Im Blick auf den CDU-Antrag habe ich ein wenig spekuliert, warum Sie dieses Thema ausgerechnet jetzt wieder neu auflegen. Ich habe es in einen zeitlichen Zusammenhang mit der Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni gebracht, die einen Maßnahmenkatalog zur Behebung der genannten Probleme verkündet hat. Bestandteil dieses Maßnahmenkatalogs war u. a. ein Masterplan für das Medizinstudium 2020. Dass Sie, Herr Jasper, sich als Sprachrohr des Hausärzteverbandes verstehen, haben Sie selbst gesagt - ich hatte den Antrag aber eher mit dieser Konferenz in Verbindung gebracht.
Dass wir auf dem Land dringend mehr Hausärzte brauchen, ist unstrittig. Darüber haben wir überhaupt keinen Dissens, ebenso wenig wie darüber, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, damit dieses Problem möglichst bewältigt wird. Für eine freiheitliche Gesellschaft wie uns ist das allerdings nicht ganz einfach: Auf der einen Seite sind wir verpflichtet, sicherzustellen, dass die Lebensbedingungen, zu denen auch die medizinische Versorgung gehört, möglichst überall im Lande gleich sind. Auf der anderen Seite können und wollen wir Menschen aber auch nicht vorschreiben, welche Berufe sie zu ergreifen und wo sie sie auszuüben haben.
In einem solchen Fall kann man immer nur eine Mixtur aus verschiedenen Maßnahmen ergreifen, hier: die Attraktivität des Berufes fördern, Niederlassungen fördern usw. Aber das geschieht ja auch. Ich vermute, dass Frau Ministerin Rundt gleich noch detailliertere Ausführungen dazu machen wird, was in den letzten Jahren passiert ist.
Die Stichworte sind schon gefallen. Die Landesregierung hat u. a. die Gesundheitsregionen weiter vorangebracht, sie hat eine Vergütung für PJ-Studenten im Fach „Allgemeinmedizin“ aufgelegt, und sie hat einige Praxisgründungshilfen gegeben.
Jetzt möchte ich noch auf den Masterplan „Medizinstudium“ der Gesundheitsministerkonferenz eingehen. Dieser nimmt das Studium in den Blick, um einem drohenden Versorgungsmangel zu begegnen. Wenn Sie es verfolgt haben - das ist bisher nicht unwidersprochen geblieben. Die Vertretung der Medizinstudierenden, der Marburger Bund und auch der Medizinische Fakultätentag warnen in diesem Zusammenhang davor, sich das Studium zurechtzuschnitzen, um damit einen - fraglos drohenden - Versorgungsmangel zu beheben. Mit solchen Maßnahmen ist vorsichtig umzugehen.
Dazu muss man auch sagen: Jede Fachgesellschaft streitet natürlich für die Bedeutung ihres Faches, so auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Der hohe Wert einer einheitlichen ärztlichen Ausbildung wurde im 19. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts erstritten, um sich gegenüber allen möglichen auf diesem Feld vorhandenen Berufsgruppen abgrenzen zu können. Insofern ist es ein hoher Wert, dass wir heute überall im Land einheitliche Lehr- und Prüfungsstandards haben. Plakativ gesagt: Da, wo „Arzt“ draufsteht, ist in ganz Deutschland auch „Arzt“ drin.
Ich will noch einmal kurz durch Ihre Forderungen gehen. Wir werden darüber ja noch intensiver im Ausschuss debattieren.
Für die Nrn. 1 und 2 sind Landesregierungen nicht zuständig. Trotzdem kann man natürlich Anstrengungen unternehmen.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und der Medizinische Fakultätentag haben sich nach einem jahrelangen Streit jüngst darauf geeinigt, genau die Forderungen umzusetzen, die Sie - ich sage einmal: wohlfeil - als allererste formuliert haben, nämlich die Einteilung des praktischen Jahres in Quartale statt in Tertiale und die Einführung eines verpflichtenden Quartals Allgemeinmedizin. Darüber besteht inzwischen bei den Fachleuten Einigkeit. Das wird sicherlich auch durchgehen und kann eben den Erfahrungshorizont der Studenten in dem Sinne erweitern, dass sie es überhaupt in den Blick nehmen, Allgemeinarzt zu werden.
