Protocol of the Session on June 4, 2008

Herr Wulff, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Unternehmen Volkswagen steht heute sehr gut da - wesentlich besser als vor fünf oder sechs Jahren -, und die Arbeitsplätze sind dementsprechend auch viel sicherer, als sie es vor fünf oder sechs Jahren gewesen sind.

Als die Firma Porsche erklärt hat, dass sie bei Volkswagen einsteigen wolle, haben wir von Anfang an drei Dinge gesagt: Erstens. Wir begrüßen das Engagement der Porsche AG. Zweitens. Porsche bringt Know-how und erstklassige Leute in das Unternehmen, und es gibt Synergiepotenziale und mögliche Effizienzgewinne; deshalb ist Porsche ein guter Partner für Volkswagen. Drittens haben wir gesagt - das ist anfangs kritisiert worden; heute haben aber alle die Richtigkeit erkannt -: Nicht alle Interessen von Porsche sind deckungsgleich mit den Interessen des VWKonzerns. Deshalb müssen wir auch die Wahrung unserer niedersächsischen Interessen als Anteilseigner und Sitzland der Volkswagen AG von Anfang an vertreten, gegebenenfalls auch gegen Vertreter der Porsche AG. - Ich habe damals das Gutachten von J. P. Morgan zur Klärung der Frage durchgesetzt, was wir tun müssen, um diese Interessen zu wahren. Das ist zum Teil kritisiert worden. Heute sehen alle ein, dass das richtig war. Wir haben einen Aktionärsausschuss eingerichtet, der dafür sorgt, dass die Porsche AG als Aktionär nicht gegenüber anderen Dritten begünstigt wird, mit denen die VW AG Geschäfte betreibt.

Ich bleibe dabei: VW ist und bleibt ein eigenständiges Unternehmen in Niedersachsen. So gesehen wäre es hilfreich, wenn Porsche in diesem Sinne auf das Management, den Betriebsrat und die Mitarbeiter zuginge.

Das VW-Gesetz ist keine Privilegierung des Landes Niedersachsen, sondern dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Kein Aktionär soll so mächtig sein, dass er dieses Unternehmen allein dominieren kann. Umso problematischer ist jetzt der Konflikt mit der EU-Kommission, vor allem dann, wenn der

einzige Kommissar aus Deutschland, Herr Verheugen, die nach unserer Meinung einzig richtige Interpretation des Europäischen Gerichtshofs nicht teilt. Das, was dort in diesen Tagen geschieht - wir werden morgen mit Zustimmung von Herrn Verheugen einen Brief aus Brüssel bekommen, zu dem die Bundesrepublik innerhalb von acht Wochen Stellung nehmen muss -, wäre vermeidbar gewesen, wenn man das Urteil genau gelesen hätte. In dem Urteil wird die Sperrminorität einzeln nicht kritisiert. Somit hat die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof eine Niederlage kassiert. Frau Zypries und die Bundesregierung haben das Urteil 1 : 1 richtig umgesetzt, leider die Europäische Kommission nicht.

Wir sind auch froh darüber, dass die Satzung der VW AG von dem Urteil in dem Punkt Sperrminorität nicht betroffen ist. In dem Urteil wird nämlich zu diesem Punkt überhaupt nichts ausgeführt. § 179 Abs. 2 des Aktiengesetzes sieht für wesentliche Entscheidungen Dreiviertelmehrheiten vor, aber regelt in Satz 2 ausdrücklich: Die Satzung kann eine andere Kapitalmehrheit bestimmen. - Genau dem entspricht § 26 Abs. 2 der VW-Satzung. Wir haben uns genau auf das Aktienrecht bezogen. Das ist eine zulässige Abweichung. Ich möchte hier dem Parlament gegenüber sagen, dass ich es für bemerkenswert halte, dass die Porsche AG ihrerseits von der Gestaltungsmöglichkeit des § 179 Abs. 2 Satz 2 des Aktiengesetzes Gebrauch gemacht hat und in ihrer eigenen Satzung eine Sperrminorität von 33,3 % festgelegt hat. Das heißt, bei Porsche will man verhindern, dass die Familien Piëch die Familien Porsche oder die Familien Porsche die Familien Piëch überstimmen können. Genau das, was bei Porsche gang und gäbe ist, wollen wir bei Volkswagen, damit in wesentlichen Fragen wie der Sitzverlagerung oder der Aufspaltung des Konzerns Porsche nicht das Land Niedersachsen überstimmen kann.

