Protocol of the Session on September 9, 2010

Herr Minister!

Frau Kollegin, dabei war aber nicht das Bundesverfassungsgericht im Gespräch.

(Björn Thümler [CDU]: Eben!)

Dass wir generell die Grundsätze auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit den wichtigen Hinweisen beachten, ist alles in Ordnung. Am Ende muss aber geguckt werden, wer das Sagen hat. In diesen Fällen der Sicherungsverwahrung - ich hoffe, dass das vielleicht im Oktober erfolgt; denn mittlerweile stehen dort drei einstweilige Anordnungsverfahren zur Hauptentscheidung an - bekommen wir eine Botschaft des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage: Ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung unverändert noch verfassungskonform, wie schon 2004 ausgeurteilt, oder muss man das anders sehen?

Das sind für mich wichtige Hinweise. Ich halte mich allerdings an Karlsruhe. Sie kennen meinen Standpunkt. Alles andere von Europa ist wichtig und mag auch, so weit es geht, beachtet werden. Wir müssen aber schon wissen, wer am Ende das Sagen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Nun erhält nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung Herr Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Auch Sie haben zwei Minuten. Bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Er müsste es am besten wissen! Sein Examen liegt am Kürzesten zurück!)

Ich wusste gar nicht, dass Sie so charmant sein können, Herr Kollege Nacke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur ein Randaspekt, den ich gerade in dieser hochkomplexen Thematik von Europarecht und Verfas

sungsrecht für wichtig halte: Wir sollten in der Debatte nicht zwei verschiedene europäische Gerichte vermischen. Es gibt einmal den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Er basiert ursprünglich auf den EWG-Verträgen, dann auf den EGVerträgen und jetzt auf dem EU-Vertrag und natürlich auf dem sogenannten Lissabon-Vertrag und hat u. a. über das Landesvergabegesetz entschieden. Daneben gibt es den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Er basiert auf der Europäischen Menschenrechtskonvention und hat mit der EU so gut wie gar nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig! So ist es!)

Diese beiden Gerichte haben auch organisatorisch nichts miteinander zu tun. - Dies nur zur Klarstellung, damit wir das in der Debatte hier nicht vermischen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Frau Flau- ger sollte zuhören!)

Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege Limburg. - Keine weitere Herausforderung, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/2519 in geänderter Fassung annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir treten nun in die Mittagspause ein. Ich erwarte Sie alle um 14 Uhr gestärkt wieder hier.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.45 Uhr bis 14.00 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist 14 Uhr. Ich rufe jetzt nach der Mittagspause den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/2780

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt

voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist jetzt 14.01 Uhr.

Ich rufe die Frage 1 auf:

Steht die Y-Trasse vor dem Aus?

Sie wird von Frau Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE gestellt. Bitte sehr!

Schönen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte anwesende Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vorab eine Bemerkung, Herr Präsident. Eben haben wir im Präsidium über das Erscheinungsbild gesprochen, wenn hier mit Laptops gearbeitet wird. Aber wenn hier um 14 Uhr die Sitzung beginnt und fast niemand da ist, so ist das auch ein sehr fragwürdiges Erscheinungsbild.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Wir sind da!)

- Ich weiß, man spricht dann die Anwesenden an, aber die anderen erreiche ich zurzeit nicht. - Aber schönen Dank, das musste sein. Jetzt kommen wir zum Thema.

Frau Weisser-Roelle, Sie haben mir gerade das Stichwort gegeben. Wir haben darüber gesprochen, dass Laptops hier nicht erlaubt sind. Dazu gibt es auch einen Beschluss. - Der Herr Kollege hat das auch schon gemerkt. Vielen Dank.

Liebe Frau Weisser-Roelle, diese Zeit bekommen Sie zusätzlich. Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steht die Y-Trasse vor dem Aus?

