Dieser Antrag wäre auch wohl fast beschlossen worden. Aber ich gehe einmal davon aus, dass der Ministerpräsident von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und gesagt hat: Liebe Freunde, so geht das nicht. - Deshalb haben wir gestern die Beratung auf heute Mittag verschoben. Auch gestern Abend und heute Morgen ist intensiv gesprochen worden. Das Ringen um eine Einigung war deutlich spürbar. Aber anscheinend war sie, Frau Staudte, nicht von allen gewollt.
Jetzt gibt es zwei Anträge. Wir als CDU und FDP haben einen Riesenschritt auf SPD und Grüne zu gemacht. Uns trennt heute nur noch ein Satz, der vorhin schon vom Kollegen Bosse, aber auch vom Kollegen Dr. Birkner zitiert worden war. Ich wiederhole ihn gerne: Der Landtag begrüßt den Entwurf des Standortauswahlgesetzes in seinen Grundzügen. Alles andere, was Sie lesen können, entspricht deckungsgleich dem, was SPD und Grüne vorgelegt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das drängt doch zu der Frage: Welches Problem, Herr Bosse und Frau Staudte, haben Sie mit diesem Satz?
Sie haben doch hier im Landtag die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten am 17. April gefeiert. Sie haben doch das gefeiert, was Ministerpräsident Weil und Minister Stefan Wenzel vorgelegt haben.
Das Protokoll - ich habe es mir sehr intensiv angeschaut - vermerkt 19 Mal Beifall zur Rede des Ministerpräsidenten. Am Ende heißt es im Protokoll: Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den Grünen. - Wollen Sie uns hier im Hause, den anwesenden Zuhörern und den Menschen im Lande ernsthaft erklären, dass Sie das Standortauswahlgesetz in seinen Grundzügen nicht begrüßt haben?
Was, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Grundzüge dieses Gesetzes? Mein Kollege Dr. Birkner hat vorhin schon einige genannt. Ich nenne einen weiteren. Der diskutierte Gesetzentwurf sieht ein vierstufiges Verfahren für die Standortsuche vor. Erstens. Es soll eine Bund-LänderKommission geben, die das Auswahlverfahren vorbereiten und dem Gesetzgeber Vorschläge machen wird. Darf man das begrüßen? - Ich meine: Ja.
Zweitens. Es wird darauf aufbauen, dass Regionen und Standorte ermittelt werden. Vom Bundestag und vom Bundesrat wird festgelegt werden, wo gesucht werden kann.
Drittens. Auf der Basis einer genauen Prüfung der oberirdischen Standorte werden Standorte zur unterirdischen Erkundung ausgewählt. Diese Entscheidung ist gerichtlich überprüfbar. Diese Standorte werden ebenfalls von Bundestag und Bundesrat festgelegt. Ich frage: Darf man das begrüßen? - Ich meine: Ja, das darf man begrüßen.
Viertens. Nach Auswertung der unterirdischen Erkundung und der darin gewonnenen Erkenntnisse wird dem Bundestag ein Standort für ein atomares Endlager zur Beschlussfassung vorgelegt. Der Bundestag beschließt dann per Gesetz den Standort unter Einbeziehung der Länder. Meine sehr geehrten Damen und Herren, darf man das hier in Hannover begrüßen? - Ich meine: Ja.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mehr als traurig, dass es allem Anschein nach nicht möglich sein wird, sich auf diesen Halbsatz zu verständigen. Wo aber ist das Problem? Wo ist das Misstrauen, Frau Modder? Traut die SPD hier in Hannover den roten Brüdern und Schwestern in Berlin nicht? Trauen die Grünen hier in Hannover den Grünen in Berlin nicht? Oder
- darüber trägt auch Ihre Schreierei nicht hinweg, Frau Modder -, welche historische Chance Sie heute vergeben wollen.
Denn es ist doch mehr als schade, wenn nicht einmal Ministerpräsident Weil, der im Landtag ja Stimmrecht hat, das begrüßen darf, was er selber mit Umweltminister Peter Altmaier verhandelt hat.
Ich will es vielleicht noch ein wenig weiter zuspitzen: Hat der Ministerpräsident die Richtlinienkompetenz für die Politik in Niedersachsen, oder hat sie vielleicht Frau Staudte?
(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jo- hanne Modder [SPD]: Es wird Ihnen nicht gelingen, Herr Bäumer!)
(Johanne Modder [SPD]: Sie hätten die Chance gehabt! - Petra Tiemann [SPD]: Sie haben diese Chance ver- tan! - Glocke des Präsidenten)
Wir haben die große Chance, heute einen historischen Beschluss zu fassen. Und Sie haben die große Chance, statt einen historischen Beschluss zu fassen, eine Lachnummer zu machen. Überlegen Sie sich sehr genau, was Sie tun!
Lassen Sie mich am Schluss den Ministerpräsidenten ganz direkt ansprechen: Herr Ministerpräsident Weil, Sie haben gestern Abend im Fernsehen gesagt, dass Sie heute bei der Abstimmung Teil einer Mehrheit sein werden. Dazu lade ich Sie herzlich ein.
Herr Kollege Bäumer, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen. Sie haben Ihre Redezeit von insgesamt zehn Minuten schon um eine Minute überzogen.
Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, Ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen, dann werden Sie nach meiner festen Überzeugung das Richtige tun. Erweisen Sie sich heute hier Ihrer besonderen Verantwortung als würdig.
(Zurufe von der CDU: Oh! - Reinhold Hilbers [CDU]: Das kriegen Sie nicht wieder eingefangen, Frau Staudte!)
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, es gibt kein Thema, über das wir schon so lange und so kontrovers diskutieren wie über die Endlagerfrage. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass sich das leider auch noch etwas fortsetzen wird.
Herr Bäumer, der Antrag, der Ihnen hier heute vorliegt, ist kein Antrag von mir alleine, sondern ein Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, und die haben 69 Stimmen.