Protocol of the Session on August 18, 2010

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes angelangt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Einsatzbereitschaft, soziale und ökologische Verantwortung unterstützen - Jugendfreiwilligendienste stärken - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2293 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 16/2712 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2733

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen. Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt ebenfalls auf eine Annahme des Antrags in geänderter Fassung ab.

Ich eröffne die Beratung. Zunächst hat sich der Kollege Stefan Klein von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserem Antrag geht es um die Stärkung des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres in Niedersachsen und um Maßnahmen, um deren Attraktivität zu erhöhen und die Nachfrage zu decken.

Die Nachfrage ist bereits jetzt deutlich höher als die Anzahl der angebotenen Plätze. Man spricht von etwa drei Bewerbungen auf einen Platz. Das wurde in der Beantwortung einer Anfrage der Kollegen Riese und Försterling noch einmal bestätigt. Aber auch die Bundeszahlen sagen das aus: Während 1993 erst 7 100 Plätze aus Bundesmitteln gefördert wurden, sind es dieses Jahr bereits knapp 19 000 Plätze plus gut 6 500 Plätze über § 12 c Abs. 4 des Zivildienstgesetzes. Der steigende Bedarf ist also deutlich erkennbar.

Dieser Freiwilligendienst wird so gut angenommen, weil er verschiedene gute Komponenten in sich vereinigt. Er dient der Berufsorientierung - die jungen Menschen können ausprobieren, ob ihnen das Berufsfeld, das sie gewählt haben, liegt - und schafft die Möglichkeit, sich vor allem in sozialen Feldern ehrenamtlich zu engagieren. Damit einher geht die Möglichkeit, Anerkennung zu erzielen, das Selbstbewusstsein zu stärken und das Verantwortungsgefühl zu erweitern. Viele der jungen Menschen, die diese Freiwilligendienste ableisten, bleiben auch hinterher in diesen oder anderen sozialen Feldern ehrenamtlich tätig. Weil diese Menschen sich dauerhaft engagieren, dienen FÖJ und FSJ schließlich der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.

(Beifall bei der SPD)

Diese Freiwilligendienste werden in unterschiedlicher Form gefördert. In erster Linie geschieht dies durch Bundesmittel. Der Bund unterstützt das Freiwillige Soziale Jahr mit 72 Euro monatlich im Inland und 92 Euro monatlich im Ausland pro Platz aus dem Kinder- und Jugendplan. Das Freiwillige Ökologische Jahr unterstützt er pro Platz mit 153 Euro monatlich.

(Astrid Vockert [CDU]: Darüber freuen wir uns!)

Die Träger der Einrichtungen, die Plätze für Kriegsdienstverweigerer anbieten und die sich entscheiden, statt des Zivildienstes einen Freiwilligendienst zu belegen, erhalten bzw. erhielten pro Platz einen Betrag von 421,50 Euro zur Unterstützung.

Inzwischen hält die Förderkulisse mit der Nachfrage nach diesen Plätzen - die ausdrücklich positiv hervorzuheben ist, weil junge Menschen freiwillig eine solche Gelegenheit wahrnehmen, sich einzubringen - nicht mehr Schritt. Deshalb haben wir am 9. März 2010 einen - wie immer hervorragenden - Antrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen vorgelegt. Er bezieht sich in erster Linie auf die Möglichkeiten des Bundes. Wir fordern das Land auf, eine Bundesratsinitiative zu starten, die zum einen eine deutliche Aufstockung der Mittel für die FSJ- und FÖJ-Plätze und zum anderen die Anerkennung der beiden Freiwilligendienste als umsatzsteuerbefreites Bildungsjahr beinhaltet.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

2006 haben sich Bund und Länder darauf verständigt, dass die Zuweisung von Trägern auf Einsatzstellen als Personalgestellung gilt und daher umsatzsteuerpflichtig ist.

Wir haben in unseren Antrag auch zwei weitere Punkte aufgenommen, zum einen die Ablehnung der geplanten freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes um drei bis sechs Monate und zum anderen die Ablehnung der geplanten Streichung des § 14 c Abs. 4 des Zivildienstgesetzes, den ich vorhin bereits erwähnt habe. Beide Punkte sind auf Bundesebene leider bereits entschieden.

Wir hätten unseren Antrag gerne bereits während der Diskussion im Bund beraten - wir haben ihn, wie erwähnt, am 9. März eingereicht -, aber durch eine Art Verzögerungs- und Hinhaltetaktik der Regierungsfraktionen konnten wir ihn erst vergangene Woche abschließend beraten. Immer wieder wurden Änderungsanträge angekündigt, aber bis vergangene Woche kamen keine. Wie gehabt, kommt das in diesem Ausschuss immer erst sehr kurzfristig.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Wie immer!)

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses nimmt einige Forderungen unseres Antrages auf, aber bleibt bei vielen Dingen im Unklaren. Herausgekommen ist ein eher weichgespülter Antrag. Darin ist z. B. von „auskömmlichen Pauschalen“ die Rede - ein sehr dehnbarer Begriff.

Hinzu kommt, dass die Beschlussempfehlung von CDU und FDP die Landesverantwortung völlig außen vor lässt. Wir hingegen haben bewusst eine Erhöhung der Landesmittel für diese Plätze gefordert, weil das Land im Gegensatz zu anderen

Bundesländern keine Förderung von FSJ-Plätzen vornimmt. Nur im Bereich der Kultur und der Politik und auch beim Freiwilligen Ökologischen Jahr tut es das, aber nicht im Bereich des FSJ.

(Astrid Vockert [CDU]: Wie finanzieren Sie das? - Astrid Vockert [CDU] mel- det sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich habe keine Zeit mehr. Es tut mir leid, ich muss fortfahren.