Mit der Einführung einer Prüfung im dritten Staatsexamen würde die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin den Wert des Faches Allgemeinmedizin innerhalb der Medizin erhöhen. Ob es die Aufgabe einer Landesregierung ist, dieser innermedizinischen Strategie nachzugeben, müsste
Wenn man auf die Nr. 2 guckt: Der Hausärztemangel ist inzwischen auch bei Studierenden hinreichend bekannt. Die Struktur des Faches Allgemeinmedizin im Studium ist verbessert worden. Es gibt mehr Praxisanteile. Die medizinischen Fakultäten haben sich in den letzten Jahren sehr viel Mühe gegeben, damit Studierende die Arbeit kennenlernen und auch lieben lernen können. Ob eine Kampagne weiterhilft, wage ich eher zu bezweifeln. Aber auch darüber können wir diskutieren.
Weiterbildungsstellen für Allgemeinmediziner an Krankenhäusern - das hat mich etwas irritiert. Es gibt solche Weiterbildungsstellen. Diese sind aber in den Fächern Innere Medizin und Chirurgie sowieso vorgeschrieben. Sie sind auch in kleineren und größeren Krankenhäusern vorhanden und werden von angehenden Allgemeinärzten in Anspruch genommen. Insofern kann ich nicht allzu viel mit dieser Forderung anfangen. Aber auch darüber diskutieren wir sicherlich noch.
Die Nr. 3 halte ich für wichtig. Die Bedarfsplanung ist ein sehr wichtiger Aspekt, den wir im Ausschuss gründlich diskutieren sollten. Ich sage ganz zum Schluss noch einen Satz dazu.
Die Niederlassungsförderung wird durch das Land, verschiedene Kommunen und die KV bereits betrieben. Ich lese regelmäßig im Niedersächsischen Ärzteblatt, dass an diversen Stellen Niedersachsens kreative, neue Praxismodelle erfunden worden sind, eben unter Beteiligung der genannten Kommunen und der KV.
Delegationsmodelle - Sie hatten das VERAH-Modell angesprochen - sind erprobt. Wir haben das bereits 2013 diskutiert. Wir haben vor drei Jahren aber auch gesagt, dass wir Substitutionsmodelle noch stärker in den Blick nehmen wollen, nicht nur unter der Leitung des Hausarztes, sondern auch die selbstständige Übernahme in teilärztlichen Aktivitäten durch Pflegepersonen.
Die Anpassung der Versorgungsstrukturen sprechen Sie in Ihrem letzten Punkt an. MVZs sind aus unserer Sicht sehr zu begrüßen - die gibt es ja schon - und auch andere Formen von Angestelltenpraxen, die möglicherweise durch die KV betrieben werden, damit man regelmäßige Arbeitszeiten, regelmäßige Urlaubszeiten und Ähnliches gewährleisten kann und damit die Arbeit für junge Mediziner attraktiv wird.
Zusammenfassend kann ich sagen: Es passiert bereits viel von dem, was gefordert wird. Aus meiner Sicht ist es notwendig, die Grundstrukturen der medizinischen Versorgung anders zu denken. Ich formuliere es einmal etwas provokant: Das alte Hausarztmodell, für das Ärztevereinigungen seit der Weimarer Zeit gestritten haben und das über die politischen Systeme hinweg immer weiter ausgebaut und stabilisiert wurde, hat ausgedient. Wir müssen unter Einbeziehung von neuen Bedarfsberechnungen, Telemedizin, Substitutionsmodellen und einer Verknüpfung von ambulanter und stationärer Versorgung die flächendeckende hausärztliche und wahrscheinlich auch die fachärztliche Versorgung neu denken.
Dazu haben wir dann im Ausschuss Gelegenheit. Ich bin gespannt auf die Beratung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt. - Jetzt erteile ich der Kollegin Sylvia Bruns, FDP-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Hausarzt ein Auslaufmodell? - Das ist aus unserer Sicht undenkbar. Ich denke, dass es auch aus der Sicht aller, die sich in diesem Haus befinden, undenkbar ist.
