(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Schämen sollten Sie sich! - Jens Nacke [CDU]: Jetzt wün- sche ich mir, Sie wären da geblieben!)
Ihr Bundestagspräsident Lammert geißelt das als Zumutung. Lammert sagte, er habe den Verdacht mangelnder Sorgfalt. - Die echte Ohrfeige für seine Chefin aber ist, dass er kritisiert, die Laufzeitenverlängerung sei nicht sachlich begründet, sondern schlicht ausgehandelt worden. Diesen Kuhhandel sieht er wie folgt: „Das entspricht nicht meinen Anforderungen an ordentliche Gesetzgebungsarbeit.“
Es sei zudem unklug, den Bundesrat zu umgehen; eine anders zusammengesetzte Regierung würde das wiederum ändern. - Das zeugt von politischem Weitblick statt von - mit Verlaub - karriereversessener Heuchelei.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem in der vergangenen Woche der Bundesrat selber beschlossen hat, dass seine Beteiligung bei der Laufzeitverlängerung nicht erforderlich ist,
Dass wir heute trotzdem darüber debattieren müssen, ist wohl einzig und allein den Castortransporten der vergangenen Tage geschuldet. Vor diesem Hintergrund konnte man das Novemberplenum ja nicht verstreichen lassen, ohne einen Antrag zur Kernenergie einzubringen. Nach dem kalten Wochenende im Wendland muss die Basis ja bei Laune gehalten werden.
Meine Damen und Herren, selbst wenn der Landtag heute wider Erwarten Ihrem Antrag zustimmen sollte, handelt es sich doch mittlerweile schon längst nicht mehr um eine politische, sondern um eine juristische Frage, die vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden werden wird und nicht durch diesen Landtag. Ganz im Ernst: Es erinnert ein bisschen an ein trotziges kleines Kind, wenn die Opposition diesen Antrag heute tatsächlich debattieren lässt, obwohl der Bundesrat selber entschieden hat, dass er seine Beteiligung für nicht erforderlich betrachtet.
Ob die technische Überwachung, die durch die Länder erfolgt, die Beteiligung durch den Bundesrat herbeiführt, ist umstritten. Lieber Kollege Tanke, Sie haben auf Gutachten verwiesen, die das bestreiten. Sie wissen, dass auch eine ganze Reihe von Gutachten existieren, die das anders sehen.
Übrigens: Nachdem Rot-Grün bei der Verabschiedung des sogenannten Atomkonsenses die Länderkammer nicht einbezogen hat, ist es höchst fraglich, ob eine Einbeziehung bei der Laufzeitverlängerung erforderlich ist. Nach der Entscheidung der Karlsruher Verfassungsrichter zur Beteiligung der Länder beim Luftsicherheitsgesetz kann zumindest unser Teil des Hauses dieser Entscheidung außerordentlich gelassen entgegensehen.
Aber hinter Ihrem Antrag verbergen sich ja in Wahrheit weniger verfassungsrechtliche Bedenken als vielmehr die Hoffnung, Sie könnten zum Zeitpunkt der Entscheidung im Bundesrat zufällig eine Mehrheit besitzen und auf diesem Wege die Umsetzung unseres Energiekonzeptes verhindern. Um nicht enttäuscht zu werden, sollten Sie die Hoffnung darauf, dass der Bundesrat die Laufzeit
verlängerung ablehnt, nachdem er gerade festgestellt hat, dass er sich hiermit überhaupt nicht zu befassen habe, nicht in den Himmel wachsen lassen.
Meine Damen und Herren, es wäre eine Katastrophe, wenn durch juristische Klimmzüge der Opposition das Energiekonzept gestoppt werden würde. Es gibt keine Chance, die Investitionen in Speichertechnologie und Netze auf den Weg zu bringen, ohne die Gewinne der Kraftwerksbetreiber abzuschöpfen.
Wer dies tatsächlich verhindern will, stellt sich gegen den Ausbau der alternativen Energien, und dies ist in der heutigen Situation unverantwortlich. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wirklich eine traurige Entscheidung, die der Landtag hier trifft. Dieses Land ist wie kein anderes ein Opfer der Atompolitik der CDU und der FDP und der Entscheidungen, die dazu in der Vergangenheit getroffen wurden.
