Protocol of the Session on August 18, 2010

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein, das hat sie doch gesagt! - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Das hat sie doch ge- rade gesagt! - Dr. Gabriele Heinen- Kljajić [GRÜNE]: Ist das so wichtig?)

- Entschuldigung!. Sie haben hier verschwiegen, dass anschließend die Ausländerbehörde ein aktuelles Lichtbild an die armenischen Behörden geschickt hat und danach bestätigt worden ist, dass einmal die Angabe richtig ist und dass das aktuelle Bild, das dann verschickt worden ist, akzeptiert worden ist. Dies hier nicht mitzuteilen, ist etwas, was ich nicht verstehe, weil somit jetzt noch einmal der Eindruck entsteht, dass hier doch ein Fehler gemacht worden ist. Und das ist nicht richtig.

Ich sage Ihnen, es ist unredlich, dass Sie das hier tun. Das ist unredlich.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei den GRÜNEN)

Genauso unredlich ist es, wenn Sie sagen, dass die Abschiebehaft nicht rechtens gewesen ist. Sie wissen, dass ein Gericht diese Abschiebehaft bestätigt hat. Auch dies ist im Ausschuss gesagt worden. Wenn Sie sagen, dass es lediglich eine An

ordnung der Ausländerbehörde ist, dann muss ich Ihnen sagen,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Habe ich nicht gesagt!)

dass dies auch falsch ist. Ein Gericht hat dies bestätigt, und zwar nicht mit falschen Angaben, wie es auch dargestellt worden ist, sondern mit den richtigen Angaben, die auch notwendig sind. Deshalb war diese Abschiebehaft notwendig und auch rechtens, vom Gericht festgestellt. Das ist eine unabhängige Instanz, die Sie ja wohl nicht infrage stellen werden.

Herr Minister, Herr Limburg möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Bitte schön, wenn Sie meinen!

Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage doch noch zulassen, Herr Innenminister.

Ich möchte Sie einmal fragen, weil Sie gerade auf das Gericht abgestellt haben, wie häufig niedersächsischen Gerichten nachweislich vom Bundesverfassungsgericht nachgewiesen worden ist, dass sie falsche Haftanordnungsbeschlüsse getroffen haben,

(Zuruf von der CDU: Jetzt wird es ab- surd!)

und was Sie dazu sagen, dass natürlich auch die Ausländerbehörden in ihren Haftanträgen daran gehalten sind, nach Recht und Gesetz, nach bestem Wissen und Gewissen zu beantragen, und dass dann, wenn solche Anträge auf fehlerhaften oder nicht ausreichenden Haftgründen beruhen, dann natürlich auch die Ausländerbehörden gegen das Recht möglicherweise verstoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Ja, möglicherweise!)

Wir können diese Aktuelle Stunde natürlich gern für ein Seminar über den Aufbau der Justiz in Deutschland und auch hier in Niedersachsen nutzen.

Meiner Meinung nach aber kann der Vorwurf - und darum geht es ja -, dass die Innenbehörde bzw. die Ausländerbehörde eine im Prinzip rechtswidrige Anordnung getroffen hat, eindeutig nicht so aufrechterhalten werden, weil ein unabhängiges Gericht zuvor entsprechend entschieden hat.

Dass man wegen dieser Entscheidung in die nächste Instanz gehen kann, ist doch völlig unbestritten. Hier aber darzustellen, dass die Innenbehörde etwas angewiesen hat, was grundsätzlich rechtswidrig ist, ist nicht haltbar. Insofern muss ich dieses zurückweisen.

(Zustimmung bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Das haben wir auch nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren, hier ist noch ein anderer Punkt angesprochen worden, den ich ebenfalls nicht nachvollziehen kann. Hier wird immer wieder auf den Erlass aus dem Jahr 1995 zurückgegriffen. Bis in die Jahre 2000/2001 ist entsprechend diesem Erlass verfahren worden, in dem es z. B. hieß, dass der Abschiebetermin grundsätzlich bekanntzugeben ist.

Diese Regelung hat dazu geführt, dass sehr viele zur Abschiebung anstehende Personen frühzeitig untergetaucht sind. Deshalb sind die Ausländerbehörden zu einer anderen Praxis übergegangen. Daraufhin hat das Ministerium diese Praxis im Prinzip umgesetzt und gesagt: Es wird den Ausländerbehörden freigestellt, ob sie den Termin vor Ort ankündigen wollen oder nicht. - Das hat damit aber nichts zu tun.

Meine Damen und Herren, sehr betroffen macht mich - darauf hat auch der Kollege Biallas schon hingewiesen -, wie jetzt mit diesem Thema umgegangen wird.