Jeder von uns kennt ihn aus seiner Kindheit: Der Arzt, der abends bei Mittelohrentzündung nach Hause kommt und der uns vertrauensvoll durch alle Krankheiten begleitet hat. Schauen wir uns aber jetzt die hausärztliche Versorgung an, so ist diese, wie es in dem CDU-Antrag richtig beschrieben worden ist, nicht mehr gesichert. Darin scheinen wir uns auch alle einig zu sein.
Der Nachwuchsmangel macht sich bemerkbar. Ein Bekannter von mir hält Vorlesungen in einer großen medizinischen Fakultät. Er erzählte mir: Dort sitzen drei Männer und ansonsten nur Frauen. Die drei Männer wollen in die Forschung und die Frauen in die Klinik. - Der Hausarztposten gehört nicht mehr zu den Berufswünschen, die in dem Bereich genannt werden. Deswegen ist klar: Wir müssen tätig werden, um ihn attraktiver zu machen.
Viele Landärzte finden keinen Nachfolger, wobei sich die Entwicklung in gewissen Zeiten leicht zu entspannen scheint. Aber es gibt durchaus, wie
Burkhard Jasper es richtig beschrieben hat, große Problemzonen, wo wir tätig werden müssen. Dabei spielen natürlich auch veränderte Lebensgewohnheiten eine große Rolle. Man verschuldet sich. Man möchte nicht mit 30 schon entscheiden, wo man bis 60 wohnt. Dem müssen wir uns anpassen, und dem müssen sich auch die Strukturen anpassen.
Der Antrag der CDU greift viele Themen auf, die uns gut gefallen und über die wir auch im Ausschuss reden müssen. Das wird bestimmt eine spannende Diskussion.
Beispielhaft sei ein Thema genannt: Wir hatten vorhin darüber gesprochen, wer für die Versorgung zuständig ist. Das ist die KVN. Aber ich will eine Diskussion ansprechen, die man z. B. im Bereich Diepholz/Sulingen führt. Diepholz/Sulingen ist ein - ein riesiger - Versorgungsbereich. In Diepholz herrscht Überversorgung, in Sulingen hingegen Unterversorgung. In Sulingen sitzt ein Hausarzt. Die Hausärzte ringsherum haben sich alle schon verabschiedet. Sulingen bekommt trotzdem keinen Hausarztsitz mehr, weil der ganze Bereich als ausreichend versorgt gilt.
Nun kann man natürlich sagen, das ist Aufgabe der KVN. Das haben wir diesem Arzt auch gesagt. Er hat gesagt: „Wann soll ich mich denn da noch engagieren? Ich arbeite doch jetzt schon den ganzen Tag. Das fällt mir schwer.“
Deshalb finde ich es wichtig, vonseiten der Politik auch oben reinzugucken und zu fragen: Was können wir tun, damit sich das verändert?
Zu Nr. 2 ist schon viel ausgeführt worden. Ich will nur noch auf das Stichwort „regionale Krankenhäuser“ eingehen, weil es dort, z. B. in Oldenburg, Modelle gibt, nach denen man tatsächlich Kooperationen eingeht - z. B. eine Kooperation mit Hausarzt und Praxen -, um das attraktiver zu gestalten. Denn natürlich ist es ein Vorteil, wenn man jemandem, der sich entscheidet, eine Hausarztpraxis aufzunehmen, sagen kann: Du hast die Versorger vor Ort; das und das bieten wir dir.
Der Bereich der MVZs wird künftig auch eine wichtige Rolle spielen. Dabei dürfen wir aber auch die Kommunen nicht entlassen, weil es durchaus welche gibt, die schon im Rahmen der Gesundheitsregion eigene MVZs vorhalten. Die sagen: Wir kaufen Häuser und siedeln dort Ärzte an. - Das ist also durchaus keine Aufgabe, die nur dem Land obliegt. Sie wirkt durch alle Bereiche.
Vielen Dank, Frau Bruns. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Thomas Schremmer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jasper, Gesundheitssozialismus durch Staatsmonopol? - Nicht schlecht, kann ich da sagen. Das fände ich gar nicht so übel, wenn es wirklich ernst gemeint wäre. Sie kennen mich ja.
