Protocol of the Session on October 7, 2010

Groskurt, Stefan Klein, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Uwe Schwarz und Petra Tiemann (SPD)

Verhindert die unklare Abgrenzung von Eingliederungshilfe und Kinder-/Jugendhilfe eine optimale Förderung von Kindern und Jugendlichen?

Schon seit dem Jahre 2007 befasst sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) mit der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der UN-Behindertenrechtskonvention.

So hatten sich die Ministerinnen und Minister für eine Neuordnung der Zuständigkeiten zur Sicherung der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen ausgesprochen, um der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht zu werden.

Fortschritte in der Sache sind allerdings nach Auffassung zahlreicher Experten und Praktiker bislang ausgeblieben. In der Praxis führe die unklare Zuordnung der Leistungen nach der Eingliederungs- oder der Kinder- und Jugendhilfe wegen erheblicher rechtlicher Auseinandersetzungen zu einer schlechteren Förderung der betreffenden Kinder und Jugendlichen. Eine Vereinheitlichung der Leistungen ist bislang nicht absehbar.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Übergangslösungen sind von der Landesregierung für Niedersachsen geplant, bis es auf Bundesebene zur Vereinheitlichung/Harmonisierung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche kommt?

2. Bis wann wird die in Frage 1 genannte Vereinheitlichung/Harmonisierung vorgenommen sein, und wie sehen die Bemühungen der Landesregierung aus, um dieses Vorhaben auf Bundesebene voranzubringen?

3. Nach welchen Kriterien muss nach Auffassung der Landesregierung die o. g. Vereinheitlichung/Harmonisierung vorgenommen werden?

Im Dezember 2008 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen“ der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) eine interkonferenzielle Arbeitsgruppe „Inklusion von jungen Menschen mit Behinderungen“ (Unterarbeitsgruppe V) eingesetzt. Die Arbeitsgruppe analysiert die Schnittstellenproblematik bei Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen zwischen der Sozialhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe und entwickelt Vorschläge für eine Neuabgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und der Sozialhilfe.

Nach dem Zwischenbericht der interkonferenziellen Arbeitsgruppe sind verschiedene Lösungen möglich. Als eine Lösung wird die Zusammenfüh

rung der Eingliederungshilfeleistungen für Kinder- und Jugendliche unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe vorgeschlagen. Hierbei kommen verschiedene Altersgrenzen (Schuleintrittsalter, 18., 21. oder 27. Lebensjahr) für den Übergang in die Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Betracht. Alternativ wird die Konzentration der Leistungen der Eingliederungshilfe für alle Kinder mit Behinderungen im SGB XII genannt. Die 86. ASMK am 25./26. November 2009 hat den Zwischenbericht zur Kenntnis genommen.

Um die Schnittstellenproblematik zu lösen, wurde aufgrund der Beschlüsse der 86. ASMK im November 2009 und eines Umlaufbeschlusses der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) vom 20. Mai 2010 eine gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Vertretern der ASMK, der JFMK, des Bundes und der kommunalen Spitzenverbände eingerichtet. Sie soll Vorschläge entwickeln, wie erzieherische und behinderungsbedingte Hilfen nahtlos ineinandergreifen können. Dabei sollen die Konsequenzen in finanzieller, organisatorischer und personeller Hinsicht berücksichtigt und sorgfältig aufbereitet werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: In Niedersachsen wird eine bedarfsgerechte Förderung der Kinder und Jugendlichen sowohl im Rahmen der Sozialhilfe als auch im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach den geltenden gesetzlichen Regelungen sichergestellt. Übergangslösungen sind derzeit für Niedersachsen nicht geplant.

Zu 2 und 3: Das Land Niedersachsen ist in der gemeinsamen Arbeitsgruppe der ASMK und der JFMK vertreten. Die gemeinsame Arbeitsgruppe soll zur 87. ASMK im November 2010 und zur JFMK im Jahr 2011 einen Bericht vorlegen. Dies bleibt abzuwarten.

Anlage 11

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 13 des Abg. Stefan Wenzel (GRÜNE)

Wurden die Wolfsburger Stadtwerke rechtswidrig für Wahlkampfzwecke in Anspruch genommen?

Nach Berichten in niedersächsischen Medien gibt es Vorwürfe, dass der Aufsichtsratsvorsit

zende und spätere Vorstandschef der Stadtwerke Wolfsburg, Markus Karp, dies Unternehmen „zu einer Art Parteizentrale der CDU ausbauen“ wollte.

