Eine kritische Anmerkung betrifft den Spitzensteuersatz von 45 %, den Sie in den Antrag aufgenommen haben. Wir alle wissen: Bei Erhard waren das 63 %, bei Kohl 53 %, und unter Schröder/Fischer ist der Satz bei 42 % sozusagen auf den Hund gekommen.
Da hier ja immer viele Klassiker zitiert werden und sich Herr Briese immer darüber freut: Es gibt eine Schrift von Lenin, die heißt: „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück.“ Die war hier wohl ein bisschen Vorbild. Allerdings kommt man auch mit zwei Schritten zurück und einem Schritt vorwärts nicht wirklich in die richtige Richtung. Wir würden uns statt der 42 % mindestens die Kohl’sche Entschlossenheit und einen Spitzensteuersatz von 53 % wünschen.
In dem Antrag fehlt aber ein wesentlicher Punkt, und das ist der Hauptgrund für unsere Enthaltung, nämlich - das haben wir schon an vielen Stellen
diskutiert - die notwendige Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Ich zitiere aus unserem Antrag zu den Haushaltsberatungen vom Ende letzten Jahres. Darin fordern wir:
„höhere Zuweisungen des Landes Niedersachsen an Städte, Gemeinden und Landkreise (kommunaler Finanz- ausgleich): + 350 Millionen Euro. Zugleich ist die Grundstruktur des kommunalen Finanzausgleichs so zu korrigieren, dass eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen und ein finanzieller Ausgleich zwischen den Kommunen möglich werden.“
Das fehlt in diesem Antrag. Deshalb reicht es nicht für unsere Zustimmung. Aber wer weiß, was sich in Zukunft noch einmal entwickelt.
Ansonsten ist der von Ihnen vorgeschlagene Weg richtig - Sie hatten darauf hingewiesen - zum einen durch die Erklärung des Deutschen Städtetages vom 18. November letzten Jahres und zum anderen durch die Erklärung des Niedersächsischen Städtetages vom 6. Januar dieses Jahres.
Ich möchte aber noch eine grundsätzliche Anmerkung machen, die auch mit Perspektive auf den 11. September die Situation unterstreicht.
Ich habe hier etwas aufgemalt, was Sie ja alle kennen. Wir haben in der Schule gelernt - und die heutigen Schüler lernen das auch noch -, dass Grundlage unserer Demokratie die Kommune ist. Alles, was in der Kommune passieren kann, soll möglichst auch in der Kommune passieren. Das andere macht das Land. Nur das, was nicht im Land passieren soll, soll für den Bund übrig bleiben. Dieser Grundgedanke findet sich auch in Artikel 28 des Grundgesetzes mit Blick auf die Finanzen wieder.
Wenn man sich nun anschaut, wie sich die Verteilung der Steuermittel entwickelt hat - und dies leider auch Dank einiger Gesetze, an denen die Grünen mitgewirkt haben -, dann stellt man fest, dass diese Pyramide inzwischen auf dem Kopf steht.
- Das ist die Skizze, die ich im letzten Jahr gezeichnet habe. Nur noch 13 % der Steuermittel verbleiben bei den Kommunen, 40 % verbleiben
Diese Pyramide muss wieder auf die Füße gestellt werden. Wir sind entschieden der Meinung, dass wir in der Perspektive eine Umverteilung der Finanzmittel hin zu den Kommunen brauchen. Es darf nicht bei den inzwischen nur noch 13 % für die Kommunen bleiben.
Wie gesagt: Der Antrag ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir würden uns noch beherztere Schritte wünschen. Jedenfalls muss es in die Richtung der Stärkung der Finanzkraft der Kommunen gehen. Ich bin zuversichtlich, dass bei der Kommunalwahl am 11. September 2011 Ergebnisse herauskommen werden, die Hoffnung machen, dass wir uns auch in diese Richtung entwickeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist zwar schon im Juni letzten Jahres erstellt worden, er hat aber - das zeigen die aktuellen Diskussionen - nichts an Aktualität verloren.
Auf die Denkschrift des Niedersächsischen Städtetages haben meine Vorredner schon hingewiesen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Struktur- und Finanzkrise der Kommunen inzwischen eine nie gekannte Dimension erreicht habe.
Für die Lebensqualität der Menschen in unserem Land und für den Erfolg des Wirtschaftsstandortes Deutschland sind aber die Güte und die Verlässlichkeit kommunaler Leistungen eine wesentliche Voraussetzung. Daher ist es nicht hinzunehmen, dass die Handlungsfähigkeit vieler Kommunen in Niedersachsen dramatisch gefährdet ist; denn immer mehr Kommunen sind trotz größter Konsolidierungsanstrengungen nicht mehr in der Lage, ihre Haushalte auszugleichen.
In dem Zusammenhang reicht es auch nicht aus, auf eine bessere Konjunktur zu hoffen bzw. auf sie zu verweisen; denn die tiefgreifenden strukturellen Probleme der Gebietskörperschaften bestehen nicht erst als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Die finanzielle Basis der Kommunen ist in der Vergangenheit sowohl durch den Entzug von Finanzmitteln als Folge einer Vielzahl von Steuersenkungen als auch durch die Zuweisung neuer Aufgaben ohne die Bereitstellung einer eigenen Finanzausstattung beeinträchtigt worden.
So haben sich z. B. die Sozialausgaben der Kommunen in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Kassenkredite - heute heißen sie ja Liquiditätskredite - können in vielen Kommunen nicht mehr zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, für die sie eigentlich vorgesehen waren, sondern müssen zur dauerhaften Finanzierung von laufenden Ausgaben, wie z. B. von Sozialausgaben, eingesetzt werden. Dabei wird das tatsächliche Ausmaß der Verschuldung durch Kassenkredite durch die Verringerung der Zinsbelastung bei den Investitionskrediten zurzeit noch ein wenig verdeckt.