Die Situation der hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen ist in der Tat ein komplexes und auch sehr schwieriges Thema. Rein rechnerisch sind von 102 Planungsbereichen der Kassenärztlichen Vereinigung gerade einmal zwei unterversorgt, 30 dagegen überversorgt. Bei unter 75 % gilt ein Bereich als unterversorgt, bei 110 % als überversorgt. Aber fragen Sie einmal die Menschen im Heidekreis oder im Landkreis Harburg, wo die Versorgung bei etwa 90 % liegt, ob sie diese Versorgung für ausreichend halten. - Dort gehen Theorie und Praxis deutlich auseinander. Man kann das für Niedersachsen insgesamt feststellen.
Und in vielen Planungsbereichen wird sich die Situation noch verschärfen - das hat übrigens auch die KV sehr deutlich erkannt -, insbesondere wenn ältere Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand gehen und keine Nachfolger finden. Die klassische Ein-Arzt-Praxis war früher die übliche Niederlassungsform. Sie ist heutzutage offensichtlich unattraktiv geworden.
Woran liegt es nun, dass wir zu wenig Hausärztinnen und Hausärzte haben? - Im Gegensatz zu dem, was die Kollegin Bruns gesagt hat, ist es nach einer Umfrage des Hartmann-Bundes durchaus so, dass Medizinstudierende, wenn sie nach ihrem Berufsziel gefragt werden, an erster Stelle Hausärztin und Hausarzt nennen. Die beliebtesten Facharztausbildungen sind, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer Umfrage ermittelt hat, Innere Medizin und Allgemeinmedizin.
Aber fragt man Medizinstudierende dann, was ihnen neben ihrem Beruf wichtig ist, sagen sie vor allem: Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Beides ist jedoch, jedenfalls heute, mit einer Niederlassung mit Bereitschaftsdiensten sowie mit dem Leben und Arbeiten auf dem Land offensichtlich nicht vereinbar. Und deswegen gibt es heutzutage auch viel mehr Ärztinnen und Ärzte im Angestelltenverhältnis.
Erstens. Die Niederlassung muss mit allen Konsequenzen für Ärztinnen und Ärzte attraktiver gestaltet werden. Das fängt bei der Finanzierung, bei Bereitschaftszeiten und Arbeitszeiten an. Ferner brauchen wir Betreuungs- und Bildungsangebote in den Landkreisen für Kinder, aber auch kulturelle Angebote. Außerdem brauchen wir - das hatten wir unter dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt - z. B. einen attraktiven ÖPNV. Das könnte die Aufgabe des Landes dabei sein.
Zweitens. Wir brauchen noch mehr sektorenübergreifende Versorgungsformen. Zum Beispiel setzt die MHH das Hausarztmodell bei der Notfallambulanz um. Das finde ich nicht schlecht.
Drittens. Die Kommunen benötigen eigentlich noch mehr Kompetenzen, um in diese Planungen mit eingreifen zu können. Im Landkreis Diepholz ist das passiert. Dort hat man die Versorgungsbereiche jetzt ein bisschen geändert.
Ich muss allerdings auch sagen, dass etliche Punkte des Antrags schon umgesetzt werden. Wenn man keinen Sozialismus will, sondern die Selbstverwaltung ernst nimmt und mit der KV redet - Sie können Herrn Barjenbruch ja einmal anrufen, Herr Jasper; er ist ein sehr kompetenter Gesprächspartner, der gerne mit Ihnen redet; das weiß ich -, dann erfährt man, dass die KVN bereits Investitionskostenzuschüsse und Umsatzgarantien gewährt, Facharztweiterbildungen finanziell fördert, den Bereitschaftsdienst teilweise bereits reformiert hat und auch Teilzeitmodelle anbietet. Ein Großteil dieser Maßnahmen greift natürlich nur in jenen Planungsbereichen, die schon jetzt als unterversorgt gelten - das ist natürlich auch ein Problem - oder davon bedroht sind.
Insofern stellt sich aus unserer Sicht auch die Frage, wie der Versorgungsgrad besser abgebildet werden kann, damit alle Planungsbereiche, die