Es war Ministerpräsident Albrecht, der damals den Ort Gorleben aus politischen Gründen ausgewählt hat.
Es ist mittlerweile auch erwiesen, dass es rein politische Gründe waren, die damals ausschlaggebend waren.
Und jetzt stellen Sie sich hier hin, Herr Thümler, und behaupten, dass dieser Landtag im Bundesrat noch nicht einmal über die Laufzeitverlängerung mitentscheiden dürfe, wo die Menge des Atommülls, der jetzt produziert werden soll, auch noch erhöht wird.
Herr Thümler, Ihren Vorvorgängern kann man vielleicht noch zugutehalten, dass sie nicht wussten, was sie taten. In den 60er- und 70er-Jahren - das haben wir ja jetzt in den Akten gesehen - ha
ben einige dieser Atomphysiker noch allen Ernstes geglaubt, dass die Halbwertzeit der radioaktiven Abfälle nur Hunderte oder einige wenige Tausende von Jahren beträgt.
Heute wissen wir es besser. Wir wissen heute, dass im Atommüll radioaktive Nuklide stecken, die länger strahlen, als diese Erde existiert. Ich weiß nicht, ob Sie sich damit einmal befasst haben, Herr Nacke. Aber da Sie ja lange Zeit Vorsitzender des Untersuchungsausschusses waren, denke ich, dass Ihnen das nicht entgangen ist. Sie können heute nicht mehr behaupten, dass Sie Entscheidungen fällen, bei denen Sie nicht wissen, was Sie tun.
Herr McAllister als Ministerpräsident stellt das Licht des Landes unter den Scheffel und behauptet, dass das Land hier nicht mitentscheiden wolle. Das ist schlicht und einfach völlig unverständlich!
Und dann übergehen Herr McAllister und diese Landesregierung auch noch die Rechte der Kläger gegen den Weiterbau in Gorleben. Sie sind sich nicht zu schade, heute um 16.30 Uhr per Presseerklärung den Sofortvollzug für den Weiterbau in Gorleben anzuordnen. Herr Sander, Sie haben sich aber nicht getraut, das vor dem Wochenende zu tun. Das ist wirklich eine feige Tat!
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Das ist aber sehr ordnungsrufwürdig!)
Herr Sander und auch der Ministerpräsident, Sie ignorieren die Gewaltenteilung und lassen zu, dass erneut eine überforderte Behörde - nichts anderes ist das Landesbergamt - wieder versucht, Fakten zu schaffen, mit denen sich spätere Generationen beschäftigen müssen.
Meine Damen und Herren, es macht keinen Spaß, zu sehen, wie Sie mit dem Land und den Menschen in diesem Land umgehen. Wozu haben wir eine Gewaltenteilung, wenn nicht auch die Kläger zu ihrem Recht kommen und die Gerichte hier entscheiden können?
(Beifall bei den GRÜNEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Sofort- vollzug im öffentlichen Interesse! Wir haben einen Rechtsstaat!)
- Herr Langspecht, das Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Papier ist an Klarheit kaum zu überbieten. Ich glaube, hier gibt es niemanden, der die Kompetenz von Herrn Papier infrage stellt.
Unzweifelhaft führt der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken für mehrere Jahrzehnte zu einem personellen Mehraufwand in unseren Landesbehörden, zu einem inhaltlichen Mehraufwand und zu einer ganz anderen Herausforderung. Wir haben mittlerweile durch die Terrorgefahren eine ganz neue Herausforderung, auch was die Beurteilung der Risiken angeht. Gleichzeitig haben wir die Situation, in der Herr Röttgen und die Bundesregierung die Sicherheitsstandards senken. Das ist ein Skandal! Dabei verstecken Sie sich hinter juristischen Paragrafen und behaupten auch noch das Gegenteil.
Meine Damen und Herren, die Entsorgungspflicht ist Bestandteil der Genehmigung laufender Atomkraftwerke. Auch das wissen Sie. Ohne die geordnete Beseitigung des Atommülls darf kein Atomkraftwerk in Deutschland laufen. Heute ist doch wohl allen klar, dass wir auch 50 Jahre nach dem Beginn der Nutzung dieser Technologie keine Lösung haben. All das, was früher als gefahrlos für alle Zeiten bezeichnet wurde, hat noch nicht einmal eine Generation lang gehalten.