Die sogenannte reguläre Verschuldung der Kommunen ist rückläufig; denn Haushaltskonsolidierung findet oft auch auf Druck der Kommunalaufsicht in Form von Verzicht oder Verschiebung von dringenden Investitionsmaßnahmen statt. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat uns eindrucksvoll ausgerechnet, dass die Kommunen einen Investitionsstau in Milliardenhöhe vor sich herschieben, der sich in diesem Winter aufgrund der gravierenden Witterungseinbrüche noch dramatisch verschärft haben wird.
Auch die Fördermaßnahmen des Konjunkturpaketes II haben bei Weitem nicht ausgereicht, um diesen Investitionsstau entscheidend abzubauen.
Mögliche Zinssteigerungen, mit denen wir zu rechnen haben - auch darauf ist heute im Laufe des Tages schon einmal hingewiesen worden -, werden diese Notlage der Kommunen deutlich vergrößern. Niedersachsen ist als Bundesland für seine Kommunen verantwortlich und muss endlich seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung für die Finanzausstattung seiner Kommunen nachkommen.
Klamme Kommunen brauchen eine schnelle und grundlegende Lösung ihrer Finanzprobleme. Daher reicht es bei Weitem nicht aus, wenn das Land einmal im Jahr in seinem Bericht zur Finanzlage der kommunalen Gebietskörperschaften lediglich auf die Frage abstellt, ob es der Ebene Land nicht eigentlich finanziell noch schlechter geht als den Städten, Gemeinden und Landkreisen, aber nicht darauf, ob eine den Aufgaben angemessene finanzielle Mindestausstattung der Kommunen überhaupt noch gewährleistet ist.
Auch Ihr viel bejubelter Zukunftsvertrag wird seinem Namen bei Weitem nicht gerecht. Er bietet nur wenigen Kommunen Unterstützung, weil er in erster Priorität auf Fusionen setzt. Im Übrigen - daran kann gar nicht oft genug erinnert werden - zahlen die Kommunen die Hälfte der Summe für den Zukunftsvertrag noch selbst, nämlich durch eine Kürzung im kommunalen Finanzausgleich.
Diskussionen darüber, welcher staatlichen Ebene es denn finanziell schlechter geht, helfen uns nicht wirklich weiter. Beide Ebenen, Land und Kommunen, müssen durch eine ausreichende Finanzausstattung in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben auch wahrzunehmen. Die Arbeit der Gemeindefinanzkommission auf Bundesebene zeigt zurzeit leider mehr die deutlichen Auffassungsunterschiede innerhalb der Bundesregierung und weniger die Bereitschaft, eigene Ideologien zurückzustellen, um den Kommunen wirklich die Hilfe zukommen zu lassen, die sie dringend benötigen.
Die kommunalen Spitzenverbände haben mit Recht darauf hingewiesen, dass die Gewerbesteuer als wichtigste eigene Steuerquelle nicht nur unverzichtbar bleibt, sondern dass sie vielmehr noch verstärkt und in ihrer Basis verbreitert werden muss. Der Städtetag schreibt dazu:
„Akzeptable Alternativen, die den Anforderungen der Städte und Gemeinden an eine eigene wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle entsprechen, sind nicht erkennbar.“
Das häufig auch gerne von dieser Landesregierung in die Diskussion gebrachte Zuschlagsystem mit Hebesatzrecht wird gerade für ein so heterogen unterschiedliches Bundesland wie Niedersachsen die Stadtumlandprobleme und die Probleme strukturschwacher Städte weiter verschärfen.
Die Andeutung des Bundesfinanzministers, die Kommunen innerhalb eines noch zu bestimmenden Zeitraums von den Kosten für die Grundsicherung zu entlasten, ist zwar ein Schritt auf dem richtigen Weg, aber auch bei Weitem nicht ausreichend. Niedersachsen muss sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass sich die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft auch an der tatsächlichen Ausgabenentwicklung orientiert.
Das Land selbst hat noch erheblichen Nachholbedarf gerade in dem Bereich, in dem es den Kommunen dabei helfen muss, ihrer Aufgabe nachkommen zu können, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige zeitgerecht umzusetzen.
Starke Kommunen sind für die gesellschaftliche und politische Stabilität unseres Gemeinwesens unabdingbar. Sie müssen daher in die Lage versetzt werden, sowohl ihre Pflichtaufgaben angemessen zu erfüllen als auch finanzielle Spielräume für freiwillige Leistungen zu schaffen. Es darf in Zukunft nicht zu einem weiteren Verschiebebahnhof zwischen unterschiedlichen staatlichen Ebenen kommen.
Daher gilt das, was ich jetzt für die Kommunen sage, eigentlich für alle staatlichen Ebenen: Zielsetzung für die Kommunen muss sein, dass sie finanziell in die Lage versetzt werden, in wichtige Zukunftsaufgaben zu investieren, ohne gleichzeitig für die Zukunft noch mehr Schulden zu hinterlassen.
Wir sehen in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen dazu vernünftige Zielsetzungen und werden von daher dem Antrag der Grünen zustimmen und nicht der Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auf den Vorschlag von Herrn Dr. Sohn eingehen. Mich würde wirklich einmal interessieren, wo Sie beim Finanzierungsanteil des Bundes eigentlich kürzen wollen, wenn wir die Pyramide, die Sie hier vorgestellt haben, umdrehen.