(Astrid Vockert [CDU]: Dafür gibt es zusätzliche Redezeit!)

Wir fordern in diesem Bereich eine Steigerung der Landesmittel. Das haben Sie außen vor gelassen, was wir sehr bedauern. Deswegen können wir Ihrer Beschlussempfehlung in keinem Fall unsere Unterstützung geben.

Die Diskussion über die Zukunft der Wehrpflicht - das bezieht sich auf den Änderungsantrag der Grünen und die Forderung nach Abschaffung von Pflichtdiensten - ist bei uns noch nicht abgeschlossen. Das heißt, wir können in dieser Hinsicht nicht für den Antrag der Grünen votieren und werden auch diesen ablehnen müssen.

Wir hatten gehofft, dass sich die Fraktionen der CDU und der FDP ihrer Verantwortung stellen und auch das Land in die Pflicht genommen wird, die Förderung zu erweitern. Das tun sie nicht. Wir bedauern das sehr und bleiben bei unserem Antrag, für den wir auf breite Zustimmung hoffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN und Zustimmung von Helge Lim- burg [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, will ich, weil ich das heute schon zwei oder drei Mal gehört habe, aufklären: Wir haben uns darauf geeinigt, dass Zwischenfragen und die Zeit ihrer Beantwortung nicht auf die Redezeit angerechnet werden.

(Astrid Vockert [CDU]: Herr Klein, nächstes Mal sagen Sie Ja! - Gegen- ruf von Johanne Modder [SPD]: Er wusste, dass eine gemeine Frage kommt! - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Genau, das ist der wahre Grund! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie lehnen das doch auch immer ab!)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist die Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir Grünen haben unter der Überschrift „Einsatzbereitschaft, soziale und ökologische Verantwortung unterstützen - Jugendfreiwilligendienste stärken - Pflichtdienste abschaffen“ einen Änderungsantrag zur Beschlussfassung des Sozialausschusses eingebracht, der sich in zwei zentralen Punkten von den vorliegenden Anträgen unterscheidet.

Der erste Punkt ist: Die Wehrpflicht und damit auch der Pflichtzivildienst sollen abgeschafft werden.

Der zweite Punkt ist: Das Land soll selbst auch finanzielle Verantwortung für den Ausbau der Plätze des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres übernehmen.

Es wurde gerade schon ausgeführt, dass die Bewerbersituation mehr als unbefriedigend ist. Das ist bundesweit so. Auf einen Platz kommen knapp drei Bewerberinnen und Bewerber. Diese Situation wird sich im kommenden Jahr, also im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs, in Niedersachsen auf jeden Fall verschärfen, weil etliche, die auf einen Studienplatz warten müssen, das Freiwillige Soziale Jahr oder das FÖJ zur Überbrückung der Wartezeit werden nutzen wollen.

Gerade weil es sich bei den Bewerberinnen und Bewerbern vornehmlich um Gymnasiastinnen und Gymnasiasten handelt, ist also ganz sicher mit einem Anstieg der Bewerberzahlen zu rechnen. Deswegen fordern wir, dass das Land Niedersachsen im nächsten Jahr die Zahl der Plätze aus eigenen Mitteln deutlich aufstockt und nicht nur mit dem Finger nach Berlin zeigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das würde im Übrigen auch ganz gut passen, weil das kommende Jahr das Jahr der Freiwilligendienste ist. So hat es die EU beschlossen.

Der Bund ist neben den Trägern der Hauptverantwortliche für die Finanzierung der Freiwilligendienste wie FSJ, FÖJ, aber eben auch der Auslandsprojekte wie „Weltwärts“. Nun kann man sagen: Okay, der Bund soll eben zahlen; es ist uns egal, wie. - Aber wie Ihnen allen wahrscheinlich nicht entgangen sein wird, ist die Haushaltssituation des Bundes recht angespannt.

(Zuruf von der FDP: Und die des Lan- des nicht?)

Deswegen finden wir, dass es zu einem verantwortlichen Landespolitiker und zu einer verantwortlichen Landespolitikerin auch gehört, zu sagen: Wenn wir alle mehr Plätze fordern, dann müssen wir auch irgendwie sagen, wie die finanziert werden sollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Glücklicherweise hat sich seit 1989, was die Bedrohungslage Deutschlands angeht, einiges zum Positiven entwickelt. Wir können also ohne einen Verlust an Sicherheit für Deutschland die Möglichkeit nutzen, den Wehrdienst abzuschaffen.

(Beifall von Helge Limburg [GRÜNE])

Das sehen inzwischen nicht nur die Grünen so. Selbst der Vorsitzende der FDP hat ausnahmsweise einmal wahre Worte gesprochen. Er hat gesagt: Die Wehrpflicht ist überflüssig und ungerecht. - Das ist auch so; denn nur 15 % eines Jahrganges werden überhaupt noch eingezogen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Bekanntlich erwägt auch der Verteidigungsminister, die Wehrpflicht auszusetzen. Wir sind der Meinung, wenn wir schon das Thema Freiwilligendienste hier im Landtag diskutieren, dann sollten sich auch die Regierungsfraktionen deutlich positionieren und sagen: Okay, wir unterstützen ihn in dieser Forderung, weil dann nämlich auch die Gelder zur Verfügung stehen, und lassen das nicht nur so schwammig wie bisher, indem einfach nur von Reformen gesprochen wird.

Unser Fazit lautet also: Wir wollen, und wir müssen die Freiwilligendienste ausbauen. Wir Grünen trauen uns auch zu sagen, wie das finanziert werden soll - leider im Gegensatz zur SPD, die in der Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht ein bisschen den Anschluss an die aktuelle Debatte verloren hat.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)