Frau Kollegin Jahns, Sie haben Ihre Zeit deutlich überschritten. Sie müssen jetzt wirklich zum Ende kommen.
Ja. Ich bin so weit auch fertig. - Ich wollte nur klarstellen, dass wir die Anhörungen einstimmig beschlossen haben, und das ist nun mal Fakt.
- Ich bitte noch einmal ausdrücklich um Ruhe im Plenarsaal. Erst dann werden wir fortfahren. Einen Moment noch, Herr Dr. Birkner! - Bitte!
Radikalenerlass sind für uns die Wehrhaftigkeit der Demokratie und das Gebot, dass die Verfassung gegen jene zu verteidigen ist, die die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen. Dazu gehört auch, dass der Staat niemanden beschäftigt, der die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnt. Es ist vielmehr erforderlich, dass alle Bediensteten des Staates - seien es Beamte oder Angestellte - selbstverständlich verfassungstreu sind.
Das bedeutet in der Konsequenz auch, dass Personen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, aber dennoch in den Staatsdienst wollen oder bereits im Staatsdienst sind, gegebenenfalls aus dem Dienst - so heißt das in der Beamtensprache - zu entfernen sind, wenn sich feststellen lässt, dass Verfassungstreue nachweislich nicht gegeben ist.
Faktisch, meine Damen und Herren, kann das auch heute für jemanden, der ausschließlich als Beamter ausgebildet wurde, am Ende wie ein Berufsverbot wirken. Das ist auch die heute die Situation und die Rechtslage, in der wir uns befinden.
Diese Grundsätze galten früher und gelten auch heute. Sie sind nach unserer Überzeugung legitim und notwendig.
Es mag sein - oder: es wird so sein -, dass die Grenze zwischen legitimen und notwendigen Maßnahmen auf der einen Seite und rechtswidrigen und überzogenen Maßnahmen auf der anderen Seite im Einzelfall - gerade im Hinblick auf den Radikalenerlass - überschritten worden ist. Das bedarf dann einer Einzelfallbetrachtung
und nicht dessen, was Sie, meine Damen und Herren, in diesem Antrag tun: Sie stellen das, was damals geschehen ist, mindestens in der Diktion in den Kontext eines Unrechtsstaates. Das ist bei dem Umgang mit dieser Thematik völlig inakzeptabel und völlig deplatziert.
In diesem Kontext stellen Sie Maßnahmen, von denen Sie jetzt in Zwischenrufen sagen, dass sie grundsätzlich auch heute richtig seien, in das Licht, eigentlich nicht notwendig und nicht gerechtfertigt
Sie müssen sich hier einmal davon lösen, eine ausschließlich rückwärtsgewandte Diskussion zu führen. Das Thema hat ja aktuelle Relevanz. Wir führen eine Diskussion über Reichsbürger in der Polizei. Es ist doch selbstverständlich, dass jemand, der diesen Staat ablehnt, nicht weiter in der Polizei seinen Dienst tun kann. Da müssen dann doch tatsächlich entsprechende Maßstäbe gelten.
Sie stellen in dieser Debatte einen Antrag, in dem es beinahe wörtlich heißt: Politisch motivierte Berufsverbote lehnen wir pauschal ab. - Das wird dazu führen, dass jemand sagt: Warum darf denn ein Reichsbürger, der seinen Dienst anständig und ordentlich versieht, nicht in seiner Privatzeit entsprechende Meinungen äußern und haben?
Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, ist das unvereinbar, weil die inhaltliche Übereinstimmung mit unserer Verfassung da nicht gewährleistet ist.
Wir lehnen Ihren Antrag auch deshalb ab, weil sich - die Kollegin Jahns ist darauf eingegangen - in seiner Genese und in seiner jetzigen Form zeigt, dass Sie Ihr Urteil eigentlich schon gefällt haben. Das ist völlig legitim. Sie können da Ihre Meinung haben. Aber der müssen wir uns natürlich nicht anschließen. Wir vermissen eine offene Diskussion, die gerade auch Rückschlüsse auf die Gegenwart ermöglicht.
Wir finden es bemerkenswert, dass nunmehr die Landesregierung aufgefordert wird, einen Beauftragten - oder eine Beauftragte, muss man wohl mittlerweile sagen - einzusetzen. Das hätte die Landesregierung längst machen können. Dazu bedarf es doch keines Parlamentsbeschlusses. Wenn dies das zentrale Anliegen ist, warum haben Sie, Herr Minister, das nicht längst getan? Warum haben Sie dafür zweieinhalb Jahre gebraucht? - Das ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin JanssenKucz das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zweieinhalb Jahre nach Einbringung werden wir heute diesen Antrag in geänderter Form, wie auch die Kollegen festgestellt haben, beschließen. Wir bitten die Landesregierung, eine Beauftragte/einen Beauftragten zur Aufarbeitung der Schicksale der vom Radikalenerlass Betroffenen einzusetzen.
Ich bedaure, liebe CDU und liebe FDP, dass Sie nicht bereit sind, mit uns diesen Weg zu gehen. Sie waren auch nicht bereit, eine wissenschaftliche Kommission einzusetzen. In Teilen - Herr Birkner war etwas differenzierter - lehnen Sie das ganze Thema ab.
Uns ist es wichtig, das Thema aufzuarbeiten und daraus Rückschlüsse auch für die Gegenwart zu ziehen. Niedersachsen wird jetzt - auch gegen Ihre Überzeugung - eine Beauftragte zur Aufarbeitung dieses unrühmlichen Kapitels einsetzen. Das ist keine Distanzierung. Nein, Niedersachsen ist damit das erste Bundesland, das sich offensiv mit diesem Kapitel auseinandersetzt, es aufarbeiten will und daraus für die Zukunft lernen will.
Ich glaube, es ist nach 45 Jahren höchste Zeit. Bei uns waren 130 Menschen betroffen. Sie warten seit Jahrzehnten auf eine gesellschaftliche und politische Rehabilitierung. Bundesweit sind es über 11 000 Menschen. Tausende - meist linke - Oppositionelle wurden damals durchleuchtet.
Formal richtete sich der Erlass gegen Links- und Rechtspopulisten. In der Praxis traf er aber vor allem Aktive des linken Spektrums, aus linken Gruppen bis hin zu Friedensinitiativen.
Was ich ganz wichtig finde: Den Betroffenen wurden fast ausnahmslos vor allem legale politische Aktivitäten vorgeworfen: das Kandidieren auf Wahllisten, die Teilnahme an Demonstrationen, das Unterzeichnen politischer Erklärungen.
Das damalige politische Agieren macht deutlich: Der Radikalenerlass war ein Angriff auf Grundrechte wie das Diskriminierungsverbot, die Meinungsfreiheit und die Berufsfreiheit.
der sehr klar geurteilt hat, die Praxis der Berufsverbote sei völker- und menschenrechtswidrig gewesen.
Eine funktionierende Demokratie braucht Menschen mit Zivilcourage, auch wenn uns manchmal deren Meinung nicht passt, Menschen, die sich politisch engagieren, Menschen, die ihre Stimme gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit erheben und Position beziehen.