So sollen u. a. Mitarbeiter der CDU „bei den Stadtwerken eingestellt worden sein, damit auch diese nebenbei für die CDU tätig sein konnten“, und von Diensthandys und Notebooks der Stadtwerke aus Wahlkampfaktivitäten für die CDU getätigt haben.

Insbesondere soll dies auch während des Landtagswahlkampfs 2002 und 2003 geschehen sein, bei dem Herr Karp als Wahlkampfmanager für den späteren Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff tätig war. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 15. September 2010 stellt dazu fest: „Zum engen Wahlkampfstab gehörte seinerzeit zum Schluss auch David McAllister, der heutige Ministerpräsident.“

Sollten diese Vorwürfe zutreffen, ist nicht nur den Stadtwerken ein enormer finanzieller Schaden entstanden, sondern auch die Rechenschaftsberichte der CDU dürften dann keine korrekten Angaben über erhaltene Spenden, z. B. durch geldwerte Leistungen oder auch genutztes Sponsoring, enthalten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über diese Vorgänge?

2. Wie bewerten Sie diese Vorgänge?

3. Hat das Land Niedersachsen finanzielle Nachteile durch diese Vorgänge erlitten?

Die Mündliche Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen Herrn Professor Dr. Markus Karp, zurzeit freigestellter Vorstandschef der Stadtwerke Wolfsburg AG, Herrn Maik Nahrstedt, zurzeit beurlaubter Pressesprecher der Stadtwerke Wolfsburg AG, und Professor Rolf Schnellecke, Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg, ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue (Professor Dr. Karp und Herr Nahrstedt), Beihilfe zur Untreue (Professor Schnellecke) , Vorteilsgewährung (Professor Dr. Karp) und Vorteilsannahme (Professor Schnell- ecke) eingeleitet.

Der Verfahrenseinleitung liegt ein inzwischen in den Medien verbreitetes Schreiben vom 12. September 2010 zugrunde, das Herr Nahrstedt sowie zwei Prokuristen der Stadtwerke Wolfsburg AG an die Mitglieder des Aufsichtsrates der Stadtwerke Wolfsburg AG gerichtet haben. Nach diesem Schreiben soll Herr Nahrstedt auf Veranlassung von Professor Dr. Karp seit Herbst 2000 bei vollen Bezügen halbtags von seiner Tätigkeit für die

Stadtwerke Wolfsburg AG freigestellt worden sein, um Tätigkeiten der Öffentlichkeitsarbeit für Bürgermeisterwahlen, Kommunal- und Landratswahlen sowie eine Landtagswahl wahrzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat einen Anfangsverdacht wegen der genannten Straftaten bejaht. Am 23. September 2010 haben Durchsuchungsmaßnahmen stattgefunden. Sichergestellte Unterlagen müssen nunmehr ausgewertet werden. Weitere Auskünfte aus dem laufenden Ermittlungsverfahren bzw. Ergebnisse der Beweismittelauswertung können derzeit unter Hinweis auf eben diese laufenden Ermittlungen nicht erteilt werden.

Am 28. September 2010 wurde ein - bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gesetzlich vorgesehenes - Disziplinarverfahren gegen Professor Schnellecke eingeleitet und gleichzeitig bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesetzt.

Zu 2: Die Landesregierung gibt keine Stellungnahme zu Vorgängen ab, die Gegenstand eines laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens sind.

Zu 3: Siehe die Antwort zu 2.

Anlage 12

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 14 der Abg. Ursula Helmhold und Enno Hagenah (GRÜNE)

Landesmittel zweckentfremdet?

In einer öffentlichen Mitteilung des Automobilzulieferers Faurecias vom 5. Juli 2007 heißt es, dass das Unternehmen vom Land Niedersachsen 1,2 Millionen Euro Förderung für den Aufbau eines Kompetenzzentrums für Umform- und Presstechnik in Stadthagen zwischen 2007 und 2011 erhalten solle. Faurecia sagt darin im Gegenzug zu, 70 neue Arbeitsplätze in Stadthagen schaffen zu wollen. Die Unternehmensleitung habe sich mit dem Betriebsrat geeinigt, mit dem Zentrum für Press- und Umformtechnik „Beschäftigung am Standort“ zu sichern. Im Schaumburger Wochenblatt vom 7./8. Juli 2007 heißt es zudem, dass für die Standortsicherung in Stadthagen die Errichtung des Kompetenzzentrums entscheidend sei. Auf einer Pressekonferenz sicherte Faurecia laut Schaumburger Nachrichten vom 6. Juli 2007 zu, dauerhaft 1 650 Arbeitsplätze bereitstellen zu wollen. Dafür wolle Faurecia 9 Millionen Euro in das Kompetenzzentrum für Presstechnik investieren. Die Geschäftsleitung bedankte sich beim nieder

