Protocol of the Session on September 8, 2010

damit wichtige Impulse für weitere Veränderungsprozesse setzen. Das Ziel bleibt die volle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft - gar kein Zweifel, gar kein Dissens.

Bereits seit dem 1. Januar 2008 gilt in Niedersachsen das Behindertengleichstellungsgesetz. Im Prozess der Evaluation hat uns die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände am 12. August nach einer Umfrage bei den Gebietskörperschaften mitgeteilt - ich zitiere -:

„Übereinstimmend wird berichtet, dass die bestehenden Regelungen ausreichen und insofern in allen Bereichen keine weitergehenden Richtlinien und Ähnliches erforderlich sind.“

Meine Damen und Herren, bereits die geltende Niedersächsische Bauordnung enthält eine lange Liste baulicher Anlagen, die sämtliche Bereiche öffentlicher Verantwortung abdecken und die so eingerichtet sein müssen, dass sie von behinderten Menschen ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.

Sämtliche Landkreise und kreisfreien Städte haben Beiräte für Menschen mit Behinderungen eingerichtet. Ich darf an dieser Stelle meine Anregung an all diejenigen, die im kommunalen Bereich Verantwortung tragen, erneuern, dass die Kommunen diesen Beiräten ein Antragsrecht einräumen sollten, damit ihre Beratungskraft durch eine Initiativkraft ergänzt wird. Im Landkreis Gifhorn, um ein Beispiel zu nennen, ist das so geregelt. Das ist wirklich beispielhaft.

Der Landtag hat auf Antrag der Koalitionsfraktionen bereits am 18. Februar 2010 eine Entschließung angenommen und damit die Entwicklung eines nationalen Aktionsplanes zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen befürwortet. Es ist doch völlig klar, dass Kommunen und örtliche Träger mit den Ländern und dem Bund bei der Umsetzung innig zusammenarbeiten müssen. Auch die Vernetzung der unterschiedlichen Kostenträger und Leistungserbringer wird - da gebe ich Frau Mundlos völlig recht - niemals ein abgeschlossener Prozess sein. Das gilt namentlich für die Weiterentwicklung des Persönlichen Budgets.

Vor diesem Hintergrund ist es einigermaßen verwunderlich, dass die Fraktion der Grünen heute den Eindruck zu erwecken versucht, dass mit der UN-Konvention ein neuer rechtlicher und politischer Rahmen gesetzt worden sei, der eine grund

sätzlich neue Handlungsorientierung erforderlich mache. Das ist gar nicht der Fall. Wir sind rechtlich längst unterwegs. Es ist auch verwunderlich, dass den Grünen entgangen ist, dass die Leistungen für Menschen mit Behinderungen in Deutschland und Niedersachsen in einer Weise geregelt sind, die in weiten Teilen der Welt als vorbildlich angesehen wird.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das ist aber ein sehr verklärter Blick!)

Wir haben vom Kollegen Schwarz einen nicht besonders sachlichen Diskussionsbeitrag gehört. Verehrter Herr Kollege Schwarz, richtig war aber der Hinweis, dass der Haushaltsansatz bei ungefähr 1,5 Milliarden Euro im Lande Niedersachsen liegt. Das ist bei einem Haushalt, der 25 Milliarden Euro umfasst, nicht ganz unbeträchtlich.

(Uwe Schwarz [SPD]: Wollen Sie sa- gen, dass der auskömmlich ist?)

Immer noch gibt es ein sogenanntes Bündnis für ein Niedersächsisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Dieses Bündnis hat am 29. Juni einen aktuellen Forderungskatalog erstellt. Mit diesem Forderungskatalog - er ist dünn; aber er besteht - müssen wir uns inhaltlich auseinandersetzen. Dabei muss Augenmaß walten. Beispielsweise geht die dort enthaltene Forderung nach hauptamtlichen Beauftragten Betroffener in allen Kommunen weit über das hinaus, was in der Konvention vereinbart ist. Die Kommunen dürfen das tun, wenn sie es finanziell können. Der Landeshaushalt wird eine solche Forderung aber nur mit Mühe tragen können.

Zur Barrierefreiheit - ein ganz wichtiger Punkt in der Materie - bleiben die Ausführungen des Bündnisses mehr als allgemein; das muss man deutlich sagen. Da ist von Internetseiten die Rede. Da kann man noch etwas tun. Aber von Bausubstanz ist dort ausdrücklich nicht die Rede.

Mit den Anregungen aus dem Antrag, meine Damen und Herren, werden wir uns im Fachausschuss, wie angekündigt, sorgfältig beschäftigen. Bislang ist aber nicht zu erkennen, dass er neue Ansätze oder richtungweisende Impulse enthält.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Riese. - Zu einer Kurzintervention auf Ihren Beitrag erteile ich Herrn Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE für anderthalb Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Riese, Sie waren meine letzte Hoffnung, dass eine der beiden Koalitionsfraktionen sagt, was denn gegen diesen Antrag spricht.

Der Kern dieses Antrages, den ich - wie auch den Fahrradantrag - vor dieser Debatte für völlig konsensfähig gehalten habe, ist, dass die Landesregierung bis zum nächsten Frühjahr einen Aktionsplan vorlegen soll. Mehr enthält der Antrag im Kern nicht.

Diesen Antrag finde ich urvernünftig. Auch auf die Gefahr hin, dass Frau Körtner jetzt über mich herfällt - - -

(Heiterkeit)

Das werden wir nicht zulassen.

Als bei uns die Kinder auszogen, haben wir vor drei Jahren einen geistig behinderten Verwandten zu uns genommen. Er entwickelt sich gut. Die Ärzte sagen, dass es ihm guttut, dass er nicht mehr in separierten Einrichtungen ist. Das hat mich persönlich schockiert.

