Protocol of the Session on April 5, 2017

Hause und wissen, dass ich auch bei der Energiepolitik immer schnell zum Punkt komme.

Verehrter Herr Minister, man fragt sich manchmal, warum Sie nicht so zukunftsgewandt und ergebnisorientiert sein können wie Ihr Parteifreund Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident aus Baden-Württemberg. Stattdessen wollen Sie in Niedersachsen permanent die Schlachten weiterführen, die eigentlich schon lange geschlagen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg hat schon vor Jahren in seiner ganz eigenen pragmatischen Art erklärt, dass der Müll irgendwo hin müsse. Und dabei hat er sein eigenes Bundesland ausdrücklich nicht ausgenommen. Sie hingegen, Herr Minister, sind noch im Jahr 2013 vor die Presse getreten und haben den Salzstock in Gorleben kategorisch ausgeschlossen. Das war Kirchturmpolitik reinsten Wassers. Es ist gut, dass Sie mit dieser Haltung gescheitert sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir alle wären gut beraten, wenn sich die Politik in dieser Frage in Zukunft noch weiter zurücknehmen würde. Ich habe mir einmal im Internet angesehen, welche beruflichen Hintergründe und welche Ausbildungen die 137 Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Hause haben. Ich habe nicht einen entdeckt, der staatlich geprüfter Geologe oder Physiker ist. - Wenn ich jemanden übersehen haben sollte, dann sehen Sie mir das bitte nach.

Gerade vor diesem Hintergrund, dass die eigentliche Sachkenntnis, ehrlicherweise gesagt, woanders und nicht in diesem Parlament sitzt, wäre es schon sinnvoll, wenn wir in Zukunft den Physikern, den Geologen und den Naturwissenschaftlern mehr Raum geben, anstatt dass Sie Ihre politischen Spielchen fortführen, sehr verehrter Herr Minister Wenzel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es wird interessant sein zu sehen, welche Taktik die Grünen in den nächsten Monaten bis zur Bundestagswahl und bis zur Landtagswahl im Januar 2018 anwenden werden, insbesondere wie oft sie noch das Thema Kernenergie mit seinen vielen Facetten - Endlagerung und viele Dinge mehr - auf die Tagesordnung hier im Niedersächsischen Landtag oder vielleicht auch im Deutschen Bundestag setzen werden.

Ich sage Ihnen: Diese Mikrowellentaktik, das kalte Essen von gestern aufzuwärmen, schmeckt in der Gegenwart nicht.

Ich sage Ihnen ein Weiteres: Je häufiger Sie diese Taktik verfolgen, umso deutlicher machen Sie, wie wenig Gespür Sie für die Alltagsprobleme besitzen, die viele Menschen da draußen aufgrund Ihrer grünen Energiepolitik ereilen, wie wenig Gespür Sie dafür haben, was Deutschland und die Menschen in Deutschland tatsächlich umtreibt, und wie wenige Antworten Sie auf diese Probleme haben. Und umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Mal Sie an der 5-%-Hürde in Berlin und hier in Niedersachsen scheitern werden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung hat jetzt das Wort die Kollegin Miriam Staudte, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sie sind jetzt ganz sicher sehr gespannt, was die Abgeordnete für den Wahlkreis Lüchow-Dannenberg zu dieser Novelle des Standortauswahlgesetzes sagt.

(Christian Dürr [FDP]: Absolut! Wir sind immer gespannt, auch wenn es ein anderes Thema ist!)

Aber auch, wenn damit der Spannungsbogen gleich wieder abfällt, möchte ich vorweg sagen: Ich habe sehr viel Kritik an diesem Gesetz - aber ich habe keinerlei Kritik an unserem Umweltminister,

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Johanne Modder [SPD] - Christian Dürr [FDP]: Aber man muss schon die Wahrheit sagen!)

der in aufreibender Arbeit zwei Jahre lang in der Endlagerkommission, in den Arbeitsgruppen, in Wochenendforen und auf Tagungen alles getan hat, damit dieses Gesetz einen Deut besser wird,

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

mit großem Engagement und mit einer Glaubwürdigkeit, von der Sie auf der rechten Seite des Hau

ses, die Sie da gerade lachen, sich eine Scheibe abschneiden können.

Ich möchte zu Ihnen, Herr Bäumer, sagen: Ich finde, Sie sollten sich für die Angriffe, die Sie hier gerade auf den Minister vorgetragen haben, schämen.

(Jörg Bode [FDP]: Was? Die waren doch richtig!)

Schließlich war es doch Ihre Partei, die es uns eingebrockt hat, den Atommüll hier bearbeiten zu müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Und ein Grüner muss Ihren Mist jetzt wegräumen!