Mitte August 2010 hat das Umweltbundesamt eine in seinem Auftrag erstellte Studie zum Thema „Schienennetz 2025/2030 - Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland“ veröffentlicht. Die Studie wurde von dem Berliner Beratungsunternehmen KCW unter Leitung von Michael Holzhey angefertigt. Geradezu vernichtend liest sich das Fazit, das die Studie speziell zu der von der Niedersächsischen Landes

regierung seit Jahren favorisierten Y-Trasse zwischen Hamburg, Bremen und Hannover zieht - ich zitiere -:

„Das Y ist der sichere Weg, den Vor- und Nachlauf der norddeutschen Seehäfen zu verstopfen.“

Das Y könne nicht im Ansatz die vorhergesagten Zuwächse verkraften. Die Schwäche der Y-Trasse sei, so die im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Studie, ihr veralteter Ansatz, der vom Anfang der 90er-Jahre stamme. 20 Jahre später hätten sich sämtliche Annahmen in ihr Gegenteil gewendet. Von der Fixierung auf Hochgeschwindigkeitsverkehr sei man weggekommen. Der Schienengüterverkehr befinde sich nicht mehr auf Talfahrt. Im Gegenteil: Ihm komme sogar eine Treiberrolle zu. Der Personennahverkehr habe sein damaliges Schattendasein längst hinter sich gelassen.

Die Y-Trasse setze, der Studie zufolge, indes primär auf Reisezeitgewinne: 13 Minuten zwischen Hannover und Hamburg und 8 Minuten zwischen Hannover und Bremen. Auch die Knoten Hamburg und Hannover seien ein Problem. Der Kapazitätsgewinn, so die Studie weiter, sei überaus dürftig. Von 110 Güterzügen sollen allein 90 Hamburg anlaufen. Daher sei der kurze westliche Ast des Y für die Häfen Bremerhaven, Wilhelmshaven und Bremen nahezu ohne jeden Nutzwert, erklären die Verfasser der Studie.

Die vorgelegte Studie kritisiert ebenfalls die Kostenansätze der Y-Trasse. Immer noch werde mit dem Ansatz von 1992 in Höhe von 1,3 Milliarden Euro gearbeitet. Realistisch seien stattdessen aber mindestens 3 Milliarden Euro aus Steuergeldern.

Als Alternative zu dem Megaprojekt Y-Trasse schlägt die Studie den dreigleisigen Ausbau der Strecke Lüneburg–Uelzen bzw. den zweigleisigen Ausbau der Strecken Uelzen–Stendal sowie Langwedel–Uelzen und Rotenburg–Verden vor. Die Kosten lägen mit 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Euro klar unter den Baukosten der Y-Trasse. Zugleich würde mit diesen Alternativen ein zwei- bis dreimal höherer Kapazitäts- und Flexibilitätsgewinn erzielt, schlussfolgern die Verfasser der Studie.

Die im Auftrag des Umweltbundesamtes vorgelegte Studie bekräftigt übrigens die Ergebnisse einer von der Linksfraktion im Niedersächsischen Landtag bereits im Frühjahr 2009 veröffentlichten Studie über die Hinterlandanbindung der Seehäfen; die Verfasser waren Roland Sellien und Hans-Chris

tian Friedrichs. Im Ergebnis der Analyse der Y-Trasse kommen die Verfasser zu dem Schluss: zu spät, zu teuer, zu wenig leistungsfähig.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Haltung bezieht sie zu der Kritik der im Auftrag des Umweltbundesamtes vorgelegten Studie bezüglich Anliegen und Kosten der vorgesehenen Y-Trasse?

2. Welche Konsequenzen beabsichtigt sie, aus dieser Kritik zu ziehen?

3. Wie beurteilt sie die in der Studie vorgestellten Alternativen für die Y-Trasse?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Bode. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Studie des Umweltbundesamtes zum Schienennetz 2025/2030 hat im Land viel Aufregung gebracht. Ich nutze Ihre Anfrage daher sehr gern, um unsere Sichtweise auf die Studie darzustellen. In den Augen der Landesregierung ist diese Studie, was den norddeutschen Raum betrifft, nicht sonderlich konstruktiv für den Schienenverkehr, und sie stellt insofern mit ihrer entwertenden Position zu Schienenvorhaben für uns keine Konzeption dar.

Zunächst wird unterstellt, die Y-Trasse könne man angesichts der noch nicht bestehenden Planfeststellung ohne größeren Verlust an Zeitaufwand und Sachaufwand aus der Planung streichen und ohne Verluste beliebige andere Projekte starten. Hierzu ist festzustellen, dass es zum einen bereits ein abgeschlossenes Raumordnungsverfahren für die Y-Trasse gibt. Zum anderen ist die Bahn gerade dabei, die Planungsarbeiten aufzunehmen. Wie Sie wissen, hat der Bund hierfür bereits 20 Millionen Euro bereitgestellt. Wer an dieser Stelle meint, die Planungen könne man verlustlos abbrechen und an anderer Stelle von vorne anfangen, der kennt die Maßstäbe für Schieneninfrastrukturprojekte nicht.