Das ist, finde ich, der Kern dieses Paradigmenwechsels: dass es den Behinderten - nebenbei: auch den Nichtbehinderten - guttut, nicht zu separieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich finde den Antrag völlig richtig, gemeinsam daran zu arbeiten, durch einen Aktionsplan die Konsequenzen daraus für die Praxis zu ziehen. Insofern verstehe ich die Aggressivität der Debatte nicht, und ich verstehe, Herr Riese, überhaupt nicht, dass man gegen diesen sehr moderat formulierten Antrag etwas sagen kann.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Riese möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Jetzt zum Antrag!)

Verehrter Herr Kollege Sohn, ich habe hier sehr moderat formuliert, vorgetragen, dass der Antrag keine grundsätzlich neuen Impulse enthält. Ich habe weiter vorgetragen, dass wir uns im Ausschuss in Ruhe und sachlich damit beschäftigen werden.

Was ich nicht gesagt habe und gerne an dieser Stelle sagen möchte: Über die Frage, ob es eines eigenen Landesaktionsplanes bedarf oder ob der nicht vielleicht doch eher Aktionismus wäre, wollen wir uns sehr sorgfältig miteinander unterhalten. Da geht es darum, welchen Beitrag das Land Niedersachsen in der Diskussion mit den kommunalen Verbänden, dem Bund und den Bundesländern bereits bringt.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke schön. - Die letzte Wortmeldung vor der Mittagspause kommt von Frau Ministerin Özkan. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schwarz, Sie haben sich zu den Haushaltsansätzen eingelassen. Ich denke, wir haben in der nächsten Woche, wenn der Haushalt in den Ausschuss eingebracht wird, noch viel Gelegenheit, darüber zu sprechen. Das Szenario, das Sie hier eben aufgemalt haben, gibt mir nur zu denken, dass Sie die Leute auf die Straße treiben wollen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist der Ansatz! Genau das ist das Ziel!)

Das ist nicht der Konsens, den wir haben und besprechen wollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Mir sagen die Verbände und auch die, die mit den Einrichtungen verantwortlich umgehen, etwas ganz anderes, Herr Schwarz.

(Beifall bei der CDU - Uwe Schwarz [SPD]: Soll ich ihnen einmal vorlegen, was Ihnen die Verbände schreiben?)

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verbietet die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen. Es garantiert ihnen bürgerliche, politische, wirtschaftliche,

soziale und kulturelle Menschenrechte. Das ist das Entscheidende: Es ist geltendes Recht. Das haben wir hier eben noch einmal fraktionsübergreifend deutlich festgestellt. Niedersachsen hat dem Ratifizierungsgesetz im Bundesrat zugestimmt.

Gleichzeitig hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, einen nationalen Aktionsplan aufzulegen. Auch der Koalitionsvertrag auf der Bundesebene sieht diesen Auftrag vor.

Ich kann an dieser Stelle die Gemüter vielleicht etwas beruhigen. Sowohl die Länder als auch die Kommunen, die Spitzenverbände und die Sozialpartner haben im Frühjahr mit der Bundesregierung, mit den entsprechenden Stellen und Institutionen einen Erfahrungsaustausch gehabt. Er fließt jetzt letztendlich auch in die Vorbereitung des Aktionsplans ein.

Im ersten Entwurf wird dieser Aktionsplan bis Dezember vorliegen, sodass wir Gelegenheit haben werden, die Ansätze, die wir eingebracht haben und noch einbringen werden, intensiv zu diskutieren.

Wir in Niedersachsen haben uns parallel zu den Aktivitäten auf Bundesebene intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Da geht es nicht um lapidare Bekenntnisse, wie Sie, Herr Schwarz, sie uns und dem Sozialministerium vorwerfen. Vielmehr haben wir eine ressortübergreifende Überprüfung und Bewertung dieses Übereinkommens eingefordert. Die ersten Rückmeldungen kommen herein. Wir werden die sich daraus ergebenden Handlungsbedarfe für die Landesregierung sehr genau zusammenstellen und letztendlich auch bewerten, was von unserer Seite zu dem Aktionsplan beigesteuert werden kann und welche Maßnahmen das für uns bedeutet.

Sie haben gerade vorhin die Evaluierung des Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetzes angesprochen. Wir sind verpflichtet, es zum 31. Dezember zu evaluieren. Das findet statt; das ist keine Sollfrage. Auch die wichtigen Hinweise auf die Umsetzung des UN-Übereinkommens werden dort dargestellt werden und einfließen. Wir werden diesen Bericht zusammenstellen und dann erst dem Kabinett und dann diesem Parlament zuführen. Insofern freue ich mich auf die ersten Stellungnahmen, die jetzt schon eingegangen sind und die wir sehr genau bewerten werden.

Die Landesregierung ist und war auch bisher bereit, im Landtagsausschuss über diese Erkenntnisse zu diskutieren. Wir werden Sie über diese Er

kenntnisse unterrichten. Hier herrscht ganz klar Transparenz; kein Thema wird hier irgendwie totgeschwiegen.

Wir haben im Januar hier im Plenum die Antwort auf die Große Anfrage mit dem Titel „Teilhabe für Menschen mit Behinderung ermöglichen - Barrieren abbauen“ sehr intensiv diskutiert. An dieser Stelle wurde auch deutlich, was das Land auf den Weg gebracht hat. Das Gleichstellungsgesetz ist erwähnt worden.

Zum persönlichen Budget möchte ich erwähnen, dass wir in Niedersachsen mittlerweile 500 Budgetnehmer haben, die es in Anspruch nehmen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das ist keine Leistung des Landes! Das ist Bundes- recht!)