ausgewogene Videoüberwachung. Sie möchte ein Modernisierungsprogramm für die Videoüberwachung und eine Verbesserung der Fähigkeiten der Kameras, etwa nachts. Auch dies kann man zunächst unterstützen. Die moderne Videotechnik und insbesondere die Digitalisierung und Auswertung der aufgenommenen Bilder bringt aber nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich. Auf diese geht der Antrag der FDP merkwürdigerweise praktisch nicht ein.

Liebe FDP, was ist mit Gesichtserkennungsprogrammen? Was ist mit Programmen, die Bewegungsprofile ermöglichen? Hier gibt es nach unserer Ansicht sowohl Chancen als auch Risiken.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Videoüberwachung an sich ist nicht gut oder schlecht. Ich kenne mehr Fälle hier in Deutschland, wo man sich Videoüberwachung wünschte, als Fälle, wo die Videoüberwachung das Problem ist oder war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Tritt in den Rücken auf Bahnhofstreppen ist doch der Angriff auf unsere Rechtsordnung und nicht die Kamera auf dem Bahnhof!

(Beifall bei der CDU)

Videoüberwachung oder Videodokumentation ist zunächst ein Instrument. Dieses kann so oder so genutzt werden. ln Staaten wie Russland, China oder anderswo hängen die Kameras, um die Bürgerinnen und Bürger zu überwachen. Bei uns hängen die Kameras, um die Bürger zu schützen oder zumindest die Angriffe auf sie aufzuklären und in einem ordentlichen Strafverfahren Gerechtigkeit herzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn aber in Köln die Videoüberwachung des Bahnhofsvorplatzes so schlecht ist, dass dort hundertfache sexuelle Angriffe nicht aufgeklärt werden können, ist das kein Argument gegen Videoüberwachung, sondern für die Modernisierung der Videoüberwachung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Rechtsstaat lebt davon, dass der Staat die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht nur achtet, sondern dass er diese Rechte auch schützt. Tut er dies nicht, verliert er an Berechtigung. Wenn in Moskau die Videoüberwachung dazu führt, dass es dort keine sexuellen Übergriffe wie in Köln gibt, während wir

dem Schutz der Täter Vorrang geben, werden die Rufe nach einem autoritären Staat noch lauter.

Wir stehen heute wieder in einem Systemwettbewerb für die Freiheit. Den gewinnen wir nicht durch den Verzicht auf Videoüberwachung. Den gewinnen wir nicht, wenn wir das Recht am eigenen Bild wichtiger schätzen als das Recht auf körperliche Unversehrtheit gegen sexuelle Angriffe. Gerade den Frauen wird damit geholfen.

Wer öffentliche Plätze betritt, muss immer damit rechnen, dass Fremde sein Verhalten beobachten und sich Straftaten und unangemessenem Verhalten entgegenstellen. So funktioniert soziale Kontrolle.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, private Unternehmer möchten gerne Gesichtserkennungssoftware und Datenbanken so nutzen, dass beispielsweise Ladendiebe beim Betreten von Geschäften erkannt werden. Kann man ihnen das verwehren? Ein guter Ladendetektiv würde diese Person erkennen und beobachten. Warum soll dies nicht mit der modernen Technik erleichtert werden?