Vor zehn Jahren gab es einen Fall mit ähnlichem Hintergrund. Natürlich hat es auch seinerzeit eine öffentliche Berichterstattung gegeben, in deren Rahmen dem zuständigen Landkreis ähnlich wie in dem diskutierten Fall Vorwürfe gemacht worden sind. Jener Fall wurde durch meinen Amtsvorgänger Heiner Bartling recherchiert und aufgeklärt. Parlamentarisch ist dieser Fall dadurch aufgearbeitet worden, dass eine Kleine Anfrage der Grünen beantwortet wurde. Schlussendlich hat man auch seinerzeit dieselben Feststellungen getroffen wie im aktuellen Fall. Die damalige CDU-Opposition hat sich nach Aufklärung der Abläufe der Bewertung durch den seinerzeitigen Innenminister ange

schlossen, und es hat keine weiteren Debatten gegeben.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Rich- tig! Habe ich auch nicht behauptet!)

Sehr geehrter Herr Bachmann, angesichts dessen finde ich es - und das bewegt mich - unerträglich, wie Sie in diesen - - -

(Klaus-Peter Bachmann [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich lasse jetzt keine Fragen zu, weil ich hier im Zusammenhang vortragen möchte; danach können Sie noch etwas sagen.

Ich will Ihnen noch einmal genau darstellen, was Sie zu diesem aktuellen Fall gegenüber dem Hamburger Abendblatt gesagt haben. Herr Bachmann, Sie haben gegenüber dem Hamburger Abendblatt diesen tragischen Todesfall zum Anlass genommen, dem Innenministerium und mir persönlich Folgendes vorzuwerfen: Ausländer auf Gedeih und Verderben abschieben. Zur Not werden sogar Passpapiere gefälscht oder von zweifelhaften fliegenden Händlern zu hohen Preisen eingekauft.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja un- glaublich! - Weitere Zurufe von der CDU)

Sie haben dann noch Weiteres ausgeführt. Das hatte nur einen einzigen Zweck, nämlich dass die Journalisten die Überschrift machen: Der Minister hat eine persönliche Verantwortung für diesen Selbstmord. - Meine Damen und Herren, dass einen so etwas bewegt, ist das eine. Meiner Meinung nach aber ist es unredlich und unmoralisch, vor dem Hintergrund eines solch tragischen Todes so Politik betreiben zu wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Gut, dass Sie immer so redlich argumentieren, Herr Schünemann!)

Herr Minister, ich muss Sie kurz unterbrechen. - Herr Kollege Bachmann, haben Sie versucht, sich zu einer Zwischenfrage zu melden? - Ja. Ich frage Sie, Herr Minister, ob Sie seine Zwischenfrage zulassen wollen.

Bitte schön, Herr Bachmann!

(Heinz Rolfes [CDU]: Der will sich jetzt entschuldigen!)

Herr Minister, Sie bestätigen mir sicherlich gern, dass ich Ihnen gegenüber nach dem Brief, den ich von Ihnen in dieser Sache bekommen habe, in einem klärenden Gespräch am Rande des Polizeiempfangs deutlich gemacht habe, dass ich gegenüber den Medien nicht formuliert habe, dass Sie für den Tod in diesem konkreten Fall persönlich verantwortlich sind, sondern dass ich im Kontext Ihrer Flüchtlings- und Abschiebepolitik von Ihrer politischen Verantwortung gesprochen habe.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Dann musst du das auch sagen!)

Das ist zwischen uns klargestellt. Er hat es jetzt aber trotzdem wiederholt. Ich kann nichts für die Überschriften in der Presse. Ich sage das noch einmal. Das war die Botschaft.

Zweitens möchte ich Sie Folgendes fragen: Können Sie mir bestätigen, dass dieser Fall von vor zehn Jahren, der von Ihrer Fraktion im Innenausschuss als Vergleichsfall in die Diskussion gebracht worden ist - meiner Meinung nach kann man solche Vorfälle aber nicht mit Vergleichsfällen entlasten, sage ich einmal -, mit dem aktuellen Fall nicht vergleichbar ist? - Herr Bartling hat damals nämlich alles aufgearbeitet. In diesem konkreten Fall ist der junge Mann, um den es damals ging, untergetaucht, und aus dem Untertauchen heraus ist unter Angabe falscher Daten zur Person ein erneutes Asylverfahren beantragt worden. Das war eine ganz andere Situation.

Herr Bachmann, die Frage ist verstanden worden.

Damals war die Situation eine völlig andere, und es ging damals um einen jungen Mann und nicht um einen älteren Familienvater aus einem Umfeld, das ich vorhin geschildert habe.

(Zustimmung bei der SPD und Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Bachmann, Sie haben mir gesagt, dass Sie mir nicht direkt die persönliche Verantwortung zuschreiben wollten. Sie wissen auch, was das für Folgen hätte.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ja, klar!)

Deshalb habe ich es eben auch so formuliert. Sie haben Formulierungen und Unterstellungen ganz bewusst gebraucht, damit genau dieser Eindruck entsteht.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: So ist es!)

Genau das hatten Sie vor. Das ist etwas, was schlichtweg unmoralisch ist, und dafür sollten Sie sich entschuldigen. Es wäre jetzt an der Zeit, dass Sie das tun.