sächsischen Wirtschaftsministerium, den Bau des Presswerks zu unterstützen.

Festzustellen ist, dass Faurecia das Kompetenzzentrum für Umform- und Presstechnik bislang nicht gebaut hat und dass Faurecia von aktuell rund 1 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund 300 Beschäftigten kündigen will. In der Medienberichterstattung heißt es dazu, dass die Mittel des Landes nicht - wie vorgesehen - für das Presswerk verwendet worden seien, sondern für das klassische, bereits bestehende Kerngeschäft Faurecias, nämlich die Entwicklung von Autositzen. Laut Schaumburger Zeitung vom 14. September 2010 seien bislang 300 000 Euro Landesmittel geflossen. Das Unternehmen gibt weiterhin bekannt, bislang 5,3 Millionen Euro am Standort Stadthagen im Rahmen üblicher Geschäftinvestitionen eingesetzt zu haben. Die anstehenden Entlassungen resultieren laut Faurecia aus der Wirtschaftskrise und ausbleibenden Aufträgen. Angeblich gebe es bislang keine Folgeaufträge für Stadthagen. Tatsächlich soll es sehr wohl Folgeaufträge geben, die Faurecia künftig aber in anderen Ländern abwickeln will: So sollen Fertigungen von Sitzen und Lehnen an Werke in Polen abgegeben werden und die Entwicklung und Produktion von Sitzbeschlägen künftig in französischen Werken stattfinden. Wirtschaftsminister Bode sagte gegenüber NDR 1 (11. September 2010) , das Land habe die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes unterstützt. Ohne die Förderung wäre der Stellenabbau vermutlich stärker ausgefallen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. An welche Bedingungen und Zusagen, z. B. zum Erhalt von Arbeitsplätzen, hatte die Landesregierung 2007 die Förderung des Kompetenzzentrums für Umform- und Presstechnik am Standort Stadthagen geknüpft, und in welcher Weise hat das Unternehmen Faurecia diese Bedingungen erfüllt?

2. Wann hat wer und aus welchen Gründen die Fördermittel für das Kompetenzzentrum umgeleitet in das Kerngeschäft Faurecias, die Entwicklung von Autositzen, und welchen Einfluss hat die Neudeklarierung der Fördermittel auf den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen bei Faurecia in Stadthagen?

3. In welcher Weise bringt sich das Land ein, um die regionale Autozuliefererindustrie und aktuell den Standort von Faurecia zu stärken, indem sie Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen - beispielsweise durch VW - nimmt?

Faurecia ist einer der weltweit führenden Automobilzulieferer in vier bedeutenden Bereichen: Autositze, Filter, Innenraumsysteme und Stoßfänger. Die Gruppe mit Sitz in Nanterre bei Paris erwirtschaftet seit der Übernehme von Plastal Deutschland im März dieses Jahres etwa 10 Milliarden Euro. Der Konzern ist mit 62 000 Mitarbeitern in 32 Ländern mit über 200 Standorten und 33 For

schungs- und Entwicklungszentren ein „Global Player“. In Stadthagen liegt der Sitz von Faurecia Deutschland. Das Entwicklungszentrum mit ca. 900 Mitarbeitern ist weltweite Zentrale für die Entwicklung von Autositzen. Das Werk hat derzeit 350 Beschäftigte. Faurecia hat verkündet, im Werk annähernd 200 Mitarbeiter ab 2011 abbauen zu wollen, bei der Programmentwicklung etwa 90.

Der Stellenabbau in der Größenordnung von rund 300 Arbeitsplätzen ist für die Region sehr schwer. Angemessene alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen nur in sehr beschränktem Umfang, zumal vor Jahren bereits Firmen wie OTIS oder ALCATEL ihre Standorte in Stadthagen aufgegeben haben.