Protocol of the Session on August 17, 2016

Herr Minister, Sie möchten weiterhin - ihn interessiert offenbar die Debatte nicht - - -

(Minister Boris Pistorius: Ich höre aufmerksam zu!)

- Sie unterhalten sich die ganze Zeit mit Ihrem Staatssekretär. Ich habe Ihnen auch zugehört. Ich fände es angemessen, wenn Sie den Rednern hier vorn bei einem so wichtigen Thema zuhören würden.

(Beifall bei der CDU - Frank Oester- helweg [CDU]: Warten Sie doch so lange! Wir haben Zeit!)

Herr Minister, Sie möchten weiterhin die Befugnisse der Bundespolizei zum Einsatz besonderer Waffen in Niedersachsen streichen. In der gegenwärtigen Lage mit neuen terroristischen Bedro

hungen geht aber auch diese Entscheidung in die völlig falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer kann ernsthaft ausschließen, dass der Einsatz solcher Waffen in Zukunft notwendig sein könnte?

Sie benennen ferner die Hilfspolizeibeamten zu Hilfskräften der Polizei um. Das kann man machen. Warum Sie der Polizei aber die Möglichkeit ausschließen möchten, diese Hilfskräfte zu bewaffnen, erschließt sich uns nicht. Ich denke dabei vor allem auch an den Personenschutz bei VW. Auch angesichts der schwierigen Sicherheitslage können wir nicht erkennen, dass diese Streichung sinnvoll ist, und lehnen sie daher ab.

Dieser Gesetzentwurf, Herr Minister Pistorius, ist von vorgestern. Sie schwächen die Polizei, weil Sie ihr misstrauen und Angst um Ihre Einstimmenmehrheit hier in diesem Hause haben. Das Gesetz gehört damit leider in eine lange Reihe von Fehlern dieser Landesregierung. In der Sicherheitspolitik gibt in Niedersachsen nicht der SPDInnenminister die Richtung vor, sondern die Parteitage der Grünen mit einer strukturellen Mehrheit eines linken Flügels, der der Polizei zutiefst misstraut.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Der Polizei nicht, aber Ihnen schon!)

Die nun aufgestellten Forderungen der Grünen nach einem Verbot von Diensthunden, von Dienstpferden oder von Pfefferspray gehören in diese Reihe.

Der Gesetzentwurf verbessert die Sicherheit in Niedersachsen nicht, ganz im Gegenteil. Schon letztes Jahr beklagten Gewerkschaften das zerstörte Vertrauen zwischen Landesregierung und Polizei. Davon, Herr Minister, lenken auch Beförderungen nicht ab, wenn sonst nur auf dem Rücken der Polizei Politik gemacht wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Adasch. - Für die SPDFraktion hat jetzt Herr Kollege Karsten Becker das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es gibt im Landtag offensichtlich Fraktionen, die die Bürgerrechte und die Fragen, wie mit den Daten der Menschen in diesem Land umgegangen wird, wie sie erhoben und wie sie verarbeitet werden, wenig kümmern. Die Mitglieder der SPD-Fraktion - nur für die kann ich hier sprechen; ich vermute, es gibt auch noch andere Fraktionen, die das für sich ähnlich in Anspruch nehmen - gehören allerdings nicht dazu. Darum begrüßen wir den von Herrn Innenminister Pistorius eingebrachten Entwurf zur Änderung des niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes außerordentlich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wird den Erwartungen der Menschen an die Gewährleistung ihrer individuellen Freiheitsrechte ebenso gerecht wie den aktuellen Herausforderungen für die innere Sicherheit.

(Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

- Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie verstanden, was ich eben gesagt habe.

Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem neuen Gefahrenabwehrgesetz Sicherheit und Freiheit wieder in Einklang bringen, und zwar genau dort, wo weitreichende Befugnisse in der Vergangenheit nachweislich keinen Vorteil für die Sicherheit erbracht haben und auch für die Zukunft nicht erwarten lassen. Beispiele sind die grundsätzliche Einschränkung der Gewahrsamsdauer von zehn Tagen auf vier Tage, die Streichung der Befugnisse zum Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte aus gefahrenabwehrenden Gründen und die bundesweit erste Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen des BKA-Gesetzes.

Meine Damen und Herren, wir stärken aber ebenso die Reaktionsfähigkeit der Polizei gegenüber terroristischen Bedrohungsszenarien, wir schaffen neue Normen, und wir schärfen bestehende Eingriffsbefugnisse, wo dies erforderlich ist, um die Handlungsfähigkeit der Polizei zu erhöhen. Äußeres Zeichen dieser differenzierenden Schwerpunktsetzung ist die Umbenennung des Gesetzes. Herr Adasch hatte es erwähnt, allerdings in einem etwas anderen Kontext.

Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz steht nicht mehr die Aufrechterhaltung einer abstrakten Ordnung im Mittelpunkt, sondern der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor tatsächlichen Gefahren.

(Zustimmung bei der SPD und von Susanne Menge [GRÜNE])

Der überkommene Ordnungsbegriff spielt in der Praxis überhaupt keine Rolle mehr; denn als Auffangtatbestand wird er schlicht nicht mehr benötigt. Gesetzgeberische Lücken, die den Rückgriff auf ein wie auch immer geartetes gestörtes Ordnungsverständnis erforderlich machen könnten, sind jeweils nicht erkennbar.

Wir wollen diese Chance der Umbenennung aber auch dazu nutzen, ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen, dass sich die Polizei in Zeiten terroristischer Bedrohungslagen nicht im Klein-Klein verheddern, sondern die echten Herausforderungen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen soll.

(Jens Nacke [CDU]: Sie halten Ord- nung im Land für Klein-Klein? Ein tol- les Zeichen!)

Meine Damen und Herren, gerade mit Blick auf die terroristischen Bedrohungslagen eröffnet das Gesetz der Polizei neue Möglichkeiten für schnellere und gezieltere Reaktionen. Das betrifft insbesondere den vereinfachten Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten, mit denen ein Rückgriff auf Fingerabdruck-, DNA- oder Kfz-Daten deutlich erleichtert wird. Zukünftig können gefahrenabwehrrelevante personenbezogene Daten deutlich unbürokratischer und deutlich schneller EU-weit ausgetauscht werden.

Ein weiteres Beispiel ist das Instrument der sogenannten Gefährderansprache, mit der die Polizei im Vorfeld von Sportveranstaltungen oder Versammlungslagen erwiesenermaßen wirkungsvoll präventiv operieren kann. Die Gefährderansprache erhält erstmals eine spezialgesetzliche Grundlage und muss nicht mehr über die Generalklausel legitimiert werden.

Mit einer weiteren Änderung ermächtigen wir die Polizei, Meldeauflagen zu erteilen, etwa im Vorfeld politischer und sportlicher Großveranstaltungen oder um zu verhindern, dass potenzielle Gefährder in Krisengebiete ausreisen, um an Kampfhandlungen teilzunehmen - ebenfalls eine Maßnahme, von deren präventiver Wirkung im Vorfeld einer Gefahrenkonkretisierung wir überzeugt sind.

Meine Damen und Herren, wir akzentuieren aber auch bereits bestehende gesetzliche Vorschriften neu wie die verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen, die wirksam zur lagebildabhängigen Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität beitragen können. Dieses Modell werden wir trotz der deutlichen datenschutzrechtlichen Kritik auch beibehalten - nicht zuletzt, weil Niedersachsen aufgrund seiner geografischen Lage und der gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur auch für international agierende Tätergruppen attraktiv erscheint. Die Kontrollen sind aber zu Recht auch umstritten, weil sie weitgehende Eingriffsrechte umfassen wie die Personalienfeststellung und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen von Betroffenen und weil der Adressat der Maßnahmen durch sein Verhalten keinerlei Anlass für die gegen ihn gerichteten Maßnahmen gegeben hat, sondern es vollkommen ausreicht, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gewesen ist.

