Protocol of the Session on January 21, 2011

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Reichwaldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Debatten zur frühkindlichen Bildung, die wir, seit ich Mitglied dieses Landtags bin, ge

führt haben, empfinde ich inzwischen als völlig paradox.

Da haben wir auf der einen Seite einen wirklich breiten Konsens, wonach im frühkindlichen Bereich der Grundstein einer positiven Bildungskarriere gelegt werden muss, wir haben einen breiten Konsens über die große Bedeutung von Krippen und Kindertagesstätten und die Übereinstimmung, dass es gerade für sozial benachteiligte Familien möglich sein muss, ihre Kinder in einer Krippe oder Kita betreuen zu lassen.

Auf der anderen Seite hören wir die ständigen Beschönigungen der Regierungsfraktionen und der Landesregierung, es sei doch alles in Ordnung, die gegenwärtigen oft katastrophalen personellen und räumlichen Bedingungen entsprächen eben den Mindeststandards, und die Kommunen könnten doch bessere Bedingungen bieten, wenn sie nur wollten.

Meine Damen und Herren aufseiten der Regierungskoalition, wie, bitte schön, stellen Sie sich das denn in der gegenwärtigen Lage der Kommunen vor? - Nichts ist in Ordnung. So zu argumentieren, ist ein völliges Verleugnen der Realität in Niedersachsens Krippen. Wir konnten uns beim weihnachtlichen Krippenspiel im Dezember hier im Haus darüber informieren.

Die Forderungen z. B. der LAG der Freien Wohlfahrtspflege und anderer sind bezüglich der Betreuungsstandards und der Ausbildungsstandards für Erzieherinnen und Erzieher eindeutig, ebenso wie die offensichtliche Taubheit der Regierungsvertreter.

Nun ein neuer Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für einen Aktionsplan zur Deckung des erhöhten Bedarfs an Fachkräften und deren Qualifizierung in der frühkindlichen Erziehung vor allem im Rahmen des Krippenausbaus:

Meine Damen und Herren, das sind keine Forderungen einer Oppositionspartei, die ohnehin nur Geld kosten und ignoriert werden können. Das Land Niedersachsen ist die Verpflichtung eingegangen, eine 35-prozentige Betreuungsquote bis 2013 sicherzustellen. Dazu brauchen wir mehr und qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher. Bis jetzt steht für mich völlig in den Sternen, wie die Landesregierung ihr Ziel bis 2013 auch nur annähernd erreichen will. Will sie es überhaupt?

Insofern ist dieser neue Vorstoß von Bündnis 90/Die Grünen nur zu begrüßen. Wir halten die Forderungen des Antrages weitgehend für sinnvoll

und werden sie im Ausschuss entsprechend beraten.

Der Beruf muss für Männer attraktiver werden. Wir brauchen mehr Entlastung für Erzieherinnen und Erzieher, um sie im Beruf zu halten, wir brauchen eine Bewerbungsinitiative, der Beruf muss künftig attraktiver sein und besser bezahlt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag geht uns in einem Punkt nicht weit genug. Jede verantwortliche Erzieherin und jeder verantwortliche Erzieher sollte die höchstmögliche Qualifizierung haben: eine Hochschulausbildung, so wie in unserem Gesetzentwurf und in unserem Entschließungsantrag des letzten Jahres gefordert. Ziel bleibt für uns tatsächlich eine Akademisierung des Berufs, also für alle verantwortlich eingesetzten Kräfte. Aber natürlich ist der vorliegende Antrag ein Schritt in die richtige Richtung und aufgrund des absehbaren Mangels an Erzieherinnen und Erziehern jetzt dringend notwendig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt für die SPD-Fraktion dem Kollegen Brammer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt die Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem drohenden Erzieherinnen- und Erziehermangel durch einen Aktionsplan zu begegnen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Es handelt sich aus meiner Sicht um eine erneute Erinnerung daran, wichtige Entscheidungen auf den Weg zu bringen. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, man kann auch sagen: Das ist jetzt die letzte Mahnung.

Ähnliche Anträge hat die SPD-Fraktion bereits im Februar 2004, im Februar 2007, im September 2007 und im August 2009 eingebracht.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Die waren auch nicht besser! - Ge- genruf von Johanne Modder [SPD]: Nein, Sie begreifen es nicht! - Weite- rer Gegenruf von Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie sind beratungsresistent!)

Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben bis heute nicht reagiert. Es ist jetzt wirklich fünf vor zwölf.

(Zurufe: Nein, es ist schon zehn nach drei!)

Es ist dringend erforderlich, jetzt endlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass mehr Ausbildungsplätze für diesen Beruf zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn dieser Beruf wieder vermehrt gewählt werden soll, dann müssen wir ihn attraktiv machen.

Erzieherinnen und Erzieher brauchen eine hochwertige Ausbildung. Sie tragen ein besonders hohes Maß an Verantwortung.

(Johanne Modder [SPD]: Jawohl!)

Dazu gehört aber auch, dass sie dafür anständig bezahlt werden.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Die Anforderungen an die Fachkräfte in den Einrichtungen haben sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. Sie haben immer mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen, ohne dass sie das irgendwann einmal honoriert bekommen hätten. Sie haben dafür zu keinem Zeitpunkt mehr bezahlte Zeit bekommen.

Wir haben immer wieder die Aufstockung der Verfügungszeiten gefordert. Wir haben eine Veränderung des Betreuungsschlüssels gefordert. Von Ihnen, meine Damen und Herren im rechten Teil dieses Hauses, ist da nichts gekommen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Da stellt sich die Frage: Wer soll in Zukunft noch Interesse an einem Beruf haben, bei dem die Arbeitsanforderungen immer größer werden, ohne dass man dafür mehr Zeit bekommt?

Der vorliegende Antrag zeigt eine Menge Lösungsmöglichkeiten für die auf uns zukommenden Probleme auf. Die Zahlen sind doch erschreckend: Knapp 4 600 Erzieherinnen und Erzieher werden im Jahre 2014 fehlen - und hier im Lande tut sich nichts!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wie gehen Sie eigentlich mit den Trägern der Jugendhilfe um?

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Bund und Kommunen - das Land beteiligt sich ja nur minimal - finanzieren gerade ein teures Krippenausbauprogramm.

(Björn Försterling [FDP]: Ja, 460 Milli- onen Euro sind fast nichts!)

- 5 %! Rechnen Sie das einmal nach! Bei den 460 Millionen haben Sie die Bundesmittel mit eingerechnet.

(Björn Försterling [FDP]: Nein!)

Sie verschlafen hier die notwendige Entwicklung, das Ganze mit Leben zu füllen. Wenn Sie so weitermachen, werden irgendwann die Eltern mit ihren Kindern vor neuen Einrichtungen stehen, die nicht betrieben werden können, weil es keine Fachkräfte gibt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Bei den Zahlen, die hier vorliegen, ist das keine Utopie. Da brauchen wir über inhaltliche und qualitative Arbeit gar nicht mehr zu reden.

Und Sie? - Sie machen nichts.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber das können die gut!)

Da stellt sich die Frage: Sitzen Sie das aus, oder denken Sie schon so realistisch, dass Sie sich sagen: „Nach uns die Sintflut; wir sind 2013 weg vom Fenster“?

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn ich die gerade zu Ende gehende Plenarwoche Revue passieren lasse, dann komme ich zu der Erkenntnis: Es gibt einen Haufen Probleme, und der Ministerpräsident bekommt keines so richtig in den Griff. Ob Dioxin, Pflege, Mindestlohn oder jetzt frühkindliche Bildung -