Protocol of the Session on April 7, 2017

Weitere Wortmeldungen zu dem Tagesordnungspunkt 39 liegen nicht vor. Daher schließe ich die erste Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich mit diesem Entschließungsantrag der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung befassen, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer das unterstützt, den bitte ich, jetzt die Hand zu heben. - Das ist mehr als die erforderliche Anzahl von Abgeordneten, sodass das so geschehen wird.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 40: Erste Beratung: Solarenergie fördern: Photovoltaik weiterentwickeln und zusätzliche Potenziale heben - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/7683

Zur Einbringung des Antrags hat sich der Kollege Karsten Becker, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Vereinbarung der 21. UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad zu begrenzen und die Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts weltweit auf null zu reduzieren, setzen nicht weniger als einen kompletten und globalen Umbau der Energieerzeugungs- und -versorgungsstrukturen voraus. In Deutschland sollen die erneuerbaren Energien bis 2020 einen Anteil von mindestens 35 % am Stromverbrauch erreichen, bis 2050 einen Anteil von mindestens 80 %. Niedersachsen ist heute schon weiter. Im Jahr 2015 betrug der Anteil der regenerativen Energieträger an der gesamten Stromerzeugung in Niedersachsen 40,1 %. Er lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 29 %.

Nach dem vom Landeskabinett am 16. August 2016 beschlossenen Leitbild für die Energie- und Klimaschutzpolitik sollen die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 % reduziert und die Energieversorgung bis zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Damit hat die Energiewende in Niedersachsen bereits heute eine erfreulich klare und in vollem Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehende Zielperspektive.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist aber natürlich die Frage der Umsetzung. Wir können der weiteren Entwicklung nicht zusehen und abwarten, bis Investoren irgendwo in Niedersachsen Windenergie-, Biogas- oder Photovoltaikanlagen errichten. Darum ist es ausgesprochen hilfreich, dass uns mit dem für den Runden Tisch Energiewende erarbeiteten Gutachten „Szenarien zur Energieversorgung in Niedersachsen im Jahr 2050“ ein Fahrplan vorliegt, an dem sich der weitere Umbau unserer Energieerzeugung bis zum Jahr 2050 orientieren kann. Die in dem Gutachten entwickelten Szenarien beschreiben und begründen die weitere Entwicklung der regenerativen Energieerzeugung in Niedersachsen in den kommenden Jahrzehnten.

Danach wird sich insbesondere der Energiemix der Erneuerbaren deutlich verändern. Die gegenwärtig dominierende Stellung der Windkraft wird sich zugunsten der Solarenergie verschieben. Nach dem Gutachten soll die Photovoltaik im Jahr 2050 mit 36,1 % den größten Deckungsbeitrag zum Energieendverbrauch in Niedersachsen liefern. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 lag dieser Anteil mit ca. 3 Milliarden kWh bei vergleichsweise geringen 9,4 %.

Meine Damen und Herren, wenn dieser Umbau gelingen soll, dann müssen die Rahmenbedingungen jetzt angepasst werden. Der Bau von Photovoltaikanlagen muss auch im Norden attraktiver werden.

Niedersachsen ist das Bundesland mit den meisten Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien. Prozentual gesehen, arbeiten in Niedersachsen so viele Menschen in der ErneuerbareEnergie-Branche wie in kaum einem anderen Flächenland. Die Erneuerbaren stehen bei uns für 55 000 Arbeitsplätze, bisher vor allem im Bereich der Wind- und der Bioenergie.

Den zurzeit unklaren Wachstumsaussichten der Photovoltaik steht in Niedersachsen das bundesweit zweitgrößte Potenzial zur solaren Energieerzeugung unter allen Bundesländern gegenüber. Der Ausbau der Solarenergie ist allerdings bisher in Niedersachsen nur unterdurchschnittlich.

Das sollte man auch deswegen ändern, weil sich Sonnen- und Windenergie ausgesprochen gut ergänzen. Während die Windenergie im Winter ihre Stärken hat, ist die Sonnenenergie gerade im Sommer intensiv nutzbar. Eine Kombination von Wind und Sonne minimiert nicht nur den Bedarf an fossilen Energien, sondern auch die erforderlichen Übertragungs- und Speicherkapazitäten.