(Christian Dürr [FDP]: Da klatscht ge- rade die SPD! Helmut Schmidt gehör- te doch zu euch! - Unruhe!)

- Es ist schön, dass Sie sich melden. Ich hoffe, zu einer Kurzintervention. - Keine Zwischenfragen!

(Unruhe)

Liebe Kollegen, die sich zu Zwischenfragen gemeldet haben: Frau Staudte lässt sie nicht zu. Sie verweist Sie auf die Möglichkeit der Kurzintervention oder der Restredezeit. - Bitte, Frau Kollegin!

Ich kann mir denken, dass es bei dieser Thematik viele Verständnisfragen gibt. Aber Sie können gerne Kurzinterventionen zum Schluss machen.

Alles, was an diesem Standortauswahlgesetz gut ist, haben wir Stefan Wenzel und seinen wenigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern zu verdanken. Alles, was schlecht ist, hat eine Phalanx von anderen Bundesländern - und zwar unabhängig von der Farbkonstellation der jeweiligen Regierung - in dieses Gesetz gedrückt.

Ich ziehe einmal folgende Gesamtbilanz: Alles, was vor dem Standortauswahlgesetz war, war quasi eine Sackgasse, die nur einen Endpunkt kannte, nämlich Gorleben. Jetzt gibt es eine Sackgasse mit einer Ausfahrt Gorleben und dem Versprechen, auch noch eine weitere Ausfahrt zu bauen. Aber ob diese zweite Ausfahrt dann genauso gut asphaltiert sein wird wie die Ausfahrt Gorleben oder ob sie vielleicht nicht doch nur ein

Schotterweg sein wird, wird erst die Zukunft zeigen.

Zum Stichwort Erkundungstiefe: Im Gesetz ist nicht wirklich festgelegt, dass in derselben Erkundungstiefe verglichen werden muss.

Warum sage ich überhaupt „eine“ Ausfahrt? - Weil keine Mindestanzahl an untertägig zu erkundenden Standorten vorgeschrieben ist. Es wird zwar von mindestens zwei Standorten gesprochen, die verglichen werden sollen, aber machen wir uns doch nichts vor: Wenn erst einmal irgendwo Bohrtürme aufgestellt sind, wird der Bundestag, der jeden dieser Teilschritte beschließen wird, womöglich ganz schnell zu der Auffassung kommen: weniger ist mehr.

Künftig trägt der Bund die finanzielle Verantwortung für die Endlagersuche, und das macht die Sache womöglich nicht unbedingt einfacher. Denn je mehr Standorte erkundet werden, umso teurer wird es. Der Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs (CDU) hat das in der ihm eigenen Art schon auf den Punkt gebracht, indem er gesagt hat: „Wir dürfen uns keinen Bohrlochtourismus leisten. Wenn wir das nicht machen, können wir mit den Atomrückstellungen sogar noch Geld verdienen.“ - Aber das ist keine verantwortliche Endlagersuche! Faktisch bleibt Gorleben ein Referenzstandort. Dabei ist auch egal, dass in § 36 des Gesetzes deklaratorisch das Gegenteil geschrieben ist.

Niedersachsen hat sich zu Recht immer wieder dafür eingesetzt, dass diese Suche ohne den Standort Gorleben stattfinden müsste. Herr Bäumer und Herr Dr. Hocker haben nun gefragt: „Wenn ihr so sicher seid, dass Gorleben ungeeignet ist, warum vertraut ihr dann nicht darauf, dass Gorleben im Laufe des Verfahrens ausscheiden wird?“ - Die Krux daran ist allerdings, dass die Kriterien erst in der Kommission erarbeitet worden sind, als die ganzen Mängel des Standorts Gorleben schon bekannt waren. Zu Anfang des Verfahrens gab es also den politischen Kompromiss, die Suche soll mit Gorleben laufen, und dann wurden die Kriterien erarbeitet. Das geschah zwar unter Mitarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aber man kann nun nicht sagen, dass die Kriterien rein wissenschaftlich erarbeitet worden sind. Vielmehr fußte das Ganze auf einem politischen Kompromiss.

Ich möchte ein Beispiel nennen, damit es ein bisschen anschaulicher wird. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat 1995 schon einmal eine vergleichende Untersuchung zur End

lagertauglichkeit von Salzstöcken durchgeführt. Dabei hat sie aber z. B. keine Salzstöcke einbezogen, die einen sogenannten Einbruchsee haben, also wo die Erdoberfläche aufgrund unterirdischer Ablaugungsprozesse etc. eingebrochen ist. Das war auch eine sehr kluge Überlegung; denn man möchte ja keinen Standort, bei dem es unten noch Wasserwegsamkeiten gibt, über die womöglich Radioaktivität an die Biosphäre gelangen kann.