Meine Damen und Herren, dass eine unzureichend differenzierende Praxis zu erheblichen Vorbehalten gegen diese verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen führt, das, finde ich, kann man sich vorstellen. Insbesondere die undifferenzierten Moscheekontrollen

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Wann haben die stattgefunden?)

haben in der Vergangenheit zu einer Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe geführt und dazu beigetragen, dass sich Menschen wegen ihrer religiösen Bekenntnisse ins Visier genommen gefühlt haben. Ihre Praxis dieser Trichterfahndung, meine Damen und Herren von der CDU - - -

Herr Kollege, Herr Kollege Oetjen würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Nein, jetzt nicht.

(Christian Grascha [FDP]: Wann dann?)

Ihre Praxis der Trichterfahndung, meine Damen und Herren von der CDU, bei der der Trichter eher der Form eines Fallrohres gleicht, wollen wir jedenfalls nicht. Wir wollen, dass diese Norm so angewandt wird, wie sie immer gedacht war, als eine Maßnahme, die auf der Grundlage kriminalistischer

Erfahrungen und faktenbasierter Analyse des Kriminalitätsaufkommens anlasslose Kontrollen rechtfertigt, weil mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit grenzüberschreitend agierende Täter erkannt werden können.

Das setzt aber voraus, dass verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen auch immer eine differenzierte Lageanalyse vorausgeht. Wir haben es in diesen Fällen also bereits prinzipbedingt mit Zeitlagen zu tun, in denen eben gerade nicht von jetzt auf gleich entschieden werden muss. Insofern ist eine Zuweisung der Anordnungsbefugnis auf die Ebene der Behördenleitung mit der Delegationsmöglichkeit auf die nach A 12 eingestufte Dienstabteilungsleiterebene eben auch keine tatsächliche praktische Hürde, jedenfalls nicht, wenn man die Zielrichtung des Gesetzes ernst nimmt. Und wir, meine Damen und Herren, nehmen sie ernst. Wir wollen keine schrankenlosen Kontrollen von Menschen, die mit ihrem Verhalten dafür keinen Anlass gegeben haben.

Eine weitere Neuerung für die Rechtsgrundlagen für den Einsatz sind der Einsatz der sogenannten Bodycams, also Kameras, die Polizisten am Körper tragen und mit denen auf Knopfdruck Aufnahmen zur Beweissicherung gemacht werden können. Wir wollen diese Kameras im öffentlichen Bereich zulassen, weil die Erfahrungen anderer Bundesländer darauf hindeuten, dass Konflikte minimiert und Übergriffe gegen Polizeibeamtinnen und -beamte vermieden werden können. Das ist für uns ein überragend wichtiger Gesichtspunkt.

(Zustimmung bei der SPD - Jens Na- cke [CDU]: Wieso nicht, wenn Woh- nungen betreten werden?)

Meine Damen und Herren, Sicherheit und Bürgerrechte sind für uns die Seiten derselben Medaille. Wir begrüßen diesen Gesetzentwurf als gelungene Synthese von wirksamer Gefahrenabwehr und Wahrung der Bürgerrechte und freuen uns auf die Ausschussberatungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch Ihnen herzlichen Dank, Herr Kollege Becker, für Ihre Rede und für den einsatzbereiten nächsten Sitzungsvorstand. - Frau Kollegin Eilers, dass 18.15 Uhr die nächste Ablösung ist, sollten die

Handzeichen der Kollegin Klopp bedeuten. Jetzt sind Sie gut informiert.

Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Jan-Christoph Oetjen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun ist es da, das neue Gefahrenabwehrgesetz. - Wo ist jetzt der Herr Minister?

(Minister Boris Pistorius [SPD]: Hier!)