Protocol of the Session on September 9, 2010

Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Alterssicherungssystem ist auf Dauer nicht überlebensfähig, wenn die Ausgaben deutlich stärker steigen als die Einnahmen. Die demografische Entwicklung und die Veränderungen in der Arbeitswelt bewirken dies aber in der Rentenversicherung.

Um die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, hat der Gesetzgeber von 1992 bis 2007 zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch die sukzessive Anhebung der Altersgrenzen für den Bezug der Altersrente - besser bekannt als „Rente mit 67“ -, die von 2012 bis 2029 vollzogen wird. Hierfür ist Deutschland von der OECD ausdrücklich gelobt worden.

Die steigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenzahlen machen die stufenweise Anhebung der Altersgrenze für die Regelaltersrente von 65 auf das 67. Lebensjahr unausweichlich und unverzichtbar. Eine andere nachhaltigere und generationengerechtere Lösung ist nicht ersichtlich, um das Rentenniveau und die Beitragssätze sichern zu können und das bewährte Alterssicherungssystem demografiefest auszugestalten.

Die Regelaltersgrenze 65 Jahre gibt es seit über 90 Jahren. Bis 1916 lag für Arbeiter die Altersgrenze sogar bei 70 Jahren. Seitdem haben sich die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer stetig verlängert. Allein zwischen 1960 und 2005 ist die durchschnittliche Rentenlaufzeit um 70 % angestiegen. Mit der Rente mit 67 verlängert sich die Lebensarbeitszeit um zwei Jahre, während die Lebenserwartung bis 2029 um rund drei Jahre ansteigen wird.

Meine Damen und Herren, dem Gesetzgeber war die besondere Sensibilität bewusst, die ein Heraufsetzen der Altersgrenze für den Regelaltersrentenbezug bedeutet. Deshalb hat er der Bundesregierung in § 154 Abs. 4 SGB VI aufgegeben, von 2010 an alle vier Jahre darüber zu berichten, wie sich die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer ab 60 Jahre darstellt und ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können. Dadurch soll rechtzeitig festgestellt werden, ob gegebenenfalls gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Die Rente mit 67 ist keine Rentenkürzung. Wer dies fälschlicherweise behauptet, überträgt die heutige Beschäftigungssituation Älterer 1 : 1 in die Zukunft, und dies ist unredlich. Bis 2012 ändert sich am Renteneintrittsalter zunächst gar nichts. Danach wird die Altersgrenze schrittweise über einen langen Zeitraum um zunächst jährlich einen Monat und ab 2024 jährlich um zwei Monate angehoben. Die Rente mit 67 kommt faktisch also erst 2029 voll zum Tragen.

Dann wird die Erwerbsquote der Älteren schon allein aufgrund der demografiebedingten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angestiegen sein. Schon heute ist eine deutliche Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse der über 60-Jährigen von 10,7 % im Jahr 2000 auf 21,5 % im Jahr 2008 zu verzeichnen. Das ist eine hochdynamische Entwicklung.

Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die längere Lebensarbeitszeit zusätzliche Rentenanwartschaften erworben werden, die sich erhöhend auf die spätere Altersrente auswirken.

Vor diesem Hintergrund macht es gegenwärtig wenig Sinn, aus einzelnen Daten und Zahlen, die von der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Beantwortung von Anfragen aus dem Bundestag genannt werden, Berechnungen anzustellen und daraus Schlüsse in Bezug auf die komplexe Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer und ihre voraussichtliche Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten zu ziehen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2: Die Landesregierung wird zunächst den für November 2010 angekündigten

Bericht der Bundesregierung zur Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer abwarten, bevor sie sich über Konsequenzen in Bezug auf die ab 2012 vorgesehene schrittweise Anhebung der Altersgrenze für den Regelaltersrentenbezug Gedanken macht. Davon ist auch das Verhalten Niedersachsens im Bundesrat und gegenüber der Bundesregierung abhängig.

Zu Frage 3: Wesentliche Änderungen im Rentenrecht sind in der Vergangenheit stets wirkungsgleich und systemgerecht auf das Alterssicherungssystem der niedersächsischen Beamtinnen und Beamten übertragen worden. Entsprechendes gilt auch für die beabsichtigte schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze. Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, die Beamtinnen und Beamten in der Frage der Altersgrenze gegenüber den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten besserzustellen. Zudem erfolgt eine schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze im Gleichklang mit den anderen norddeutschen Ländern.

Die Streichung des Urlaubsgeldes sowie das Ersetzen der bundesrechtlich geregelten Sonderzuwendung durch eine Sonderzulage nach Landesrecht und deren Reduzierung stehen in keinerlei Zusammenhang mit der geplanten Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

(Beifall bei der CDU)

Die erste Zusatzfrage stellt für die Fraktion DIE LINKE Frau Weisser-Roelle. Bitte sehr!

(Norbert Böhlke [CDU]: Eigentlich ist alles gesagt!)

Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass Arbeitslosigkeit bei Älteren häufig gleichbedeutend mit Langzeitarbeitslosigkeit ist und die Chancen, in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu wechseln, sehr gering sind? Worin sieht sie die Hauptursache dafür?

(Beifall bei der LINKEN)

Es antwortet Herr Minister Bode.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung bedauert jeden einzelnen Fall von Arbeitslosigkeit unabhängig vom Alter der betreffenden Person. Die Landesregierung unterstützt gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit auch jeden einzelnen individuell gelagerten Fall mit Unterstützungsprogrammen, mit Qualifizierungsprogrammen etc., um jeden in den Arbeitsmarkt zurückzuführen und zu integrieren, damit er auf eigenen Beinen stehen kann.