Dieser Punkt wurde auch auf einem der vielen Bürgerforen der Endlagerkommission vorgetragen. Es gab einen Workshop. Alle im Workshop haben den Bürgern zugestimmt und gesagt, das sei sinnvoll - auch die anwesende Politikerin. Aber was passierte dann? - Man konnte sich politisch nicht darauf verständigen, Einbruchseen als sogenanntes Ausschlusskriterium mit in die Kriterienerstellung aufzunehmen. Denn dann wäre Gorleben mit dem Rudower See sofort aus dem Rennen gewesen.

Das ist nur ein Beispiel von vielen. Ein anderes ist die Thematik durchgängiges Deckgebirge. Es ist zwar gut, dass das jetzt ein Kriterium geworden ist- Herr Wenzel hat es angesprochen -, aber es ist keine verpflichtende Mindestanforderung, sondern nur ein optionales Abwägungskriterium.

Ich halte es auch für problematisch, dass das Vergleichsverfahren nicht vorsieht, dass erst die Salzstandorte untereinander verglichen werden, dann die Tonstandorte und dann die Granitstandorte und man erst zum Schluss den besten Salzstandort mit dem besten Tonstandort und dem besten Granitstandort vergleicht. Stattdessen stellt man von Anfang an Quervergleiche an und vergleicht damit Äpfel mit Birnen. Das macht die Nachvollziehbarkeit solcher Entscheidungen nicht besser. Auch das war ein Punkt, der vorgetragen wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Johanne Modder [SPD])

Das alles sind Beispiele für die Dynamik, diese Kriterien anzupassen. Greenpeace drückt es sehr drastisch aus und sagt: „Gorleben hat dieses Verfahren kontaminiert.“

Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt eingehen, nämlich die Nachvollziehbarkeit. Bei dieser Frage kommt man gleich zum Punkt Rechtsschutz. Es ist wirklich ein großer Erfolg von Niedersachsen gewesen, dass der Rechtsschutz ausgebaut wurde.

Ganz zu Beginn gab es nur an einer Stelle die rechtliche Überprüfung durch ein Gericht. Inzwischen sind es zwei. Bei der Frage, welche Standorte untertägig erkundet werden sollen, kann also der Bescheid des neuen Bundesamts beklagt werden, und bei der endgültigen Standortbenennung ist auch ein Verfahren vorgesehen. Es ist richtig, dass diese Klagen - das kam erst in der letzten Anhörung hinzu - dann auch aufschiebende Wirkung haben müssen; denn sonst hätten wir dieselbe Situation wie immer: Die Fakten würden geschaffen, und dann müsste es irgendwann ein Gericht oder die Gesellschaft mehr oder weniger abnicken. Das war im Übrigen ein Aspekt, den Greenpeace über den renommierten Anwalt Wollenteit bei der Expertenanhörung im Bundestag vorgetragen hatte. Das ist auch ein Beleg dafür, dass sich viele in diese Thematik eingebracht haben, auch wenn sie nicht in der Kommission mitgearbeitet haben.

Meine Bundestagskollegin Julia Verlinden und ich - sie ist auch für Lüchow-Dannenberg zuständig - haben regelmäßig Arbeitstreffen in Dannenberg durchgeführt, haben alle Interessieren eingeladen. So war z. B. die Bäuerliche Notgemeinschaft dort sehr regelmäßig vertreten und hat auch wichtige Aspekte ausgearbeitet, die dann in den politischen Prozess mit eingeflossen sind. Zum Beispiel ging es darum, wer klagen darf. Das wurde ausgeweitet: nicht nur Einwohnerinnen und Einwohner, sondern z. B. auch Grundbesitzer. Das kennen wir ja im Fall von Gorleben. Das waren alles konstruktive Impulse von außerhalb der Kommission. Insofern, finde ich, kann man nicht sagen - wie es auch Herr Pols in der letzten Bundestagsdebatte getan hat -, dass hier eine „Verweigerungshaltung“ vorlag.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Es gibt noch etliche andere Punkte, die die Endlagerkommission nicht in den Bericht mit aufgenommen hat. Stefan Wenzel kann durchaus ein Lied davon singen. Auch die gesamte Thematik Exportverbot wird weder im Bericht noch in dem jetzt vorliegenden Gesetz richtig klar.

Das Gleiche gilt für das Nationale Begleitgremium. Es ist richtig, dass es eingerichtet worden ist. Die Kommission hat sich für sehr starke Kontrollrechte eingesetzt, und in den letzten Verhandlungen konnte noch etwas nachgearbeitet werden. Gleichwohl ist jetzt trotzdem die Situation, dass das Nationale Begleitgremium zwar Fragen stellen kann, sich mit allen Themen befassen kann, Stel