(Beifall bei der CDU)

Jeder Investor, der Aktien von VW gekauft hat, wusste, auf welche Satzung er sich einlässt. Wer sich auf ein VW-Gesetz in extensiver Form eingelassen hat, der muss dann auch mit einem reduzierten VW-Gesetz ebenso wie mit dieser Satzung leben. Ebenso weiß jeder, der bei Porsche einsteigt, dass es dort unterschiedliche Formen gibt: Beschränkung durch Vorzugsaktien, Satzungsbesonderheiten und fehlende Quartalsberichterstattung. Wenn es also um Transparenz und Ordnungspolitik geht, dann wäre die Porsche AG einer intensiveren Prüfung zu unterziehen als die

VW AG. Ich bedaure, dass in Deutschland manchmal mit Geld alles käuflich zu sein scheint.

Herr Ministerpräsident, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sohn?

Bitte schön!

Wir hatten heute Morgen das Thema Karmann. Jetzt haben wir das Thema VW. Sehen Sie zwischen beiden Themen einen Zusammenhang dahin gehend, dass es im Rahmen der niedersächsischen Gesamtverantwortung für die Automobilindustrie und im Zuge der Einwirkungsmöglichkeiten bei VW Perspektiven für Karmann in Bezug auf das VW-Polo-Modell gibt?

Es ist unzulässig, als Aufsichtsrat in die Geschäftspolitik des Vorstandes einzugreifen. Insofern kann man das nicht über die Beteiligung des Landes und den Aufsichtsrat tun, in dem die IG Metall und der Betriebsrat zehn und wir zwei Sitze haben. Es wäre aktienrechtlich unzulässig, diese Mehrheit zu nutzen, um den Vorstand unter Druck zu setzen, Aufträge an bestimmte Unternehmen zu bestimmten Konditionen zu vergeben.

Dass ich als Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister als Wirtschaftsminister mit Herrn Winterkorn, Herrn Wiedeking und vielen anderen seit vielen Jahren in diesen Fragen in Gesprächen bin, wie es alle meine Vorgänger waren, ist bekannt. Herr Piëch hat jedes Jahr ein Interview gegeben nach dem Motto: Diese Niedersächsischen Ministerpräsidenten werden mehrfach im Jahr wegen Karmann vorstellig. - Das war damals so und ist bis heute so geblieben.

Leider ist es Herrn Gabriel nicht gelungen, dass der Cabrio-Auftrag in Osnabrück geblieben ist. Das Auslaufen der Beziehung Volkswagen/Karmann in den Jahren 1999 und 2000 war sicher eine ganz wesentliche Ursache für die heutigen Probleme des Unternehmens Karmann. Insofern hätte ich mir gewünscht, damals wäre ein Auftrag vergeben worden. Denn wir haben Hunderttausende Einheiten an französische Automobilhersteller verloren, weil Volkswagen nicht über das entsprechende Golf-Cabrio verfügt.

Die Sperrminoritätsregelung der Satzung und des Gesetzes wird von uns verteidigt. Deswegen haben wir jetzt vor dem Landgericht Hannover eine Klage angestrengt. Wir hoffen, dass das Gericht uns beipflichtet oder anderenfalls eine Vorlage beim EuGH beschließt. Dann allerdings sollten die Bundesregierung und die EU-Kommission die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abwarten. Der Druck, der jetzt aus Brüssel kommt, macht uns durchaus zu schaffen und ist unnötig. Es wäre hilfreich - ich teile Ihre Einschätzung, Herr Jüttner -, wenn es gelänge, Herrn Verheugen dazu zu bringen, sich das Urteil noch einmal im Detail anzuschauen und dann zu anderen Ergebnissen zu kommen. Das würde uns allen im Interesse von Volkswagen und im Interesse des Landes Niedersachsen nutzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Sohn von der Fraktion DIE LINKE hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Ich gebe ihm eine Minute Redezeit.