Meine Damen und Herren, einen wesentlichen Schritt zur Beschleunigung des Ausbaus dezentraler Photovoltaik hat der Bundesrat bereits mit seinem Beschluss vom 10. März 2017 auf den Weg gebracht. Damit ist die Bundesregierung aufgefordert worden, die im EEG 2017 enthaltene Verordnungsermächtigung für eine Gleichstellung von Eigenverbrauch und Mieterstrommodellen bei der EEG-Umlage umzusetzen. PV-Mieterstrommodellen kann wieder eine wirtschaftliche Perspektive gegeben werden, indem der Direktverbrauch dem Eigenverbrauch wirtschaftlich gleichgestellt wird.

In diesem Zusammenhang leisten insbesondere dezentrale Solarstromanlagen zum Eigenverbrauch einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende. Der erzeugte Strom kann größtenteils lokal genutzt werden, sodass aufwendige Transport- und Speicherlösungen entbehrlich sind.

Allerdings halten sich Hausbesitzer erkennbar immer noch mit Investitionen in Photovoltaikanlagen zurück. Das ist wohl auch eine Folge der hitzigen Debatten, die wir alle um die 2014er EEGNovelle geführt haben. Seitdem werden Investitionen in PV-Anlagen vielfach als unwirtschaftlich und als nicht mehr sinnvoll angesehen.

Diese Einschätzung ist aber faktisch kaum gerechtfertigt und wohl darin begründet, dass Aspekte wie die Eigenstromnutzung nicht in die Überlegungen einbezogen werden. In der Regel lohnen sich die Investitionen in dezentrale Photovoltaikanlagen aber, wenn es gelingt, den selbst hergestellten Strom auch größtenteils selbst zu verbrauchen.

Aufklärung tut not, um investitionshemmende Überzeugungen mit Informations- und Aufklärungsmaßnahmen aufzulösen. Da ist es doch gut, dass wir als Instrument die niedersächsische Klimaschutz- und Energieagentur zur Verfügung haben, mit der landesweit ein Beratungsschwerpunkt zu diesem Aspekt auf den Weg gebracht werden kann.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch die Landesverwaltung selbst kann im Rahmen internen Handelns einen Beitrag zum Ausbau dezentraler Photovoltaik leisten, indem sie vorrangig bei Neu- und Umbauten landeseigener Gebäude die Eignung von Dachflächen für die Errichtung von PV-Anlagen zur Eigenstromversorgung prüft und im Eignungsfall realisiert.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Hemmnis für den Ausbau der Photovoltaik stellt schlechter

dings die geografische Lage Niedersachsens dar. Die meteorologischen Bedingungen für die Erzeugung von Strom aus Sonne sind in Niedersachsen schlicht ungünstiger als in Süddeutschland. Die geografische Lage Niedersachsens kriegen wir aber selbst mit Beschlüssen in diesem Hause nicht geändert.

Aber man kann natürlich diese Benachteiligung durch eine Anpassung der Förderkulisse ausgleichen. Bei der Windenergienutzung machen wir das schließlich auch. Dort werden die standortbezogenen Nachteile Mittel- und Süddeutschlands durch das sogenannte Referenzertragsmodell ausgeglichen. Eine entsprechende Regelung gibt es für Solarenergie leider nicht, jedenfalls noch nicht.

Wenn wir die PV-Nutzung in Niedersachsen ausbauen wollen, dann müssen niedersächsische Investoren im Ausschreibungswettbewerb für Solarstromanlagen die gleichen Chancen auf Zuschlagserteilung haben wie Investoren an süddeutschen Standorten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Hier muss der Bund faire Chancen schaffen, damit auch Projekte an Standorten im Norden mit gegenüber dem Süden etwas geringerer Sonneneinstrahlung Erfolgsaussichten in dem mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungswettbewerb haben.

Meine Damen und Herren, einen weiteren Ansatzpunkt zur Stimulierung des Ausbaus dezentraler PV-Anlagen stellen die kleinen und mittleren Unternehmen dar. Bedauerlicherweise können Photovoltaikanlagen mit großen Nennleistungen unter den begrenzenden Bedingungen des EEG-Ausschreibungsmodells kaum wirtschaftlich betrieben werden. Die auf den selbst erzeugten Strom zu zahlende EEG-Umlage macht diese Anlagen für die Eigenstromversorgung von Wirtschafts- und Industriebetrieben in der Regel unwirtschaftlich.