Gerade aufgrund der in der jüngeren Zeit geführten Debatte über den demografischen Wandel und dem damit zusammenhängenden Rückgang nicht nur der Bevölkerung, sondern auch der zukünftig zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen sind sich jetzt zahlreiche Unternehmen der Tatsache bewusst, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wegen ihrer Qualifikationen, ihrer Erkenntnisse und ihres Erfahrungsreichtums einen besonderen Wert darstellen. Außerdem versucht man, dem Fachkräftemangel gerade durch Weiterbeschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entgegenzuwirken.

Insofern bitte ich, nicht die Jugendarbeitslosigkeit gegen die Altersarbeitslosigkeit auszuspielen,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Macht doch auch keiner!)

sondern gemeinsam daran zu arbeiten, dass in Niedersachsen so wenige Menschen wie möglich arbeitslos sein müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister Bode, Sie haben eben davon gesprochen, dass Sie - wenn ich Sie richtig interpretiere - alles dafür tun, um Maßnahmen zur Qualifikationserhaltung voranzutreiben. Ich frage die Landesregierung aber trotzdem noch einmal: Was gedenken Sie im Einzelnen zu tun, um die von vielen Expertinnen und Experten angemahnte Verstärkung der betrieblichen wie außerbetrieblichen Maßnahmen zur Qualifikationserhaltung und Anpassung vor allem für ältere Beschäftigte voranzubringen? Welche Projekte im

Einzelnen haben Sie aufgelegt oder wollen Sie auflegen?

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bode. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeitsmarktpolitik der Niedersächsischen Landesregierung ist - man muss sich nur die Zahlen, die in der Aktuellen Stunde genannt worden sind, vor Augen führen - ein großer Erfolg. Wir sind der festen Überzeugung, dass der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit Bildung und Qualifizierung sind.

(Norbert Böhlke [CDU]: Sehr richtig!)

Deshalb haben wir die Qualifizierungsoffensive Niedersachsen gestartet, mit der wir speziell für die einzelnen Gruppen besondere Angebote und Unterstützungsmaßnahmen auflegen. Es geht einmal um junge Menschen, die noch nicht die Fähigkeiten haben, um in Arbeit und Ausbildung zu kommen. Es geht aber auch genauso darum, dass wir Angebote für ältere Beschäftigte machen wollen, damit sie sich weiter qualifizieren und besondere Fähigkeiten bekommen können, um bei Strukturwandel oder Ähnlichem nicht von Arbeitslosigkeit bedroht zu sein.

Unsere Programme sind speziell auf mittelständische Unternehmen ausgerichtet, die nämlich Qualifizierung und Weiterbildung manchmal nicht so einfach organisieren und leisten können wie beispielsweise VW mit seiner großen Personalabteilung und seinen großen Trainings- bzw. Trainerangeboten etc. Die wesentlichen Programme sind hier IWiN und WOM.

Die Qualifizierungsoffensive Niedersachsen ist, gemeinsam getragen von allen Partnern, ein voller Erfolg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Dr. Sohn für die Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Özkan, ich bitte um Lesehilfe, und zwar anknüpfend an Ihre Antwort auf unsere dritte Frage. Da haben Sie ja angekündigt, dass Sie für unsere Beamtinnen und Beamten die schrittweise Anpassung an die gesetzliche Rentenversicherung vornehmen wollen. Ich habe die Bitte, dass Sie mir erläutern, welche Berücksichtigung diese Ankündigung in der uns übersandten Mittelfristigen Planung 2010 bis 2014 findet.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Özkan.

Ich denke, ich habe es eben deutlich gesagt. Alles Weitere müssen Sie im Haushaltsausschuss bei der Beratung der Haushaltspläne erfragen. Dafür ist dann Minister Möllring der Richtige.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion DIE LINKE Frau Weisser-Roelle. Bitte sehr!

Im November muss ja auf der Grundlage, die im Gesetzespaket verabschiedet ist, die sogenannte Bestandsprüfungsklausel besprochen werden. Das wurde vorhin schon erwähnt, Frau Ministerin. Aber ich frage Sie doch noch einmal: Welche Konsequenzen sollte nach Ansicht der Landesregierung die Bestandsprüfungsklausel haben, insbesondere wenn sich die Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer als schlecht herausstellen sollte? Welche Position vertreten Sie dann, wenn sich das als schlechter herausstellen sollte?

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Özkan.

Das werden wir dann bewerten, wenn dieser Bericht da ist und wir die Ergebnisse haben. Gleichzeitig gibt es auch eine Regierungskommission, die eben genau das, was Sie angesprochen haben, nämlich die Vermeidung von Altersarmut, betrachten und analysieren wird. Sie wird Anfang 2011 eingerichtet. Auch sie wird in Bezug auf den Hintergrund, nach dem Sie vorhin gefragt haben, flankierend tätig sein.

Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, meine Hartnäckigkeit zu entschuldigen. Ich frage jetzt ausdrücklich nicht Frau Özkan, sondern die Landesregierung, die uns zur Auskunft verpflichtet ist, möglicherweise ja auch den Ministerpräsidenten, der mit schönem Bild hier vorne in der mittelfristigen Finanzplanung steht. Da ich das - wenn die Pensionsrückstellungen so wachsen, wie es hier drinsteht - zu meiner freudigen Überraschung dort nicht gefunden habe, frage noch einmal nach: Ist meine Lesart der mittelfristigen Finanzplanung richtig, dass die Beamtinnen und Beamten davon ausgehen können, dass es bis 2014 bei der Altersregelgrenze 65 bleibt? Oder lese ich die mittelfristige Finanzplanung in diesem Punkt falsch?

(Beifall bei der LINKEN)