Die brauche ich gar nicht. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle nur fest, dass ich gerade nach dem Polo gefragt und dann einiges über Herrn Gabriel erfahren habe. So richtig befriedigt mich das nicht. Sie haben sehr weitschweifig und sehr ausweichend geantwortet. Ich finde das bedauerlich.

(Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

(Ministerpräsident Christian Wulff mel- det sich zu Wort)

- Entschuldigung. Herr Ministerpräsident!

Es wird bekanntlich - das haben Sie auch vom Betriebsrat gehört; aber das sind interne Informationen; es bringt nichts, wenn man sie in der Öffentlichkeit ausbreitet - auch über die Frage eines Polo-Cabrios gesprochen, wie über viele andere Modelle auch. Aber man hilft der Debatte nicht, wenn man dies hier ausbreitet. Natürlich gehen die Hoffnungen in die Richtung, dass solche Fahrzeuge bei Karmann gebaut werden. Aber es gibt dazu

keine verlässlichen Informationen. Insofern sollten wir es bei der Gesprächsebene Karmann/Volkswagen belassen und solche Überlegungen, ob vielleicht jemand noch eine Idee hat, welches Auto man dort bauen könnte, nicht hier in das Parlament führen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es scheint jetzt tatsächlich keinen Redewunsch mehr zu geben. Damit schließe ich den Punkt „Aktuelle Stunde“.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf:

3. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 16/200 - Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/215 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/218 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/220

Im Ältestenrat haben die Fraktionen vereinbart, die Eingaben, zu denen Änderungsanträge vorliegen, erst am Freitag, dem 6. Juni 2008, zu beraten. Ich halte das Haus wie immer für damit einverstanden, dass wir heute nur über die Eingaben beraten, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen.

Ich rufe also zunächst die Eingaben aus der 3. Eingabenübersicht in der Drucksache 200 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Gibt es Wortmeldungen dazu? - Ich stelle fest, das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse jetzt über die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse abstimmen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer ihnen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung

(Zuruf von der CDU: Frau Wegner wollte sich im Protokoll verewigen!)

ist das einstimmig beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu Tagesordnungspunkt 3:

Einspruch gegen einen Ordnungsruf - Beschlussempfehlung des Ältestenrates - Drs. 16/198

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Einspruch zurückzuweisen. Gemäß § 88 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung wird über diese Beschlussempfehlung ohne Aussprache abgestimmt.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ältestenrates zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einspruch ist mehrheitlich zurückgewiesen.

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Tagesordnung für heute Vormittag. Ich berufe den Landtag für 15 Uhr wieder ein.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.21 Uhr bis 15 Uhr)

Wir fahren in unserer Tagesordnung fort, und zwar mit Tagesordnungspunkt 4:

Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung sowie Aufgebotsverfahren - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/85 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 16/199

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme mit Änderungen.

Eine mündliche Berichterstattung ist vorgesehen. Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Siemer von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen empfiehlt Ihnen in der Drucksache 16/199, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit den Änderungen anzunehmen, die aus der Beschlussempfehlung ersichtlich sind. Diese Empfehlung ist einstimmig ergangen.

Da der Gesetzentwurf in der Plenarsitzung direkt an die Ausschüsse überwiesen worden ist, möchte ich Ihnen kurz Anlass und Inhalt des Entwurfs erläutern.

Im Wesentlichen dient der Gesetzentwurf dazu, ältere Regelungen zum Zwangsversteigerungs- und Aufgebotsverfahren zu ersetzen. Dabei wer

den überholte Vorschriften gestrichen und weiterhin erforderliche Regelungen in einem einheitlichen Gesetz übersichtlich zusammengefasst. Bisher befinden sich diese Vorschriften verstreut in mehreren Gesetzen und Verordnungen bzw. allgemeinen Verfügungen. Teilweise - das war auch für mich erstaunlich - stammen sie noch aus dem Jahr 1899 und gelten aus historischen Gründen nur in bestimmten Gegenden Niedersachsens wie etwa in dem Gebiet des früheren Herzogtums Oldenburg.