Es wäre darum sehr wünschenswert, wenn die mit dem EEG 2014 eingeführte Umlagepflicht für den gesamten Eigenverbrauch gelockert werden könnte, sodass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen eine wirtschaftliche Perspektive für die Eigenstromnutzung aus selbst erzeugtem PVStrom erhalten.

Dass in diesem Zusammenhang eine europa- und beihilferechtskonforme Regelung gefunden werden muss, ist klar. Aber die Chancen, hier einen nennenswerten Beitrag zum Ausbau der dezentralen Energieversorgung zu generieren, sind überzeu

gend. Darum sollten diese Möglichkeiten noch einmal geprüft werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Es hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion Herr Dr. Gero Hocker.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir in diesem Hohen Hause schon einmal einen Antrag diskutiert hätten, der so unverhohlen und unreflektiert politische Forderungen erhebt, von denen nur einzige Branche profitiert. Herr Kollege Becker, mit Ihrem Hohelied auf die Photovoltaik bewegen Sie sich irgendwo zwischen Käuflichkeit Ihrer politischen Forderungen durch mächtige Interessenverbände auf der einen Seite

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und selbstvergessener Phrasendrescherei über den Klimaschutz durch Photovoltaik auf der anderen Seite.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, in einer Zeit, in der jeder, der sich auch nur halbwegs in unserem Strommarktdesign auskennt, begreift, dass es nicht zusätzliche Photovoltaikanlagen sind, die die Herausforderungen der Energiewende überwinden helfen,

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Sie wol- len keine Windkraft, Sie wollen keine Photovoltaik! Was wollen Sie denn? Strom aus der Steckdose?)

sondern endlich - Herr Bajus ist, glaube ich, gerade nicht da; aber ich sage es ganz laut und deutlich; ach so, er telefoniert - Transport- und Speichermöglichkeiten hermüssen, lässt mich ein solcher Antrag die Haare raufen.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Und - das richtet sich an die Grünen - die Unverfrorenheit, mit der Sie diejenigen unterstützen wollen, die Ihnen am meisten spenden, lässt mich, ehrlich gesagt, mit offenem Munde zurück. Die Empfänger der höchsten Einzelspenden an politische Partei

en, die es in Deutschland jemals gegeben hat, sind nicht von ungefähr die Grünen.

Im Februar 2016: ganze 300 000 Euro. Das war die höchste Einzelspende, die es in Deutschland jemals an eine politische Partei gegeben hat, und zwar an die wahlkämpfenden Grünen in BadenWürttemberg und den Kollegen Winfried Kretschmann von - man höre und staune - einem Anlageberater, der u. a. Beteiligungen an Firmen anbietet, die im Bereich erneuerbare Energien z. B. Photovoltaikanlagen im Angebot haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Einige Monate zuvor: 100 000 Euro für die grüne Bundespartei von einem Industrieverband aus Baden-Württemberg. Der grüne Bundesschatzmeister entgegnet darauf, es handele sich bei diesem Verband um einen Zusammenschluss von Unternehmen, in dem auch diejenigen Mitglied sind, die Umwelttechnologien anbieten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wiederum nur wenige Monate später folgt auf dem Fuß der entsprechende Antrag hier im Niedersächsischen Landtag, der schwadroniert, man wolle endlich Potenziale der Photovoltaik heben. Ich bin gespannt, ob die Spende des Landesverbandes der Photovoltaikindustrie oder des Bundesverbandes der Photovoltaikindustrie schon bei Ihnen beim Landesverband der Grünen angekommen ist oder ob das erst noch erfolgen wird, rechtzeitig vor der Landtagswahl, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage Ihnen das ganz ausdrücklich: Selbst wenn Sie alle diese Spenden der Vergangenheit hochoffiziell angemeldet haben, so bleibt doch immerhin mehr als ein Geschmäckle übrig. Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich. Herr Heere, Sie behaupten ja, Finanzexperte zu sein. Sie balancieren auf dem schmalen Grat

(Petra Tiemann [SPD]: Nee, darauf balancieren Sie gerade! - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Ganz dünnes Eis!)